Nach dem Platzsturm der Düsseldorfer Anhänger im Relegationsrückspiel gegen die Hertha legten die Gäste nun Protest gegen die Wertung der Partie ein, die 2:2... Pfosten der Woche (KW 20) – Hertha BSC

Nach dem Platzsturm der Düsseldorfer Anhänger im Relegationsrückspiel gegen die Hertha legten die Gäste nun Protest gegen die Wertung der Partie ein, die 2:2 endete und somit den Abstieg der Berliner in die 2.Liga bedeuten würde.

Eines vorweg: der irrtümlich verfrühte Platzsturm der Fortuna-Anhänger 90 Sekunden vor Ende der siebenminütigen Nachspielzeit war ebenso dämlich wie das Verhalten der Hertha-Fans, die nach knapp 60 Minuten und der 2:1-Führung für Düsseldorf eine Unmenge an Bengalen auf das Spielfeld warfen und so für eine längere Unterbrechung sorgten, die erst zu ebendieser Nachspielzeit führte. Es mag zwar durchaus üblich sein, dass Zuschauer nach errungenen Erfolgen auf das Spielfeld strömen, um zu feiern – wer aber nicht in der Lage ist, einen Freistoß- vom tatsächlichen Schlußpfiff zu unterscheiden, sollte damit vielleicht solange warten, bis Spieler und Funktionäre am Jubeln sind und sich erst dann in Richtung Rasen bewegen.

Das Resultat der ejaculatio praeascensio: Schiedsrichter Wolfgang Stark musste das Spiel beim Stand von 2:2 für 21 Minuten unterbrechen, ehe das Spielfeld wieder geräumt war und die Mannschaften die verbleibenden anderthalb Minuten absolvieren konnten. Den Herthanern boten diese Vorfälle einen willkommenen Grund, beim DFB Protest gegen die Wertung des Spiels einzulegen; Manager Michael Preetz sagte im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin: „Es ging nur noch um die Sicherheit unserer Spieler, ein regulärer Spielablauf war nicht mehr möglich. Die Spieler hatten Angst. Es ging nicht mehr um das Sportliche.“

Herthas Anwalt Christoph Schickhardt hieb in dieselbe Kerbe, schöpfte dabei allerdings aus weit drastischerem Repertoire und vergaß auch nicht, das vorbildliche Verhalten des eigenen Vereins herauszustreichen: „Der Schiedsrichter hat die Mannschaft nicht wegen des Fußballs auf den Platz zurückgeführt, sondern nur auf Bitten der Polizei, um eine Eskalation – man hat von einem Blutbad gesprochen – zu verhindern. Die Hertha hat dazu ihren Beitrag geleistet.“

Das Berliner Selbstbild von ehrenvoller Aufopferung für den deutschen Fußball erhielt am Freitag im Zuge der Verhandlung des Protests vor dem DFB-Sportgericht allerdings den einen oder anderen Kratzer: Schiedsrichter Stark sagte aus, er habe sich zehn Minuten nach dem Platzsturm und nach Rücksprache mit der Einsatzleitung der Polizei, die die Situation im Stadion als „absolut unter Kontrolle“ bezeichnete, für die Fortsetzung der Partie entschieden – von Blutbad und akuter Gefahr für Leib und Leben der Berliner also ebenso keine Rede wie von zum Weiterspielen drängenden Einsatzkräften.

Stark konnte hingegen noch mit weiteren erschütternden Details aufwarten: nach Schlußpfiff sei er einer Hetzjagd der Hertha-Spieler ausgesetzt gewesen, Lewan Kobiaschwili habe ihn in den Nacken geschlagen und nur durch Glück sei nicht die nahe Treppe hinuntergestürzt. Nach einem Allerlei an üblen Beschimpfungen hätten dann noch vier bis fünf Herthaner Kicker versucht, die Schiedsrichterkabine zu stürmen: „Ich hatte Angst nach dem Spiel und war den Tränen nahe. So was habe ich in meiner Schiedsrichter-Laufbahn noch nicht erlebt.“

Der Einzige, der am vergangenen Dienstag also wirklich die Hosen voll hatte, war der Schiedsrichter – weil die Spieler der Hertha, die sich nach eigenen Aussagen wahnsinnig um die Familien auf den Tribünen ängstigten, einen Sündenbock für die völlig verkorkste Saison ausgemacht und diesem gepflegt die Hucke vollgehauen hatten, anstatt sich des Wohlbefindens ihrer Lieben auf den Rängen zu versichern. Dass sich das Management der Berliner nach dem Verhalten der eigenen Fans und Spieler nicht in Grund und Boden schämt und die Niederlage eingesteht, sondern die Chuzpe hat, im Zuge des Protests in blutroten Farben von der möglichen Gewaltbereitschaft der Düsseldorfer Anhänger und der eigenen Verdienste um die Beruhigung der Menge zu schwadronieren, ist selbst eingedenk der für die Hertha günstigen Tatsache, dass kontrafaktische Konklusionen immer richtig sind, ein Armutszeugnis.

Auch wenn sich Ordnerdienst und Fans der Fortuna keineswegs mit Ruhm bekleckert haben und natürlich selbst am juristischen Relegationsnachspiel Schuld sind: die Hertha hat in den letzten Tagen mehr als deutlich gemacht, dass ihr nicht nur sportlich, sondern auch moralisch jegliche Bundesligareife fehlt.

(Lichtgestalt)

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