Auf der Suche nach einem Linksverteidiger wurde Rapid in Belgien fündig. Der 21-jährige Boli Bolingoli-Mbombo wechselt vom FC Brügge nach Hütteldorf, nachdem er zuletzt... Lukaku-Gene: Das ist Rapids Neuer Boli Bolingoli-Mbombo!

_Fredy Bickel - SK Rapid

Auf der Suche nach einem Linksverteidiger wurde Rapid in Belgien fündig. Der 21-jährige Boli Bolingoli-Mbombo wechselt vom FC Brügge nach Hütteldorf, nachdem er zuletzt ein halbes Jahr an VV St.Truiden ausgeliehen war und unterschrieb einen Vertrag bis Sommer 2020. Wir haben den Linksfuß im Detail unter die Lupe genommen.

Neverending: Rapid und die Linksverteidiger

Wir starten allerdings zuerst mit einer Notwendigkeitsanalyse. Rapid hat fast schon traditionell ein Problem auf der Linksverteidigerposition, das in den letzten 15 Jahren immer nur saisonweise von Spielern wie Katzer, Jazic oder auch Schrammel gestopft wurde. Schrammel, bald 30 Jahre alt, wurde immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen, kam stets stark zurück, brauchte für die Findung seiner Normalform aber häufig zu lange.

Schrammel als einziger echter LV

Das einzige Backup für den Platz links in der Viererkette war nunmehr Stephan Auer, den man aber ebenso anderswo stärker sieht, wie Maximilian Wöber, der in der Innenverteidigung gesetzt sein sollte. Schrammel präsentierte sich seit seinem letzten Kreuzbandriss nicht zwingend genug, machte auf der linken Außenbahn zu wenig Dampf, schien auch ein wenig im Barisic-System festzuhängen, das stark auf solides Kurzpassspiel und weniger auf explosive Durchbrüche oder intensive Läufe in Schnittstellen ausgerichtet war. Speziell für die eher als Absicherung gedachten Außenverteidiger.

Gute Gene

Mit Boli Bolingoli möchte Rapid der linken Seite mehr Dynamik einimpfen. Der Name des neuen Linksverteidigers ist zwar klangvoll, wird den meisten Leuten aber weniger sagen, als der Name seiner Cousins. Everton-Goalgetter Romelu Lukaku ist jedem Fußballfan ein Begriff und auch Bolingolis zweiter Cousin Jordan Lukaku sorgt für Furore, kickt derzeit für Lazio. Bolingoli selbst war ebenfalls auf dem besten Weg zu einer großen Karriere, debütierte kurz nach seinem 18.Geburtstag für den FC Brügge, trat dann aber aufgrund der großen Konkurrenz länger auf der Stelle.

Ausgebildet in der Verteidigerschmiede

Als Sechsjähriger startete Bolingoli seine Karriere bei Germinal Beerschot. Den Klub aus Antwerpen gibt es mittlerweile nicht mehr und außer zwei belgischen Pokalsiegen wurden in der 93-jährigen Vereinsgeschichte keine Titel geholt. Der Klub war aber auch als etwas anderes bekannt: Als eine konstant erfolgreiche Verteidigerschmiede. Hier wurde heutigen Klasseleuten wie Toby Alderweireld, Jan Vertonghen und Thomas Vermaelen das Fußballspielen beigebracht und für die meisten Abwehrtalente war der Verein nicht nur ein Durchzugsposten, sondern tatsächlich ein dauerhafter Ausbildner.

Passender Spieler – aber andere waren noch besser

So auch für Bolingoli, der neun Jahre im Nachwuchs von Germinal Beerschot kickte, ehe er 14-jährig vom FC Brügge abgeworben wurde. Der Stil des offensiven Verteidigens gegen den Ball und des positionsflexiblen Angreifens mit Ball passte perfekt in die Philosophie Brügges, weshalb Bolingoli 17-jährig in die Kampfmannschaft aufrückte. Wie die meisten großen belgischen Talente kam er auch schnell zu Einsätzen, aber er schaffte nie den Sprung um die zumeist noch talentiertere Konkurrenz zu überholen.

Immer eine Stufe hinter De Bock

Sein härtester Konkurrent im eigenen Team war hierbei Laurens de Bock, damals belgischer U21-Nationalspieler, drei Jahre älter und schon weiter als Bolingoli, weil er zuvor schon mehrere Saisonen Stammspieler bei Lokeren war. Er stieß kurz vor Bolingoli ins Team und war als Linksverteidiger praktisch sofort gesetzt. Bolingoli wurde situativ als Linksaußen vor ihm eingesetzt, aber auch dies war keine Dauerlösung, zumal man auch noch Shooting Star Lestienne unterbringen musste.

Europacuperfahrung

So kam es, dass Bolingoli in seinen ersten Jahren bei Brügge auf mehreren Positionen ausprobiert wurde. Auch als Rechtsaußen oder im offensiven Mittelfeld spielte er phasenweise. Die meisten seiner 64 Spiele für Brügge bestritt er dennoch als sehr hoch spielender Linksverteidiger. Und auch an Herausforderungen haperte es nicht: 2014/15 spielte er sechsmal in der Europa League, erzielte dabei drei Tore, unter anderem einen entscheidenden Doppelpack auswärts gegen Besiktas. Ein Jahr später, als er im Herbst 2015 kurze Zeit Stammspieler war, bekam er es mit Panathinaikos, Manchester United und Napoli zu tun. In der abgelaufenen Saison konnte man Bolingoli zudem in der Champions-League-Gruppenphase beobachten: In zwei Spielen gegen Porto, sowie bei der Niederlage gegen Kopenhagen war er mit von der Partie.

Einsatzstatistiken als Profi inklusive Cup und Europacup

SaisonTeamSpiele (davon Einwechslungen)ToreAssistsGelbRot
2013/14FC Brügge9 (3)1020
2014/15FC Brügge20 (9)5130
2015/16FC Brügge22 (9)1031
2016/17FC Brügge13 (7)0010
2016/17VV St.Truiden18 (4)0120

Weitere Verkomplizierung der Situation in Brügge

Im vergangenen Winter verlieh Brügge Bolingoli an VV St.Truiden. Aufgrund des Nachrückens einiger neuer Talente war klar, dass er seinen bis 2019 laufenden Vertrag in Brügge nicht erfüllen würde. De Bock ist weiterhin Stammspieler (wenn auch zuletzt verletzt), der 21-jährige Dion Cools rückte immer öfter auf links und auf der offensiveren Linksaußenposition war nun auch noch Anthony Limbombe da, der von NEC Nijmegen kam.

Das jahrelange Problem mit dem Matchrhythmus

Für St.Truiden, das nach den finalen Playoffs den achten Platz in der Jupiler League belegte, war Bolingoli auf Anhieb eine Verstärkung. Der 21-Jährige war als Linksverteidiger gesetzt und bekam das, was er nach langem Hin und Her in Brügge am meisten brauchte: Spielpraxis. Allgemein wäre die Karriere Bolingolis anders verlaufen, wenn er im Alter von 18, 19 Jahren zu mehr Spielen gekommen wäre. Aber es war ein schwieriges Hickhack, weil Brügge das Talent ob seines Potentials nicht verleihen wollte, er aber gleichzeitig bei Brügge zu wenig Einsatzzeit bekam. Der Rückschritt zu St.Truiden war wichtig für Bolingolis Rhythmus.

Vorteile durch die belgische Liga

Ligatechnisch kommt es nun zu einem weiteren Rückschritt, denn Bolingoli spielt künftig in der schwächeren österreichischen Liga. Das Potential wieder einen großen Schritt nach vorne zu machen, hat der kongolesisch-stämmige Belgier definitiv und Rapid ist dafür wohl ein guter Nährboden. Dadurch, dass der Europacup wegfällt, läuft Bolingoli nicht Gefahr zu viele Spiele auf einmal zu machen. Auf etwas niedrigerem Niveau kann er sich nun noch stärker an einen richtig guten Spielrhythmus herantasten – und hat dabei den Vorteil, an ein höheres Niveau gewöhnt zu sein.

Ein anderer Typ

Der Belgier ist ein völlig anderer Typus Linksverteidiger, als man ihn bei Rapid aus den letzten Jahren kennt. Bisher war man in Hütteldorf eher bedächtige Linksverteidiger gewöhnt, die selten das Eins-gegen-Eins suchen und im Zweifelsfall Sicherheits-Anspielstation im Halbraum sind. Bolingoli ist hingegen explosiver, sucht aufgrund seiner Schnelligkeit und guter Physis Laufduelle und vergisst dabei schon mal gerne seine Position, was eine hochinteressante Facette, speziell ohne Ball darstellt.

Einrücken und Wiederfinden von Positionen

Bolingoli rückt stark nach innen ein, wenn er den passiven Flügel besetzt und taucht dadurch schon mal (auch mit Ball) in der Zentrale auf. Da er allgemein ein Spieler ist, der Räume hinter den gegnerischen Reihen sucht, ist er somit ein guter Empfänger für Pässe in die Tiefe. Gleichzeitig hat er aber auch das Problem, danach seine Position manchmal nicht schnell genug wiederzubesetzen, weshalb er idealerweise von seinem vorgelagerten Linksaußen gut abgesichert werden sollte bzw. einer der Sechser bereit sein sollte, nach außen zu rücken, wenn Bolingoli zu offensiv wird.

Physisches Upgrade

Das „in die Mitte schneiden“ hat aber auch bei situativer Erfolglosigkeit Vorteile, zumal Bolingoli stets ein wichtiger Spieler im Gegenpressing war und Bälle schnell zurückerobern kann. Auch wenn der 21-Jährige, dem es offenbar nicht an Selbstvertrauen mangelt, konstatiert, dass er „in seiner Familie der beste Techniker ist“, liegen seine offensichtlichen Vorteile im Vergleich zur bisherigen Rapid-Situation im körperlichen Bereich. Bolingoli ist ein guter Kopfballspieler, auch bei Offensivstandards eine Gefahrenquelle und zudem ein energischer Zweikämpfer, der es allerdings auch manchmal übertreibt.

Manchmal zu ungestüm

Brügge-Fans bekrittelten in der Vergangenheit mehrmals, dass Bolingoli immer wieder für Fouls in ungünstigen Feldpositionen verantwortlich war. Der jugendliche Leichtsinn ist aber auch seiner Kämpfernatur geschuldet. Zwar brennen ihm niemals „klassisch“ die Sicherungen durch, aber er vergisst defensiv schon mal gelegentlich vorausschauend zu agieren. Nimmt man dieses Risiko in Kauf und federt es mannschaftlich geschlossen ab, ist Bolingoli ein starker Umschaltspieler, dem es nicht an Fitness und Laufstärke mangelt und der auch für Gegenstöße wertvoll sein kann.

Hoher Expected Value

Der Hauptgrund für die Verpflichtung des Belgiers war allgemein sein Potential. Er ist ein anderer Typ als all seine Rapid-Vorgänger, würde stilistisch auch zu Red Bull Salzburg oder anderen, ähnlich offensiv ausgerichteten Mannschaften passen. Bolingoli ist ein klares Upgrade für Rapids linke Seite: Schnell, technisch stark, mit einem guten schwächeren Fuß und dem nötigen Maß an positiver Verrücktheit ausgestattet. Gleichzeitig ist er kein „fertiger“ Spieler, den man da und dort noch zügeln muss, aber wenn das gelingt, hat Rapid mit ihm einen sehr guten Fang gemacht.

Wie gut passt Bolingoli ins Team?

Und dann kommt noch die Sache mit der allgemeinen Mentalität hinzu: Da Bolingoli ein „Spezialist“ in einer sonst eher eintönig zusammengestellten Mannschaft ist, wird vieles darauf ankommen, wie gut er ins Team passt bzw. findet. Auch die Notwendigkeit von Extramotivation auf den kleineren Fußballplätzen wird bei ihm, wie bei allen Rapid-Spielern, ein Fragezeichen darstellen. Bolingoli kennt die kleine Fußballwelt zwar von einigen Gelegenheiten in der belgischen Liga, er kennt aber auch schon die große, Old Trafford in der Königsklasse inklusive. Motivationsprobleme im Keim zu ersticken, wird aber ohnehin eine der Hauptaufgaben von Goran Djuricin sein und da Bolingoli noch einmal hoch hinaus will, wird er Rapid als das betrachten, was es für den Youngster ist – eine große Chance auf dem Weg „zurück“.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

Keine Kommentare bisher.

Sei der/die Erste mit einem Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert