Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (95) – Lieber Marco Djuricin!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an einen frischgebackenen Austria-Stürmer…

Lieber Marco Djuricin!

Du gehörst zu jener Generation von der wir, österreichische Fußballfans, einmal dachten, sie würde die ganz große Fußballbühne erobern und unser Nationalteam zu einer richtig schlagkräftigen Truppe machen. Du, Alaba, Knasmüllner, Holzhauser, Walch, Sikorski und noch einige andere seid teilweise noch vor Erreichen der Volljährigkeit in deutsche Fußballinternate oder zu den Amateuren renommierter Bundesligisten gewechselt und wurdet als Riesentalente gepriesen. Bei derartigen Prognosen wird aber gerne vergessen, dass viel mehr als nur Begabung notwendig ist, um aus einem Jugendfußballspieler einen gestandenen Profi zu machen. Nun ja, Profis seid ihr ja alle geworden, eine Ausnahme-Karriere hat aber nur David Alaba gemacht.

Lieber Marco, zwei Tore bei deinem Profi-Debüt im Alter von 17 Jahren haben ausgereicht, um dich „Wunderbengel“, „Baby-Bomber“ und „Super-Ösi“ zu taufen. Die Medien jubeln Spieler gerne hoch, eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer. Gewissenbisse kennt die Presse meist aber nicht, so auch nicht, als sie dich zum „Flop“ deklarierten, als es deine einzigen beiden Pflichtspieltreffer für den Berliner Topklub bleiben sollten. Für mich warst du damals einer der vielen arroganten Jungkicker: Zwar bereits eine Menge Tinte unter der Haut, aber keine Erfolge. Das eine hat mit dem anderen natürlich nichts zu tun. Die Optik empfand ich jedenfalls als schief: Sagen wir so, du hast dem Klischee entsprochen.

Über Jahn Regensburg bist du schließlich nach Graz gekommen, wo es sportlich richtig gut lief. Die „Schwoazen“ hast du lange mit deinen Treffern über Wasser gehalten. Du hast auf und neben dem Platz immer gelöster gewirkt. Es schien, als würdest du dich endlich wohlfühlen. Trotzdem warst du erst 20, 21 Jahre alt und standest nicht kurz vor der Fußballpension. Du hattest den Ehrgeiz, weiter nach oben zu kommen. Als du zum Ligakonkurrenten aus Salzburg gewechselt bist, hast du es geschafft, dass dir bei Sturm niemand böse war. Damit hast du ein wahres Kunststück vollbracht, an dem schon viele deiner Kollegen gescheitert sind. Du hast glaubwürdig den Eindruck vermittelt einfach nur ein Spieler, kein Söldner aber auch kein Fan zu sein. Du warst nahbar, hast dich aber nicht angebiedert und warst gleichzeitig distanziert ohne abgehoben oder arrogant zu wirken. Ich habe damals ehrlich gehofft, dass du es noch bei einem großen Verein schaffen würdest. Jetzt bist du 28 Jahre alt und hast bei Brentford, Ferencváros, Grasshoppers Zürich und in Karlsruhe gespielt. Das sind alles feine Stationen, gescheitert bist du also auf gar keinen Fall. Dein Wechsel zu Austria Wien ist irgendwie eine Art Heimkommen. Du und der aktuell ziemlich gebeutelte Wiener Traditionsverein – das könnte gut funktionieren. Denn dein jeweiliger Arbeitgeber profitiert jetzt nicht nur von deinem Talent, sondern auch von der Reife, die du dir mit der Zeit erarbeitet hast.

Alles Gute wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag