Sieben Unentschieden hintereinander – das geflügelte Wort des „Derby-X“ hatte selten eine solch reale Berechtigung wie aktuell. Seit dem 3:1-Auswärtssieg Rapids bei der Austria... Derbyvorschau: Was spricht für Grün, was für Violett?

Sieben Unentschieden hintereinander – das geflügelte Wort des „Derby-X“ hatte selten eine solch reale Berechtigung wie aktuell. Seit dem 3:1-Auswärtssieg Rapids bei der Austria am 1. September 2019 durfte keines der beiden Wiener Fußballlager über einen vollen Erfolg im Derby jubeln. Was könnte im 300. Bundesliga-Derby den Ausschlag für eines der beiden Teams geben?

Rapid geht als leichter Favorit in das Derby am 9. Oktober. Die Mannschaft konnte zuletzt Selbstvertrauen aufbauen, trotzte Salzburg auswärts nach einer starken Leistung ein 1:1 ab und zeigte sich beim glatten 5:0-Sieg bei der WSG Tirol höchst effizient.

Die Neuerung, die diese Stabilisierung mit sich brachte: Eine funktionierende Dreierabwehrkette. Die Konstellation mit dem abgebrühten Sollbauer, dessen Körpersprache sich in den letzten Wochen merklich veränderte, dem kampfkräftigen, jungen Leopold Querfeld und zuletzt auch wieder Kapitän Maximilian Hofmann (bzw. in Salzburg mit Moormann) erwies sich als ausgesprochen standfest.

Mit mehr Zentrumssicherheit zurück auf die Erfolgsstraße

Der Grund für die Verbesserung des Rapid-Spiels war dabei der zusätzliche Passanker. Durch die Dreierabwehrkette hatte das oft unsichere zentrale Mittelfeld Rapids nach hinten hin in Stresssituationen eine Anspielstation mehr und war somit im „Wiederaufbau“ des Spiels nach abgebrochenen Angriffen solider.

Gegen die WSG Tirol musste Maximilian Hofmann nach einem harten Einstieg von Lautaro Rinaldi schon nach einer halben Stunde mit einer Prellung runter. Feldhofer brachte aber keinen Innenverteidiger, sondern mit Grüll einen Offensivspieler, stellte also wieder auf 4-2-3-1 um. Erst dann begann Rapid Tore zu schießen. Es war also nicht nur die Fünferkette alleine, die Rapid stärker machte, sondern auch das Selbstverständnis, keine Angst haben zu müssen, das nach knapp zwei Spielstunden im „Sicherheitssystem“ zurückkam.

Hofmann und Grüll fraglich

Maximilian Hofmann ist weiterhin angeschlagen und für das Derby fraglich. Dasselbe gilt für Nicolas Kühn, der eine zwar noch ineffiziente, aber sehr facettenreiche Stütze für das Offensivspiel Rapids ist. Speziell der Ausfall von Kühn würde schmerzen, aber auch Grüll tankte zuletzt Selbstvertrauen und den einen oder anderen guten Joker bräuchte Rapid ohnehin auch.

Fix ausfallen werden bei den Hütteldorfern nur Moritz Oswald, der zuletzt aber ohnehin keine Rolle in der ersten Elf spielte und die Langzeitverletzten Petrovic und Schuster. Ob Moormann wieder ins Team zurückkehren kann, ist fraglich. Auch er wäre eine Option für die Dreierkette, die zuletzt für mehr Stabilität in Grün-Weiß sorgte.

Ein weiterer besonderer Vorteil für Rapid: Das Weststadion ist ausverkauft und wird angesichts des Lechzens nach dem ersten Derby-Sieg im „neuen Zuhause“ ein Tollhaus werden.

Erwartbare Austria-Niederlage bei Villarreal

Die Austria kassierte indes am Donnerstag spätabends die zu erwartende Niederlage bei Villarreal. 0:5 hieß es am Ende – und das ohne großer, dynamischer Anstrengungen des Submarino Amarillo. Die Austria hielt sich phasenweise brav, presste sogar hoch an, war dann aber auch wieder zu „grün“ hinter den Ohren. Villarreal ließ Ball und Gegner auf einem Präzisionslevel laufen, den die Veilchen aus der heimischen Liga nicht gewohnt waren.

Schmerzlich war für die Austria vor allem der Ausfall des in Hochform agierenden Andreas Gruber, der schon die gesamte Woche über ein Krankheitsgefühl klagte. Sicherheitshalber wurde er in Valencia draußen gelassen, ein Derby-Einsatz erscheint aber dennoch wahrscheinlich. Falls es sich doch nicht ausgeht, könnte auch der immer wieder gut pendelnde Nikola Dovedan, der in der UEFA Europa Conference League nicht spielberechtigt ist, für die nötigen Akzente sorgen.

Außenverteidigerprobleme in Violett

Größere Probleme gab es allerdings auf den Außenverteidigerpositionen: Der Ausfall von Marvin Martins, der Villarreal ebenfalls ausließ und in Wien Individualtraining abspulte, wiegt schwer. Der Luxemburger, der an Adduktorenproblemen laboriert wird von der Austria als „fürs Derby fraglich“ bezeichnet. Ob er praktisch ohne Mannschaftstraining und noch nicht hundertprozentig fit ins Rennen geworfen wird, ist angesichts des dichten weiteren Programms allerdings mehr als nur fraglich.

Top-Talent Ziad El Sheiwi fehlt bekanntlich aufgrund eines Kreuzbandrisses und so musste im Auswärtsspiel gegen Villarreal Dario Kreiker links hinten einspringen. Der wurde aber zur Pause schon wieder erlöst, nachdem er gegen die Qualität der Spanier überfordert war und gegen Manuel Polster ersetzt. Dieser wiederum konnte mit Speed und unangenehmen Anlaufverhalten punkten, könnte gegen Rapid aber ein anderes Problem mitbringen: Gegen Villarreal stand die Austria grundsätzlich eher tief, gegen Rapid wird man aber mitspielen wollen. Ob ein etatmäßiger Linksaußen als Linksverteidiger dafür nicht ein zu hohes Laufpensum abwickeln müsste, ist eine der großen Fragen.

Weiters fehlen bei der Austria die Langzeitverletzten Handl, Wustinger und Raguz. Das mittlerweile gut funktionierende Zentrum der Veilchen sollte aber gegen Rapid nicht das Hauptproblem werden, vor allem, weil Rapid trotz einiger Verbesserungen hier noch immer seine spielerische Achillesferse hat. Wichtiger für die Austria ist eher das Wiederfinden der Effizienz: In den letzten beiden Spielen schossen die Favoritner kein Tor, kassierten aber acht, obwohl man sich selbst gute Chancen herausarbeitete. Das ist allerdings als Momentaufnahme zu betrachten und in Derbys ist so mancher Mannschaft wieder der Knopf aufgegangen.

Taktische Überraschungen wahrscheinlich

Aufgrund der aktuellen Ausfälle und Schwachstellen bzw. der zahlreichen fraglichen Spieler auf beiden Seiten, können wir vor allem ein taktisch sehr spannendes Derby erwarten, in dem keine der beiden Grundideen des Fußballs in Stein gemeißelt sind. Nicht nur formativ, auch was die Herangehensweise betrifft, könnte es hier beidseitig Überraschungen geben.

Was zumindest von Rapid erwartet wird, ist aber auch klar – nämlich Angriffsfußball. Das raubt den Grün-Weißen vor ausverkauftem Haus durchaus eine sinnvolle Option. Die Austria hat zwischen dem Abpfiff gegen Villarreal und dem Anpfiff in Wien-Hütteldorf nur 66 Stunden Zeit und zudem das allgemein dichtere Programm als Rapid. Wäre es ein Geisterspiel, könnte Rapid wohl den Ansatz verfolgen, die Austria kommen zu lassen, um im eigenen Stadion zu kontern. Vor vollem Haus wird dies aber nur schwierig möglich sein – es sei denn, man macht es von Anfang an so gut, dass man das Publikum auch mit reaktiver Spielweise, wie man sie einst erfolgreich im Lockdown praktizierte, auf seine Seite holen kann.

Remis Nummer acht? Eher nicht…

Das achte Derby-X in Folge? Es scheint möglich. Rapid ist noch lange nicht so gefestigt, wie man sein könnte, hatte nun aber auch eine friktionsfreie Trainingswoche und konnte sich voll auf das Derby fokussieren. Dazu ist der Heimvorteil ein klares Plus für die Grün-Weißen. Die Austria ist das eingespieltere und derzeit auch etwas dynamischere Team, könnte sich aber am dichten Programm und an der Frische die Zähne ausbeißen. Da das Derby aber eigene Gesetzte hat und eigentlich alles für das nächste Remis angerichtet ist, dürfen wir uns in der Prognose auch mal aus dem Fenster lehnen und erstmals seit 2019 einen Sieger erwarten…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen