Es war absehbar, dass Yusuf Demir Rapid in absehbarer Zeit verlassen wird. Nun ist es soweit und das 18-jährige Megatalent unterschreibt beim FC Barcelona.... Die Vor- und Nachteile des Demir-Deals

Es war absehbar, dass Yusuf Demir Rapid in absehbarer Zeit verlassen wird. Nun ist es soweit und das 18-jährige Megatalent unterschreibt beim FC Barcelona. Die Rahmenbedingungen des Deals sind allerdings untypisch, was verschiedene Gründe hatte, die wir in diesem Artikel näher beleuchten wollen.

Vertragsverlängerung bei Rapid bis 2023, einjährige Leihe nach Barcelona, Kaufoption für die Katalanen. Die Eckdaten des Demir-Deals kamen für die allermeisten Beobachter sehr überraschend. Rapid erhält eine halbe Million Euro Leihgebühr, Barca kann Rapids größtes Talent der letzten Jahrzehnte nächsten Sommer um zehn Millionen Euro verpflichten.

Kein sofortiger Geldregen für Rapid

Rapid hat damit vorerst keine ernsthafte Möglichkeit Demir zu ersetzen – schon gar nicht gleichwertig, was aber ohnehin schwierig geworden wäre. Bitter ist dies vor allem deswegen, weil Trainer Didi Kühbauer nach Abschluss des Deals konstatierte, dass Demir in der neuen Saison wohl zum Stamm gezählt hätte. Der hochveranlagte Youngster hatte erst vor wenigen Wochen die prestigeträchtige Rückennummer 10 erhalten. Er trug sie nur in einigen wenigen Testspielen.

Klarer Barcelona-Fokus

Dass Barcelona für Demir die erste Adresse ist, war bereits länger bekannt. Die gesamte Familie inklusive Berater waren klar und deutlich auf einen Wechsel zu den Blaugrana fokussiert. Daher lehnte Demir auch ein für alle Seiten lukratives Angebot aus der englischen Premier League ab. Barca war das erklärte Ziel und dieses sollte mit allen Mitteln erreicht werden. Das wussten natürlich auch die Katalanen und so saß der Spieler von Beginn an am längeren Ast.

Rapid wendet Worst Case ab

Die Leihe nach Spanien ist für Rapid sicher nicht als Idealfall zu werten. Ein sofortiger, fixer Verkauf hätte Rapid deutlich mehr Planungssicherheit verschafft. Aber im Tauziehen um das größte Talent des Landes war Rapid schlussendlich nur Passagier und der ausgehandelte Deal lässt weiterhin mehrere Szenarien zu. Sicher scheint allerdings, dass Rapid Demir zu Geld machen wird. Der Worst Case eines ablösefreien Abgangs dürfte vom Tisch sein. Die Leihe zu Barcelona ist auch gut für Rapids Transferreputation. Diese war schlussendlich noch nicht hoch genug, um Demir sofort fix zu verkaufen. Plakativ gesprochen: Red Bull Salzburg hätte nach ihren Erfolgen am Transfermarkt der letzten Jahre bestimmt einen anderen Deal bekommen.

„Doppelte Chance“ Demir zu vergolden

Hierfür kam auch Demir selbst seinem Ausbildungsklub entgegen, verlängerte seinen Vertrag um ein weiteres Jahr, gehört damit bis 2023 noch dem SK Rapid. Barcelona kann eine Kaufoption um zehn Millionen Euro ziehen, aber falls sie das nicht machen, hat Rapid noch ein Jahr Zeit, Demir zu vergolden. Letztere Variante würde aber implizieren, dass Demir in Barcelona nicht funktionierte, was den Preis trotz des Leihjahres bei einem der größten Klubs der Welt drücken würde. Eine potentielle Rückkehr nach Wien wäre zudem wohl auch für den Spieler ein harter Schlag und eine gefühlte Niederlage.

Zeitdruck im Leihjahr

Dass es für Demir in Barcelona nicht einfach wird, zeigt die Tatsache, dass er morgen als Neuzugang für die zweite Mannschaft vorgestellt werden wird. Gerade als Nicht-Einheimischer ist es in diesem großen Talentepool sehr schwer, sich innerhalb eines einzigen Leihjahres in die erste Mannschaft der Katalanen zu spielen. Demir muss demnach ähnlich geduldig sein wie in Hütteldorf, hat in der dritten spanischen Leistungsklasse die kleinere Bühne, aber natürlich auch einen Fuß in der Tür. Allerdings steht er auch unter Druck, hat nicht viel Zeit, um sein Können zu beweisen. Mögliche Spiele für die erste Mannschaft, etwa in der Copa del Rey, können für seinen weiteren Karriereverlauf zum Zünglein an der Waage werden.

Gängiges Mittel für Barcelonas zweite Mannschaft

Auch wenn der Deal untypisch anmutet, sind Leihgeschäfte gerade bei jungen Spielern ein in Barcelona recht übliches Mittel. Um teures Geld gekauft werden aber die wenigsten, eben auch, weil die Zeit häufig der Gegner dieser jungen Spieler ist. Es gibt aber durchaus Beispiele, in denen man sich in Katalonien für das Ziehen der Kaufoption entschied: 2016 lieh Barcelona B den Innenverteidiger Marlon von Fluminense, kaufte ihn ein Jahr später um fünf Millionen. Er spielte hauptsächlich in der zweiten Mannschaft, kam für die „Erste“ auf drei Einsätze, wurde ein Jahr nach Nizza verliehen. 2018 verkaufte Barca das Talent wieder – um 12 Millionen Euro an Sassuolo. Erst letzte Woche wechselte der mittlerweile 25-Jährige um dieselbe Summe zu Shakhtar Donetsk weiter.

Acht Millionen für fünf Jahre älteren Demir-Konkurrent

Ein aktuelles Beispiel ist zudem der 23-jährige Spielmacher Matheus Pereira. Barcelona lieh den Brasilianer im Jänner 2020 aus der U23 von Juventus Turin – eingeplant für die zweite Mannschaft. Im vergangenen Sommer zog man die Option, stattete ihn mit einem Fünfjahresvertrag aus, überwies acht Millionen Euro nach Turin. Für die Kampfmannschaft absolvierte er noch keine einzige Partie, in der zweiten Mannschaft wird er einerseits Mitspieler, andererseits aber auch Positionskonkurrent für Demir sein.

Harte Gangart auch für die Top-Talente

Dies sind in jedem Fall Beispiele dafür, dass sich ein Transfer zu Barcelona romantisch anhört, aber zugleich ein beinharter Kampf um jeden einzelnen Einsatz ist. Hochtalentierte junge Spanier wie Pedri, Ansu Fati oder Ilaix Moriba schaffen schon mal den Sprung in LaLiga, aber selbst dann bleibt der Druck auf die Spieler außergewöhnlich groß. Moriba beispielsweise hat noch bis 2022 Vertrag, konnte sich bisher auf keine Vertragsverlängerung einigen und wird daher nun von Barcelona „erpresst“. Bis der neue Vertrag steht, soll der guineisch-stämmige Spanier in der zweiten Mannschaft spielen.

Pandemie bringt Barca in Bedrängnis – und liefert Argumente

Barcelona ist sprichwörtlich finanziell „flach“. So kommunizieren sie es derzeit zumindest. Grund dafür sind die fehlenden Corona-Hilfen in Spanien für Sportvereine, aber auch die Tatsache, dass man Lionel Messi wohl in den nächsten Tagen bis Wochen mit einem Megavertrag ausstatten „muss“, will man keinen Aufstand in Katalonien riskieren. Alle anderen Transfervorhaben sind demnach klar hintangestellt, einige Spieler sollen sogar verschenkt werden, um einen Messi-Verbleib zu ermöglichen. Eine Gefahr, die immer besteht, wäre, dass Barcelona Demir nach dem Leihjahr zurückkehren lässt, die Kaufoption nicht zieht, dann aber zu günstigeren Konditionen nachzuverhandeln versucht. Das wäre problematisch, zumal Rapid in dieser Situation erneut zur Passagier wäre, der Spieler das letzte Wort hätte.

Größte Transferaktie ausgerechnet während COVID

Als erschwerendes Pech kam hinzu, dass die heißeste Transferaktie Rapids genau in die Pandemie fällt. Auch das dürfte ein Grund dafür gewesen sein, dass der Deal nicht „sicherer“ für die Hütteldorfer ausfiel. Positiv ist natürlich, dass man den schlimmstmöglichen Fall, Demir ablösefrei ziehen lassen zu müssen, abgewendet hat. Allerdings ist das letzte Wort in diesem Transferpoker noch nicht gesprochen und Rapid und auch Demir müssen sich noch eine ganze Saison lang gedulden. Dass auch Dinge wie potentielle Verletzungen ein Faktor werden könnten, macht die Situation nicht entspannter. Für die Fans ist es vor allem enttäuschend, dass man Demir nicht vor vollen Rängen auf die Beine schauen durfte. Eine Möglichkeit hierfür besteht theoretisch in der Saison 2022/23 noch.

Offener Ausgang

Fazit: Rapid konnte mit dieser Lösung zumindest Schadensbegrenzung betreiben, verbucht im Idealfall im Sommer 2022 einen Rekordverkauf. Demir hat das was er will, wenngleich er es sich womöglich ebenfalls sicherer und einfacher vorgestellt hätte. Barcelona nutzte die Krise und seine gute Verhandlungsposition und setzte sich in der Causa Demir auf den Fahrersitz. Wenn Demir sein volles Potential abrufen kann, wird alles gutgehen. Wenn nicht, wird es kein Win-Win-Win-Deal.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen