Ferdinand Feldhofer steht vor seinem ersten Spiel als Rapid-Cheftrainer. In Hütteldorf blickt man gespannt auf die Veränderungen, die ins Haus stehen. Themen wie taktische... Feldhofer und Barisic: „Wir wollen die Baumeister für ‚Rapid neu‘ sein!“

Ferdinand Feldhofer steht vor seinem ersten Spiel als Rapid-Cheftrainer. In Hütteldorf blickt man gespannt auf die Veränderungen, die ins Haus stehen. Themen wie taktische Unterschiede zu Kühbauer, eine durchgängige Vereins- und Spielphilosophie, das Auftreten der Mannschaft und Vorteile durch das neue Trainingszentrum wurden zuletzt unter den Fans und Mitgliedern der Wiener heiß diskutiert. Daniel Mandl und Stefan Karger fassten die brennendsten Fragen der Rapid-Mitglieder zusammen und stellten sie an den neuen Coach und Sportvorstand Zoran Barisic.

Stefan Karger: Uns sind einige interessante Dinge aus deiner WAC-Zeit aufgefallen. Analysiert man die Statistiken der WAC-Mannschaften in den Saisonen 2019/20 und 2020/21 sieht man interessante Entwicklungen. In deinem zweiten Jahr als WAC-Trainer sah man eine Mannschaft die ein häufigeres und intensiveres Pressing spielte, mehr Ballbesitz und eine höhere Passsicherheit hatte, was aber auch ein wenig auf Kosten eines direkten Umschaltspiels ging. Wir nehmen an, dass diese Entwicklung nicht nur mit einem Kaderumbruch zusammenhing, sondern von dir beabsichtigt war? Geht das in die Richtung des neuen Rapid-Stils, den man nun entwickeln will?

Ferdinand Feldhofer: Ja, das war größtenteils natürlich ein Ziel von uns. Wir wollten in höhere Zonen kommen, häufiger in die letzte Kette. Wir wollten mehr Dominanz ausstrahlen, was automatisch mehr Ballbesitz bedeutet. Es hat sich allerdings auch das Spiel unserer Gegner angepasst. Es gab Spiele gegen Gegner, die normal kaum einen langen Ball spielen, im direkten Duell gegen uns dann aber gefühlt keinen einzigen kurzen Ball ausgeführt haben. Somit war schwierig das durchzuziehen, was wir uns vorgenommen haben. Wenn du hoch gepresst hast, wurdest du überspielt im wahrsten Sinne des Wortes, dann hast du immer Mann-gegen-Mann-Situationen vorgefunden. Da musste man überlegen, wie man’s löst. Gebe ich absichtlich Raum oder Phasen des Spiels her? Den Gegner in Sicherheit wiegen und dann zuschlagen. Wir sind auch nach Hütteldorf gekommen, wollten dominant sein und das Spiel machen, haben das auch ganz gut geschafft und trotzdem verloren. Der Ballbesitz war in der Analyse dahingehend ein Thema, dass wir ihn nutzen wollten, um Erholungsphasen mit Ball zu bekommen. Es war allgemein schwierig, weil wir gleich zu Beginn meiner Zeit mit Sollbauer, Ritzmaier und Niangbo drei absolute Stammspieler verloren haben und wir mussten plötzlich einiges anders machen als ursprünglich geplant. Die Lage war allgemein nicht einfach und die meisten anderen Ergebnisse kurz vor meiner Übernahme haben kaum gepasst. Dementsprechend waren die Änderungen, die wir da vollzogen haben, schon gezielt und absichtlich.

Daniel Mandl: Was war in der ersten Saison dein Gefühl? Wie lange hat es deiner Meinung nach gedauert, bis deine Vorstellungen kontinuierlich auf den Platz gebracht wurden?

Ferdinand Feldhofer: Eigentlich fast von Beginn an. Wir haben sechs Wochen Zeit gehabt, eine Wintervorbereitung und es war ja auch schon ein gutes Grundgerüst da. Wir haben vor allem Lösungen, Laufwege und Abläufe im letzten Drittel trainiert, weil ich analysiert habe, dass es da Probleme gab.

Stefan Karger: Besonders groß werden die Unterschiede, wenn man die Spielanlage der damaligen WAC-Mannschaft mit der aktuellen Rapid-Mannschaft vergleicht. Stichwörter Geschwindigkeit im Umschaltspiel und Pressing-Intensität. Du hast beim WAC fast komplett auf lange Bälle verzichtet und bei Rapid war Mateo Barac lange Zeit fast wie ein Quarterback. Zoki, wie unterschiedlich sind die Trainer Kühbauer und Feldhofer?

Zoran Barisic: Die beiden sind definitiv sehr unterschiedliche Trainertypen. Didi wollte am Anfang vor allem die Defensive stabilisieren, wir haben häufig im 3-5-2 begonnen und wollten übers Umschaltspiel zum Erfolg kommen. Vorletzte Saison wurden wir damit als meiner Meinung nach nicht zweitbeste Mannschaft Zweiter. Letzte Saison wurden wir als zweitbeste Mannschaft Zweiter. Der Spielstil hat sich in die Richtung entwickelt, dass wir schon mehr Dominanz ausgestrahlt haben, aber auch nicht gegen alle Gegner. Didi hat sich schon stark nach dem jeweiligen Gegner gerichtet und System und Spielanlage stark angepasst. Trotzdem hat die Mannschaft nach und nach immer besser Fußball nach vorne gespielt. Zuerst wurde also die Defensive stabilisiert und sukzessive wurde dann das Offensivspiel besser. Es war aber auch nicht alles perfekt, ganz klar. Ich hatte da immer einen anderen Ansatz. Bei mir war’s immer zweitrangig, was der Gegner macht. Ich wollte, dass wir unser Spiel durchziehen und das konnte da und dort mal in die Hose gehen, aber ich wollte immer auf meine Mannschaft schauen, mein Spiel entwickeln, immer dominant sein, immer besser als der Gegner sein. Mit Ferdl haben wir jetzt jemanden bekommen, der einerseits als Trainer, aber auch als Person anders ist als die Vorgänger. Das war schon eine bewusste Entscheidung von uns.

Stefan Karger: Zwischenfrage zur Dominanz. In der österreichischen Bundesliga ist der Qualitätsunterschied von Red Bull Salzburg zur Konkurrenz natürlich riesig. Kann man mit dem von dir ausgeführten Gedanken überhaupt in ein Spiel gegen Salzburg gehen?

Ferdinand Feldhofer: Im Best Case ja. Ich habe aber selbst gegen Salzburg auch schon andere Taktiken gewählt, weil die Voraussetzungen für ein mögliches Best Case Szenario nicht gepasst haben. Ich habe gegen Salzburg von vier Spielen eines gewonnen, eines verloren. Bei der Niederlage waren wir nach 15 Minuten ein Mann weniger, haben zwar gleich zu Beginn sehr hoch gepresst, aber mit der roten Karte [für Luka Lochoshvili, Anm.] war der Plan natürlich dahin. In der ersten Phase der Geisterspiele mit zehn Spielen in der Meistergruppe in knapp fünf Wochen habe ich die Herangehensweise gegen Salzburg umgestellt, weil wir physisch und mental nicht in der Lage waren, mit hohem Pressing dagegenzuhalten. Da haben wir aber auch zwei Unentschieden gegen Salzburg geholt. Einmal habe ich Liendl und Weissman von Beginn an draußen gelassen, um sie später bringen zu können, was dann sogar funktioniert hat. Aber da gehört natürlich auch viel Glück dazu.

Stefan Karger: Thema „hohes Pressing“. Es wurde angekündigt, dass aktiver gegen den Ball gespielt werden soll. Hohes Pressing kann auf unterschiedliche Art und Weise praktiziert werden und unterschiedliche Ziele haben. Klopp beispielsweise will mit Liverpool in hohen Zonen den Ball gewinnen, um schnell zu Torchancen zu kommen – frei nach dem Motto: Das Gegenpressing ist der beste Spielmacher der Welt. Guardiola bei Manchester City presst mannorientierter und will die Gegenspieler zu weiten Bällen zwingen, die die Innenverteidiger aufsammeln. Vereinfacht gesagt, ist das City-Modell deiner Philosophie näher? Also niedrigerer Transition-Speed und Tendenz zu mehr Ballbesitz?

Ferdinand Feldhofer: Es kommt immer drauf an, wo man die Pressingfallen stellt und welche Räume man dem Gegner überlässt. Es muss klar sein, welche Spieleraufgaben auf jeder Position anfallen. Wie agieren wir als Gruppe? Wie verdichten wir die erste, zweite und dritte Zone? Wo brauchen wir unsere Überzahlsituationen? Und ganz wichtig: Wo positionieren wir unsere Umschaltspieler, damit wir nach Ballgewinnen schnell und klar so agieren können, dass wir die Torchance bekommen, nach der wir suchen. Das sind die zentralen Punkte, aber die werden natürlich nicht über Nacht perfekt funktionieren, das muss auch klar sein.

Stefan Karger: Würdest du den Satz „Gegenpressing ist der beste Spielmacher der Welt“ prinzipiell unterstreichen?

Ferdinand Feldhofer: Nein, nicht wirklich. Gegenpressing ist bei mir im Training aber in praktisch jeder Übung zu sehen. Aber es gibt natürlich nicht nur Gegenpressing, also da geht’s schon noch um mehr.

Zoran Barisic: Am allerbesten wär’s wenn du nie ins Gegenpressing kommst. Das würde bedeuten, dass du nie den Ball verlierst.

Ferdinand Feldhofer: Oder du gibst den Ball absichtlich dem Gegner, um eben ins Gegenpressing zu kommen. Gibt’s auch. Und hat alles seine Berechtigung.

Stefan Karger: Für dieses viel zitierte intensive Pressing, das den Spielern natürlich viel abverlangt, muss man wohl auch ein eigener Typ sein. Es gibt ja da und dort Spieler, die dafür vielleicht nicht geboren sind. Werden es solche Spieler bei dir von Haus aus eher schwer haben? Wie kann man solchen Spielern als Trainer helfen?

Ferdinand Feldhofer: Nein, es wird niemand schwer haben. Es geht einfach um Bereitschaft, um Handlungsschnelligkeit und meine Herangehensweise ist, so Fußball zu spielen, um Meter zu sparen. Wenn ich dominant auftrete, bin ich meistens in der gegnerischen Hälfte und will keinen Ballbesitz in der eigenen Hälfte forcieren. Mit guten Positionierungen fürs Gegenpressing und in der Restverteidigung kann man sich ersparen, 70, 80 Meter zurückzusprinten. Das muss in die Köpfe rein, dann macht jeder seine fünf oder zehn Meter mehr, um nicht 70 oder 80 zurücklaufen zu müssen. Darum geht’s mir und das wird jeder Spieler machen.

Stefan Karger: Wird es neue Spieler brauchen, um diese Ideen umzusetzen?

Ferdinand Feldhofer: Wie ich schon gesagt habe, bin ich schon von der Qualität von der Mannschaft überzeugt. Für die nächsten Transferperioden werden wir natürlich Profile schärfen, entsprechend scouten und gegebenenfalls jemanden holen, der gut dazupasst.

Stefan Karger: Schon im Winter?

Zoran Barisic: Wenn wir jemanden abgeben, werden wir jemanden dazuholen. Aber einfach so nachbessern wird wegen der wirtschaftlichen Situation nicht gehen, weil wir derzeit einfach nicht in Vorleistung gehen können.

Stefan Karger: Zoki, kannst du zusammenfassen, wie es passieren konnte, dass im kommenden Sommer 16 Verträge gleichzeitig auslaufen?

Zoran Barisic: Wir haben einen Budgetplan, an den wir uns auch zu halten haben, gerade in Zeiten von Corona! Man muss aufpassen, denn wir hatten lange keine Fans im Stadion, haben jetzt wieder keine und keiner kann genau vorausahnen, wie’s weitergeht. Keiner weiß, wie lang der Lockdown wirklich dauert und keiner weiß, ob noch mehr Lockdowns kommen. Das erschwert unsere Planungen einerseits und andererseits haben einige Spieler bei uns Top-Verträge aus der Zeit vor mir. Als ich hier übernahm gab es ein Gehalts-Cornetto und ich muss daraus eine Gehalts-Pyramide machen. Das erfordert Zeit. Es gibt natürlich Spieler, mit denen wir verlängern wollen und damit sind wir derzeit beschäftigt. Und zudem gibt’s Manager, die den Hals nicht vollkriegen und denken, dass Rapid eine Melkmaschine ist. Aber das wird’s in Zukunft sicher nicht spielen.

Daniel Mandl: Du weißt also schon, dass du von den 16 auslaufenden Verträgen definitiv nicht alle verlängern wirst bzw. willst?

Zoran Barisic: Ja.

Stefan Karger: Bezüglich Kaderplanung. Der Markt in Österreich ist ja durchaus begrenzt und es ist schwierig von den Top-Klubs der Liga Spieler zu bekommen. Aber je nachdem wie viele Abgänge es geben wird, wird es sicher schwierig sein, nur mit Kickern der „kleineren“ Klubs nachzubesetzen. Ist der Österreicher-Topf weiterhin eine grundlegende Voraussetzung in euren Überlegungen?

Zoran Barisic: Ja, der ist immer die Grundvoraussetzung. Der Plan ist, dass wir nicht mehr als sechs Legionäre im Kader haben. Und ein ausländischer Spieler muss zum Stamm gehören und uns besser machen. Momentan haben wir aber nur fünf Legionäre und somit einen freien Platz.

Daniel Mandl: Der Österreicher-Topf ist ja prinzipiell ein eher überholtes Konzept aus der Zeit der Heim-EM und nicht mehr zeitgemäß, wenn man sich ansieht, wie viele Junge den Weg über die Nachwuchsmannschaften ausländischer Klubs in den Profifußball schaffen. Beispielsweise Baumgartner oder Lienhart. Sollte der Österreicher-Topf deiner Meinung nach reformiert werden, denn in einigen Dingen bremst er doch merklich. Speziell im Vergleich zu Salzburg natürlich.

Zoran Barisic: Ja, darüber muss man sich sicher Gedanken machen. Die Liga-Reform war zudem auch nicht förderlich. Durch die Playoffs bist du ständig unter Druck und musst immer Resultate bringen. Du musst unter die ersten Sechs kommen, weil es im unteren Playoff nur um die Existenz geht. Und oben musst du in den Europacup kommen. Du bist so einfach ständig unter Druck und es wird nicht einfacher, junge Spieler besser weiterzuentwickeln. In diesen Drucksituationen Junge ins Rennen zu werfen, erfordert extrem viel Mut. Und welche Spieler wechseln aus Österreich ins Ausland? Es sind eher die defensiven. Wir sind nicht bekannt für Superflügel, Superstürmer, Superzehner, sondern wir sind gut in der Entwicklung von Defensivspielern. Das hat schon auch Gründe. Warum dürfen die Offensivspieler in den Akademien nicht dribbeln? Wieso müssen sie immer passen? Wieso dürfen sie kein Risiko eingehen? Das beschäftigt mich sehr und ich frage mich oft, wie wir das ändern können. Aber mit der Liga-Reform haben wir uns diesen Wunsch nach mehr Risiko und mehr Freiheiten für junge Spieler erschwert, weil eben der Druck viel größer ist. Gerade für die Trainer ist das irrsinnig schwer. Klar kannst du einen Jungen bringen und damit mehr riskieren, aber es geht im jetzigen Ligasystem, das für die Zuschauer natürlich mehr Spannung verspricht, Schlag auf Schlag und wenn die Resultate nicht passen, bist du weg.

Daniel Mandl: Damit sind wir bereits beim Thema Philosophie, Vereinsphilosophie, Spielphilosophie angelangt. Es gibt da ja einen allgemeinen Irrtum, den man immer wieder hört. Es geht nicht primär um ein einheitliches System, sondern eher um eine Herangehensweise. Nicht in welcher Formation will man spielen, sondern für welche Art von Spiel will man stehen. Martin Bruckner erwähnte in Talk und Tore auf Sky, dass der Nachwuchs bereits stark auf den „Rapid-Weg“ gedrillt ist und nun das wichtigste Thema die „Durchlässigkeit“ nach oben, also in die Kampfmannschaft sein wird. Wenn man sich derzeit die zweite Mannschaft ansieht, sieht man eher auch nicht, dass diese so spielt, wie ihr das vermutlich in Zukunft sehen wollt. Im Vergleich zu Salzburg und Liefering gibt es bei uns sicher einen großen stilistischen Unterschied zwischen erster und zweiter Mannschaft, was die Spielanlage betrifft. Ist das tatsächlich ein Thema für ganz oben, in dem man nur kleine Rädchen drehen muss oder doch ein Thema, das man beim SK Rapid ganzheitlich und vom Nachwuchs weg anpacken muss?

Zoran Barisic: Du hast Recht, was die zweite Mannschaft betrifft. Da gibt es im Spielstil sicherlich Verbesserungspotential. Sie waren trotzdem mutig, haben hoch gepresst, aber die Ergebnisse haben nicht gepasst, womit ein bisschen Verunsicherung hereinkam. Wir haben ein klares Konzept, wie wir ausbilden und im Akademiebereich sieht man sehr deutlich, wie wir spielen und auftreten wollen. In der Kampfmannschaft war es bisher immer so, dass der Trainer wusste, dass er entsprechende Resultate erzielen muss. Wir waren somit immer und auch logischerweise stark auf Ergebnisse fixiert. Aber ich möchte, dass wir Grundtugenden trotz oder gerade wegen des Drucks immer in der Kampfmannschaft sehen. Systemunabhängig, hohes Attackieren, giftig sein. Wir wollen mutig und offensiv sein, egal gegen welchen Gegner.

Daniel Mandl: Wie sind die Prozesse in der Entwicklung der Vereinsphilosophie? Wer entwickelt sie? Von wem konkret kommen die Vorgaben? Ist das ein Präsidiumsthema, ein Sportchefthema oder hat der Trainer freie Hand? Ging mal schon mit einer klaren, „philosophischen“ Idee in das Trainer-Hearing?

Zoran Barisic: Wir waren ganz grundsätzlich auf eine Veränderung aus. Wir wollen künftig offensiver und aktiver agieren. Ferdl hat in seinem Hearing dokumentiert, dass er das kann. Sowohl bei Lafnitz, als auch beim WAC. In Lafnitz hat er eine Mannschaft aus dem tiefsten Keller der Regionalliga geholt und ist mit ihnen in die 2. Liga aufgestiegen. Beim WAC konnte er aus etwas Gutem noch mehr herausholen, auch was die Attraktivität des Spiels betrifft. Diese gelungene Weiterentwicklung von etwas, was bereits Bestand hatte, zeigte, dass das Fachliche, das Ferdl mitbringt, zu uns passen kann. Und ganz wichtig: Menschlich musste der neue Trainer auch gut zu uns passen und davon konnte er uns auch schnell überzeugen. Ich kannte Ferdl nicht, wir haben uns vielleicht ein oder zweimal begrüßt, aber das war’s auch schon. Wir haben uns erst im Zuge des Hearings näher kennengelernt.

Daniel Mandl: Im Hearing war es also eine klare Grundvoraussetzung, dass Rapid „anders“ werden, aktiver spielen, mehr pressen, spektakulärer sein will und da hat Ferdl gut ins Konzept gepasst. Wie war das damals in Wolfsberg? Du hast im Endeffekt ja auch dort etwas anderes etabliert, als es vorher Struber machte.

Ferdinand Feldhofer: Es ging auch um die Vorstellungen in Bezug auf die Philosophie. Wir hatten in Lafnitz sogar einen besseren PPDA-Wert als damals Wolfsberg, aber es war klar, dass das Spiel wie unter Struber weitergeführt werden sollte. Auch das System, also das 4-4-2 mit Raute. Wir hatten aber auch genau die Spieler dafür, etwa Liendl auf der Zehn, Weissman als Spitze. Aber es war am Anfang nicht klar, dass drei Stützen gleich weg sein werden. Dann haben sich die berühmten Rädchen gedreht und wir mussten auch strukturell in der Mannschaft etwas verändern. Noch früher war es außerdem so, dass ich in Lafnitz auch stark in die Vereinsentwicklung involviert war. Es ging also nicht nur darum, mit der Kampfmannschaft aufzusteigen, sondern auch die zweite Mannschaft sollte in die Landesliga aufsteigen. Dann war’s beispielsweise so, dass wir zeitgleich trainiert haben und zudem auch noch das Gleiche. Wir hatten die gleichen Trainingsinhalte, haben uns nach der gleichen Idee gerichtet, wo wir hinwollen.

Daniel Mandl: Das bedeutet also, dass du in der „Durchlässigkeit“ schon einige Erfahrungen gesammelt hast. Es ist bekanntlich immer einfacher, seine eigenen Ideen umzusetzen, als sie andere Leute umsetzen zu lassen. Wie wird das in der Praxis bei Rapid funktionieren? Bist du derjenige, der die Kommunikation mit den Nachwuchstrainern führt und Vorgaben praktisch „nach unten“ weitergibt? Und wie beobachtet man so einen Prozess? Man muss sicher auch viele Trainings von Nachwuchsmannschaften sichten, um die Gesamtheit des Konzepts im Blick zu haben.

Zoran Barisic: Das ist aktuell noch schwierig, weil die Kampfmannschaft in Hütteldorf trainiert und die Akademie und die zweite Mannschaft im neuen Trainingszentrum. Wir hoffen allerdings, dass wir mit Beginn der Wintervorbereitung in unser neues Trainingszentrum übersiedeln können. Das wird die Frage der Beobachtung und vor allem der Kommunikation wesentlich einfacher machen. Wir müssen uns ständig austauschen und auch gemeinsam Ideen entwickeln, was die Trainingsprozesse betrifft. Durch die vielen Daten, die wir bekommen, GPS-Systeme etc. haben wir für Profis, Amateure und Nachwuchs ein einheitliches System, das die Arbeit gut vergleichbar macht. Zentral ist aber sicher die ständige Kommunikation.

Ferdinand Feldhofer: Ich sehe den Austausch vor allem gegenseitig. Es wird sicher nicht nur so sein, dass ich von oben nach unten vorgebe, sondern gerne auch umgekehrt. Ich bin jemand, mit dem man über alles reden kann und ich bin für jeden Tipp und jede Idee dankbar.

Daniel Mandl: Im Rapid-Umfeld kam zuletzt ein wenig Euphorie wegen der Durchgängigkeitsdebatte auf. Das letzte Mal, als Rapid ein spielerisches Alleinstellungsmerkmal hatte, war unter Zoki – und das war nicht bei allen Beobachtern beliebt.

Zoran Barisic: Tatsache ist, dass wir irgendwann zu dominant waren und dann wurde der Spielstil fad. Aber auch da hat sich etwas entwickelt. Ich bin nicht als Trainer gekommen und gesagt: „So wollen wir Fußball spielen“. Es hat sich dann aus verschiedenen Gründen dorthin entwickelt, dass wir so ballbesitzlastig agiert haben und man muss schon auch sagen, dass wir wirklich gut waren. Wir sind nahe an Salzburg rangekommen, wir haben in Europa stark abgeschnitten, die Ergebnisse haben gepasst, aber die Fans wollten am Ende doch etwas anderes. Man will häufig das, was man gerade nicht hat, so ist der Mensch. Mir war primär wichtig, dass ich hier etwas Leiwandes hinterlasse, wenn ich gehe und das habe ich geschafft. Was dann daraus gemacht wurde, obliegt nicht mir.

Daniel Mandl: Was Grundkonzepte auf Metaebene bei Rapid betrifft, gibt es in Hütteldorf gebrannte Kinder. Beispiel Leitbild: Das wäre grundsätzlich ein Wegweiser für die Handlungsphilosophie im Klub, aber wirklich gelebt wird es nicht. Man holt es eher aus der Schublade, wenn es irgendwelche Verfehlungen gibt, beispielsweise von den Fans. Auch der sportliche Teil des Leitbilds wurde zuletzt eher nicht richtig verfolgt, Stichworte „angriffslustig“ und „direkter Weg zum Ziel“. Daher stellt sich mit den neuen „philosophischen“ Ideen die Frage, ob die Umsetzung auch tatsächlich nachhaltig sein wird. Wird die neue Spielphilosophie Rapids tief im Verein verwurzelt werden? Wird diese Philosophie über Jahre oder gar Jahrzehnte halten? Nehmen wir als Beispiele etwa Salzburg, Ajax Amsterdam, Atalanta, im defensiven Sinn Atlético Madrid, das Pressing von Eibar, die Personalpolitik von Midtjylland… reiht sich Rapid in diese Liste der Nachhaltigen ein?

Ferdinand Feldhofer: Es wäre schön, wenn Zoki und ich die Baumeister dafür sein könnten. Was auf sehr lange Sicht passiert, muss der Verein entscheiden. Es geht ja auch um die „Vereinsphilosophie“.

Zoran Barisic: Ja, aber wir haben das klare Ziel, dass wir „Rapid neu“ werden. Wir wollen etwas kreieren, das bleibt, auch wenn wir nicht mehr bei Rapid sind. Ferdl und ich wollen auf jeden Fall etwas Positives hinterlassen. Aber es ist auch klar, dass das ein laufender Prozess ist. Ajax musste im Laufe der Zeit auch etwas adaptieren, speziell im Pressing, weil klar war, dass es nur mit dem Positionsspiel nicht mehr gehen wird. Also die Philosophie gehört natürlich auch nach und nach auf den neuesten Stand gebracht und adaptiert. Konkret ist es bei uns so, dass es in der zweiten Mannschaft nicht ganz einfach ist, weil man mit sehr vielen jungen Spielern gegen Profis spielt. Aber ganz grundsätzlich wollen wir natürlich attackieren und gerade in der Akademie klappt das schon sehr gut. Und aktuell schafft es niemand, so viele Spieler aus dem eigenen Nachwuchs für den Profifußball zu entwickeln wie Rapid.

Stefan Karger: Noch eine Frage zur Langfristigkeit. Ferdinands Vertrag läuft jetzt für 1 ½ Jahre plus Option. Ist das eine Option, die beim Erreichen eines Ziels automatisch aktiviert wird?

Zoran Barisic: Ja.

Stefan Karger: Ferdl, du hast gemeint, dass Rapid nicht deine letzte Station sein soll. Eilig hast du es aber vermutlich auch nicht?

Ferdinand Feldhofer: Für einen Trainer ist es das größte Lob, wenn er über mehrere Jahre erfolgreich arbeiten kann. Das ist ein Zeichen dafür, dass es zwischenmenschlich passt und, dass er immer wieder neue Aufgaben und Themen bewältigt hat. Das zu schaffen ist ein Ziel von mir.

Daniel Mandl: Zum Thema Auftreten. Weil wir gerade das Pressing von Eibar erwähnt haben. Da macht es großen Spaß zuzusehen und es ist ein gutes Beispiel für das Giftige, Dynamische, das Rapid auch historisch immer ausgemacht hat. Gleichzeitig hatte Rapid in den letzten Jahren und auch jetzt Spieler, bei denen man das Gefühl hatte, dass das Auftreten nicht hundertprozentig passt. Wie kann man aus Spielern, die ihre Probleme mit Mehraufwand haben, spontan mitnehmen und muss man nicht die Personalpolitik überdenken, wenn es stärker ums Auftreten, als ums Spielerische geht?

Ferdinand Feldhofer: Ganz klar Überzeugungsarbeit. Man muss sich mit dem Spieler befassen, ihm zeigen, dass es sich auszahlt, wenn er die Extrameter geht.

Daniel Mandl: Also in Form von Einzel- und Gruppengesprächen?

Ferdinand Feldhofer: Ja, täglich. Aber wie gesagt wird das nicht über Nacht passieren. Aber man muss in jeder Einheit einfordern, es müssen Ziele vereinbart werden, also individuelle, Gruppen- und Teamziele.

Daniel Mandl: Hast du das Gefühl, dass der Zeitpunkt diesen Job zu übernehmen ein guter ist? Auch weil man die Winterpause vor der Brust hat.

Ferdinand Feldhofer: Ja, jede Minute, die ich hier verbringen kann, ist super. Ich sammle täglich mehr Eindrücke und baue immer mehr Wissen auf. Für mich passt das hundertprozentig.

Zoran Barisic: Unsere letzte Partie gegen Ried war wirklich richtig gut, von der ersten bis zur letzten Minute. So stellt man sich eine Rapid-Mannschaft vor – natürlich dann auch mit dem dazugehörenden Resultat. Aber es hat mir getaugt, als das Tor nicht gegeben wurde, dass sich alle abgeputzt haben und weiter attackiert haben. Damit haben wir das zweite Tor erzwungen und die Jungs haben sich sofort den Ball geschnappt und wollten auch noch das dritte Tor. Dass diese Einstellung auf längere Sicht hält, muss sie der Trainer vorleben und die Spieler werden folgen. Und der Trainer muss das auch von seinen Spielern verlangen, weil es nicht etwas ist, was er selbst nicht ist, sondern etwas, was er selbst vorlebt. Und jetzt wollten wir gleich mit der gemeinsamen Arbeit starten keine Zeit verlieren!

Ferdinand Feldhofer: Aber Lern- und Entwicklungsbereitschaft sind Grundvoraussetzungen. Aber wo ist das nicht der Fall? Das ist in jeder Firma so.

Daniel Mandl: Kann Ferdinand Feldhofer auch ein grantiger Trainer sein bzw. werden?

Ferdinand Feldhofer: Ich bin schon ehrlich. Und das wird notfalls auch gezeigt und dann wird gesagt „so nicht“ oder „so schon“. Heutzutage kann man im Führungsstil aber nicht entweder der oder der sein. Ich will mich da auch nie in eine Schublade stecken lassen. Das kann schneller passieren, als man glaubt. Man braucht heute im Führungsstil viele Facetten, manchmal muss man näher an den Spielern sein, manchmal muss man härter sein, manchmal kann man sich komplett rausnehmen und die Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Das Schubladendenken von früher gibt’s heute nicht mehr.

Daniel Mandl: Letztes Thema, Trainingszentrum. Es ist das aktuelle Leuchtturmprojekt des Vereins und dieses muss natürlich mit Leben gefüllt werden. Ferdl, du warst zuletzt vor allem in Frankfurt, aber auch in Gladbach hospitieren. Was ist deiner Meinung nach im Trainingsalltag der größte Unterschied von einem deutschen Bundesligaklub zu Rapid?

Ferdinand Feldhofer: Die Manpower. Frankfurt hat ein brandneues Trainingszentrum, das alle Stückln spielt und trotzdem ist der große Unterschied die Manpower.

Daniel Mandl: Anders gefragt – was sind deiner Meinung nach die größten selbstverschuldeten Mängel im Vergleich zu deutschen Bundesligaklubs?

Ferdinand Feldhofer: Die liegen im Umfang der Manpower, denke ich. Bei den Großen hat eben jeder Spieler auch seinen eigenen Coach für Therapien, Muskelaufbau etc. und das ist in Österreich leider aus wirtschaftlichen Gründen in den meisten Fällen nicht möglich.

Daniel Mandl: Ist so etwas bei Rapid möglich?

Zoran Barisic: Ich glaube, das ist ein Entwicklungsprozess. Als ich Trainer in der Türkei war, waren vor und nach jedem Training 20 Spieler in der Kraftkammer. Die haben sich selbständig mit ihrem Körper beschäftigt. Wenn du derzeit mit Stefan Schwab telefonierst, erzählt dir der aus Griechenland dasselbe. Bei uns sind es noch deutlich weniger, wenn auch mittlerweile etwas mehr als vor wenigen Jahren. Aber das ist ein Prozess und vor allem die jungen Spieler müssen draufkommen, dass sie in dieser Hinsicht mehr Eigenverantwortung brauchen und sich im Rahmen unserer Möglichkeiten auch noch weiter selbst verbessern können. Das müssen wiederum die älteren Spieler vorleben. Als ich Rapid-Trainer war, habe ich mir zum Beispiel in dieser Hinsicht mit Louis Schaub schwergetan – der wollte anfangs die Kraftkammer nicht sehen, den musste ich an der Hand nehmen und hinführen. Als Rapid-Trainer ist man ein bisschen wie ein großer Bruder oder ein Papa und man muss die Spieler ein bisschen erziehen. Wenn man dann beispielsweise bei größeren Klubs hospitieren ist, sieht man häufig Eigenverantwortung pur und Spieler, die wirklich extrem an sich arbeiten, um ihren Platz im Team zu bekommen. Diesen Willen zur Eigenverantwortung muss man den Spielern schon in jungen Jahren mitgeben.

Ferdinand Feldhofer: Stimmt, das ist etwas, das schon sehr früh anfängt. Die intrinsische Motivation ist das allerwichtigste.

Zoran Barisic: Das ist aber auch etwas, was auch mit dem Trainingszentrum einfacher wird. Wenn die Jungs hier in Hütteldorf trainieren, ist die Kraftkammer direkt vis a vis der Kabine und plötzlich trainieren dort gleich mehr Spieler als früher im Happelstadion, wo sie einen kleinen Spaziergang hin und zurück machen mussten. Wenn alles unter einem Dach ist, ist das etwas ganz anderes. Zu meiner Zeit als Trainer war das viel schwieriger. In der Nachbetrachtung und in meiner Selbstreflexion habe ich zu meinen damaligen Mitarbeitern gesagt, dass wir eine zusätzliche, geführte Einheit pro Woche in der Kraftkammer hätten führen müssen. Unabhängig von Dreifachbelastung, weil den Oberkörper kann man immer trainieren. Das hätten wir machen müssen, um international besser dagegenhalten zu können. Auf diesem Level kommt’s genau auf diese körperlichen Zusatzprozente an.

Daniel Mandl: Das sah man vor allem zuletzt gegen West Ham gut. Da gab’s einen sehr markanten, körperlichen Unterschied…

Ferdinand Feldhofer: Ja, in England sind sie gleich nochmal eine Spur ärger. Aber du siehst es überall, auch bei Länderspielen beispielsweise.

Zoran Barisic: Ich habe allerdings kürzlich gehört, dass Christian Fuchs meinte, dass er in der Meistersaison mit Leicester City unter Ranieri so wenig trainiert hat, wie noch nie. Da waren die Spieler in der Saisonvorbereitung in Österreich mit Cocktails im Pool…

Ferdinand Feldhofer: Auf diesem Level können sich aber alle Spieler einen Individualtrainer leisten. Dort sind alle so motiviert, dass sie als Einzelsportler im Team sagen: Ich bringe meinen Körper weiter bzw. in Perfektion. Ich hoffe, dass das bei uns auch bald passieren wird.

Zoran Barisic: Das wird passieren.

Daniel Mandl: Welcher österreichische Kicker war diesbezüglich der Konsequenteste, den ihr in euren Laufbahnen gesehen habt? Wer hat am meisten für sich selbst gemacht und das, was ihr hier über das internationale Geschäft sagt, am meiste verinnerlicht?

Ferdinand Feldhofer: Emanuel Pogatetz. Ich bin ein bisschen älter als er, aber den habe ich noch miterlebt, bei den Sturm Amateuren. Der hat unglaublich viel geleistet und die Karriere, die er dann hingelegt hat, hatte nicht primär mit seinem Talent zu tun.

Zoran Barisic: Stefan Kulovits war auch so ein Fall. Der war ein Tier und extrem professionell.

Ferdinand Feldhofer: Der ist als Junger raufgekommen, als ich bei Rapid gespielt habe. Er war von Anfang an beliebt, weil er sich so reingehaut hat. Alleine deshalb hat er ein anderes Standing in der Mannschaft gehabt und da gehört gar nicht so viel dazu. Reine Einstellungsfrage.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen