Soeben gab der SK Rapid die Beurlaubung von Cheftrainer Didi Kühbauer bekannt. Thomas Hickersberger und Steffen Hofmann, übernehmen das Training interimistisch. Für Kühbauer kommt... Kühbauer nicht mehr Rapid-Coach: Ein Festfahren, kein Scheitern

Soeben gab der SK Rapid die Beurlaubung von Cheftrainer Didi Kühbauer bekannt. Thomas Hickersberger und Steffen Hofmann, übernehmen das Training interimistisch. Für Kühbauer kommt die Entlassung nicht unerwartet – ein Scheitern im eigentlichen Sinn muss sich der Ex-Coach aber nicht eingestehen.

Eine 0:2-Niederlage gegen den von Didi Kühbauer trainierten SKN St. Pölten am 29. September 2018 war eine zu viel für Goran Djuricin. Der unpopuläre Rapid-Trainer musste den Hut nehmen, wurde durch Vereinslegende Didi Kühbauer ersetzt. Die Argumentation war damals klar: Kühbauer sollte wieder Feuer in die verunsicherte Rapid-Elf bringen und mit einer harten Gangart den mental schwachen Kandidaten im Kader die „Wadl’n virerichten“. Rapid stand damals auf Rang 8 und damit einen Platz tiefer als heute. Der Rückstand auf Platz 2 betrug elf Punkte. Aktuell sind es acht.

Schleppender Start als Rapid-Trainer…

Kühbauers Start als Rapid-Trainer verlief schleppend. In seinen ersten neun Spielen holte der heute 50-Jährige nur elf Punkte. 1:6-Klatsche im Derby bei der Austria inklusive. Der echte Kickstart blieb also aus und Rapid schaffte es schließlich nicht ins Meisterplayoff. Die Qualifikationsrunde wurde allerdings gewonnen – im Playoff um den Europacup-Platz unterlag man unglücklich als bessere Mannschaft dem SK Sturm Graz. Damit war klar, dass Rapid 2019/20 nicht europäisch spielen würde – ein Aufräumen mit den personellen Fehlern der Vergangenheit war nun angesagt. Kühbauer-Freund Zoran Barisic machte sich ans Werk und stellte eine durchaus schlagkräftige Truppe zusammen.

…gefolgt von kontinuierlicher Konsolidierung

Schließlich fand Rapid mit Kühbauer in die Spur. Es folgten zwei Vizemeistertitel und die Qualifikation für zwei Europa-League-Gruppenphasen. Um kämpferisch in die Spur zu finden, spielte Kühbauer auch der erste Lockdown nach ausgebrochener Corona-Pandemie in die Karten. Die Hütteldorfer konnten vor leeren Rängen destruktiv agieren, häufig aus der Dreierkette heraus verteidigen und die Gegner mit Rumpelfußball zermürben. Ein volles Weststadion hätte die Mannschaft in der einen oder anderen erfolgreichen Partie ausgepfiffen. Es war kein schöner Fußball, aber die Ergebnisse passten.

Rapid spielt nicht konstant und Kühbauer schützt die Mannschaft

Mit der Saison 2021/22 kehrten die Zuschauer zurück nach Wien-Hütteldorf. Rapid startete grundsätzlich gut mit einem 2:1-Sieg über Sparta Prag in die neue Saison und auch der eine oder andere Gegner wurde von den Grün-Weißen niedergekämpft. Spielerisch-taktische Kontinuität gab es dennoch keine. Dadurch kam es zu fast schon Rapid-typischen Rückschlägen, Niederlagen in der Provinz, unattraktiven Heim-Darbietungen. Kühbauer stellte sich dennoch zumeist hinter die Mannschaft, wie es auch schon einer seiner Vorgänger als Rapid-Trainer, Zoran Barisic, zum Leidwesen einiger Fans nach schlechten Leistungen tat. Kritik geschah intern und Kühbauer nützte seine öffentlichen Ausbrüche eher für Kritik an Schiedsrichtern, Spielplänen, Greenkeepern oder zuletzt am VAR.

Gegen die eigenen Beobachtungen

Das ist natürlich auch ein Stilmittel. Schon Peter Pacult praktizierte den öffentlichen Schutz seiner Mannschaft gegen jeden Widerstand sehr erfolgreich. Wie bei Barisic oder zuvor Pacult nahm man aber auch Kühbauer diese Aussagen aber nicht mehr wirklich ab. Kühbauer sah bestimmt schon länger, dass diese Mannschaft mittlerweile nur schwer vereinbar ist. Zu viele Individualisten, zahlreiche unerfüllte Wechselwünsche, das eine oder andere Formloch – obwohl der Rapid-Kader nicht unbedingt schlechter ist, als in der Vorsaison, hinkte man den eigenen Ansprüchen über die gesamte bisherige Saison hinterher.

Nicht gescheitert, sondern erfolgreich in der eigentlichen Aufgabe

Aber ist Kühbauer in der aktuellen Spielzeit gescheitert? Nein, denn für die Anforderungen, die zwei Vizemeistertitel mit sich brachten, wurde er seinerzeit nicht zu Rapid geholt. Kühbauer war ein Feuerwehrmann mit langem Vertrag. Er sollte die Mannschaft wieder aufrichten, Junge einbauen, Rapid zurück in die Spur bringen. Genau das hat er geschafft. Dass sein Vertrag vor Ablauf der Vorsaison bis 2023 verlängert wurde, war zwar ergebnistechnisch nachvollziehbar, aber auch der sich ständig wiederholende Kardinalsfehler auf Seiten Rapids.

Neue Erwartungshaltung ein Level zu hoch

Kühbauer holte Rapid aus der unteren Tabellenhälfte und konsolidierte den Verein als zweite Kraft hinter Salzburg – und das beispielsweise gegen einen dominant agierenden LASK, den die Hütteldorfer speziell in den direkten Duellen stets in Schach halten konnten. Mit dieser Konsolidierung kamen aber neue Ziele auf, nämlich die deutliche Emanzipation von den Plätzen 3 bis 12, größere Selbstverständlichkeit und mehr Siege gegen die vermeintlich „Kleinen“ und eine zumindest leichte Annäherung an Salzburg. Das Problem: Derartige Ziele erreicht man mit den immer gleichen Mitteln bei gleichbleibender oder leicht sinkender individueller Qualität nicht.

Sattelpunkt und „struktureller Plafond“ erreicht

Der Burgenländer erreichte also genau das, wofür er geholt wurde und von einem Scheitern zu sprechen, wäre weit hergeholt. Viel mehr ist Kühbauer am Plafond seiner Möglichkeiten angelangt und fuhr sich fest. Nach den beiden Vizemeistertiteln war die Luft nach oben dünn und der Kader wurde (auch aus nachvollziehbaren Gründen) nicht ausreichend nachbesetzt, um im Angriffsmodus auf den nächsten Schritt nach oben loszugehen. Die Konsolidierung stellte den 2018 noch stark gebeutelten Klub vorsichtig zufrieden, die Corona-Pandemie war eine Unbekannte, die keine großen weiteren Sprünge zuließ. Da die Ergebnisse passten, agierte man nach dem Motto „schauen wir mal, dann sehen wir schon“ – aber klar war auch schon zum Ende der vergangenen Saison, dass Kühbauer nicht derjenige sein wird, der Rapid spielerisch nachhaltig verändern wird.

Turnaround geglückt, aber keine Nachhaltigkeit im Spiel etabliert

Genau an diesem Punkt stehen wir nun. Rapid agierte über mehr als zwei Jahre sehr ähnlich, ohne besondere Alleinstellungsmerkmale im eigenen Spiel zu haben. Die Qualität des Kaders und die Kontinuität auf Spieler- und Trainersektor machte es möglich, dass die Abläufe dennoch ausreichend für Platz 2 waren. Nun ist man mit einem dichten Spielplan, Formproblemen und Einstellungsschwierigkeiten bei mehreren Spielern konfrontiert, aber das „System Kühbauer“ gibt den Spielern, sowohl einzeln, als auch in Gruppen oder mannschaftlich, zu wenige „Werkzeuge“ mit, um die Tendenz weiter nach oben zeigen zu lassen. Kühbauer schaffte also durch eine Vereinfachung des Fußballs und die Wiederfindung von Lockerheit einen Turnaround – und genau dafür wurde er engagiert. Ein nachhaltiges Profil gab er der Mannschaft allerdings nicht.

Langfristiges Denken über schnellen Turnaround stellen

Für Rapid ist es nun natürlich in erster Linie wichtig, einen neuerlichen, möglichst raschen Turnaround zu schaffen, die restlichen Spiele des Kalenderjahrs 2021 gut zu bestreiten und sich schließlich im kommenden Frühjahr für den Europacup zu qualifizieren. Die oberste Priorität liegt nun aber im langfristigen Denken, denn die nächste Lösung darf keine strukturell ähnliche sein, wie sie es anno 2018 war. Sechs Pflichtspiele vor der Winterpause muss Rapid viel mehr den Blick auf das große Ganze und eine nachhaltige, mittel- bis langfristige Entwicklung legen. Ansonsten wird man bereits in wenigen Jahren, eben nach einer neuerlichen Konsolidierung, wieder vor demselben Problem stehen wie heute. Jedes Ende ist auch ein Anfang – und für Rapid könnte es der Anfang einer nachhaltigen, modernen Herangehensweise und einer spielerischen Identitätsfindung sein. Was es jetzt braucht, ist Mut zur Innovation. Und dafür müssen sich nicht nur die Verantwortlichen, sondern auch die Fans gedanklich vom Wunsch nach einem kurzfristigen, aber nicht nachhaltigen Turnaround lösen. Denn in ein oder zwei Jahren hätte vermutlich erneut niemand was davon…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen