In den letzten Stunden der Transferzeit ließ der SK Rapid Thomas Murg zu PAOK Saloniki ziehen, der damit dem einstigen Kapitän Stefan Schwab nachfolgt.... Spieleranalyse: Das darf man bei Rapid von Marcel Ritzmaier erwarten!

In den letzten Stunden der Transferzeit ließ der SK Rapid Thomas Murg zu PAOK Saloniki ziehen, der damit dem einstigen Kapitän Stefan Schwab nachfolgt. Anstelle des offensiven Mittelfeldspielers mit Schwerpunkt auf der rechten Seite kam aber kein klassischer Ersatzmann, sondern mit Marcel Ritzmaier ein nomineller Achter und zudem ein polyvalenter Akteur. Wir sehen uns an, wie Ritzmaier ins Rapid-Spiel passt und was der Murg-Abgang für Rapids Offensive bedeutet.

Ganz allgemein und situationsunabhängig betrachtet hat Rapid mit der Verpflichtung Ritzmaiers als Antwort auf Murgs Abgang gut und vernünftig reagiert. Der gelernte Rapid-Fan erinnert sich nur zu gut an Zeiten, in denen Last-Minute-Abgänge nicht oder mit Panikkäufen kompensiert wurden. Teils mit dem Argument, dass man intern nachbesetzen wird, teils, dass der Markt so spät in einer Transferzeit wenig zulässt.

Murgs Position wird intern nachbesetzt

In diesem speziellen Fall wird Murgs Position tatsächlich auch intern nachbesetzt, Rapid holt aber eine weitere Facette für die Zentrale und als Backup für andere Positionen hinzu. Murg spielte bei Rapid zumeist im rechten Mittelfeld und legte seine Spielweise invers, also zur Mitte ziehend an. Hier dürfte Supertalent Yusuf Demir, dessen natürliche Position ebenfalls auf der rechten Offensivseite liegt, eine gewichtigere Rolle einnehmen. Bisher wurde Demir auf Freigeistpositionen zum Einsatz gebracht, um sein Laufpensum niedrig zu halten und ihn defensiv zu entlasten. Da er nur wenige technische Fehler macht, kommt er für eine Position im Zentrum bereits jetzt problemlos in Frage.

Demir steht vor einer neuen Rolle

Die Position rechts im Mittelfeld bzw. als Rechtsaußen ist läuferisch anspruchsvoller, wenngleich die Zone in Rückwärtsbewegung ungefährlicher ist und Fehler somit eher verzeihbar sind. Weiters kommt hinzu, dass Demirs Anlaufverhalten auf dieser Position intensiver werden muss, was koordinativ andere Anforderungen ergibt. Darüber hinaus sind aber weiterhin Rochaden mit dem zentralen Freigeist Taxiarchis Fountas möglich, was durch Fountas‘ Dynamik beim Pendeln auf den rechten Flügel für zusätzliche offensive Power im Vergleich zum statischeren, dafür aber technisch besseren Murg sorgen kann.

Veränderung für Demir und seinen Hintermann

Wenn Demir nun häufiger am rechten Flügel eingeplant wird, darf man sich aber auch darauf einstellen, dass er neben seinen teils beeindruckenden Einzelaktionen immer wieder ein wenig abtauchen und unauffälliger spielen wird. Die Umstellung auf die laufintensivere Position könnte beim 17-Jährigen ein wenig dauern. Zusätzlich wird auch auf Hintermann Filip Stojkovic mehr Arbeit zukommen und es ist durchaus denkbar, dass sein Offensivdrang am neuen Vordermann leiden könnte und er zumindest optisch schwächer wirkt, wie es beispielsweise jahrelang bei Andreas Dober hinter Steffen Hofmann der Fall war.

Schick als weitere Option

Rapid hat für die Murg-Position aber noch eine weitere interne Option. Thorsten Schick ist wieder fit und kann im 4-2-3-1 als Rechtsaußen und im 3-5-2 als rechter Flügelverteidiger eingesetzt werden. Da Rapid mit Ercan Kara zusätzliche Präsenz im Strafraum verpflichtete und heranzüchtete, könnte auch Schicks Stärke bei Flanken endlich Früchte tragen.

Ritzmaier als Langzeitlegionär in den Niederlanden

Neu bei Rapid ist nun der gebürtige Knittelfelder Marcel Ritzmaier. Ein Steirer ersetzt also einen anderen. Allerdings verbrachte Ritzmaier knapp die Hälfte seines bisherigen Lebens nicht in seinem Heimatbundesland, sondern zunächst in Kärnten und danach in den Niederlanden. Im Alter von 13 Jahren wechselte Ritzmaier in die Kärntner Akademie und kurze Zeit später, im Alter von 16 Jahren, in den Nachwuchs der PSV Eindhoven. In den Niederlanden verbrachte Ritzmaier 8 ½ Jahre, ehe er erstmalig in den österreichischen Profibereich, zum Wolfsberger AC wechselte.

Bei jedem Leihgeschäft Stammspieler

Die gesamten 8 ½ Jahre gehörte Ritzmaier der PSV Eindhoven, 18-jährig wurde er erstmalig in den Kader der Kampfmannschaft einberufen. Es folgten über die Jahre Leihgeschäfte mit Cambuur, NEC Nijmegen und den Go Ahead Eagles, wo Ritzmaier jeweils Stammspieler war. Aber auch für die PSV bestritt der heute 27-Jährige 27 Partien, in denen er vier Assists beisteuerte. Für die zweite Mannschaft kam er 64-mal zum Einsatz, erzielte 13 Tore und sieben Assists.

Leistungsträger in Wolfsberg

2018 wechselte Ritzmaier nach Wolfsberg, wo er 1 ½ Jahre blieb und ein wichtiger Bestandteil der aufstrebenden Truppe rund um Michael Liendl und später Shon Weissman war. In 57 Pflichtspielen steuerte Ritzmaier für die Lavanttaler in 57 Spielen fünf Tore, 14 Assists und zudem zehn indirekte Torbeteiligungen (Assist-Assists) bei. Er kam dabei primär als Achter oder als immer wieder einrückender linker Mittelfeldspieler in einem 4-4-2-System mit Doppelacht zum Einsatz, wobei er stark vom Offensivdrang seines Nebenspielers Lukas Schmitz als Linksverteidiger und dem beinharten Mario Leitgeb als Absicherung profitierte.

In Englands Österreicher-Filiale

Zur Stabilisierung des zentralen Mittelfelds holte Gerhard Struber den Mittelfeldspieler nach seinem Transfer zum FC Barnsley nach England nach. Auch Sollbauer, Schmidt und zuletzt Frieser wechselten zu Struber, der die Engländer nun aber schon wieder in Richtung New York verließ. Für die ÖFB-Legionäre wird der Stand beim englischen Zweitligaklub nicht unbedingt einfacher, der wichtigste Fürsprecher ist weg und auch die Ergebnisse waren nicht nach Wunsch. Zwar konnte sich Barnsley in der Vorsaison im letzten Moment vor dem Abstieg retten, aber in die neue Saison startete man wieder nur mit einem Punkt aus vier Spielen.

Übler Fehler an der Stamford Bridge

Ritzmaier, der insgesamt 22 Partien für Barnsley bestritt, beging im EFL Cup einen schwerwiegenden Fehler im Spielaufbau, der ihm das Leben nicht gerade einfacher machte. Mit einem uninspirierten Rückpass leitete er das 1:0 für den Chelsea FC an der Stamford Bridge ein. Ritzmaier wurde nach 57 Minuten ausgewechselt, am Ende stand es 6:0 für die Blues. Seitdem machte der Österreicher nur noch eine Partie mit. Eine Kaufoption halten die Hütteldorfer zwar nicht, sollte man den Neuling aber fix verpflichten wollen, wird es mit den Engländern sicher zu einer Lösung kommen. Barnsley soll im Jänner etwa 500.000 Euro nach Wolfsberg überwiesen haben.

Einziger Linksfuß im zentralen Rapid-Mittelfeld

Bei Rapid könnte Ritzmaier auf drei verschiedenen Positionen spielen. Vor allem als Achter im zentralen Mittelfeld, aber auch als tieferer Zehner oder als Backup für Maximilian Ullmann in der linken Verteidigung. Der 176cm große Steirer ist in der engeren Auswahl der aktuellen Rapid-Zentrale der einzige Linksfuß, was die Wiener etwas variabler machen sollte. Sowohl Ljubicic, als auch Grahovac und Petrovic sind Rechtsfüße. Eine Doppelsechs/Doppelacht mit Ritzmaier und einem weiteren Akteur könnte somit im Spielfluss etwas linearer agieren und die Ballbesitzzeiten und teilweise die Laufwege und das „Herrichten“ von Bällen verkürzen. Die klassischen Zehner blenden wir in der Links-/Rechtsfuß-Interpretation hier allerdings aus.

Eine andere Art von Zentrumsspieler

Richtig mit einem bestehenden Kaderspieler vergleichbar ist Ritzmaier nicht. Interessanterweise liegt er statistisch, wenn man eher Ballbesitzphasen als das Spiel gegen den Ball analysiert, am nächsten am Stil von Stefan Schwab. Rapid verpflichtete aber unterm Strich einen Spieler, der völlig andere Tugenden mitbringt, als die bisherigen Zentrumsakteure.

Eher ein Zusteller als ein Kettenhund

Trotz seiner 176cm Körpergröße ist Ritzmaier ein fleißiger Zweikämpfer, der durchaus viele Duelle zieht, aber dennoch nicht so viele wie Schwab. Die Art und Weise in den Zweikämpfen ist ebenfalls eine andere, zumal Ritzmaier eher den zustellenden Part übernimmt und als zweite Pressinginstanz wertvoll ist. Hier allerdings eher bei flachen Aufbauaktionen durch den Gegner, da der Ex-England-Legionär Schwächen im Kopfballspiel aufweist und auch wenige Kopfballduelle pro 90 Minuten zieht. Statistisch betrachtet ist er im Kopfballspiel nicht schlechter als Dejan Ljubicic, der aber für einen Sechser eher schwache Kopfballstatistiken aufweist. Der aktuell beste Kopfballspieler im zentralen Rapid-Mittelfeld wäre Srdjan Grahovac, allerdings ist es unwahrscheinlich, dass er zusammen mit Ritzmaier die Doppelsechs bilden würde.

Wenige Pässe, viele vertikal

Eine weitere Besonderheit ist das Passverhalten Ritzmaiers. Insgesamt sind seine Passmuster recht ausgewogen. Ein Drittel seiner Pässe geht vertikal, also nach vorne – gut zwei Drittel dieser Zuspiele finden einen Abnehmer. Seine neuen Mitspieler spielen prozentuell betrachtet häufiger quer als der Neuzugang. Besonders auffällig ist jedoch vor allem, dass Ritzmaier laut Statistik mit relativ großem Respektabstand die wenigsten Pässe spielt. In dieser Statistikkategorie haben wir auch noch Stefan Schwab mitbeobachtet.

Suche nach Tempodribblings in offene Räume

Der Grund für die recht geringe Passrate von knapp 40 pro Partie, ist sein Laufspiel mit Ball. Speziell im linken Halbraum sucht Ritzmaier intensive Läufe mit Ball und Tempodribblings, um gegnerische Linien zu überwinden. Die meisten seiner Mitspieler versuchen dies eher technisch und mit stringentem Passspiel zu bewerkstelligen. Ritzmaier sucht eher offene Räume und bewegt sich mit dem Ball dort hinein. Das erfordert auch ein gewisses Maß an Absicherung, weshalb er keineswegs als Sechser zu bezeichnen ist, sondern eher eine Etappe vor Ljubicic oder Grahovac spielen müsste.

Viele Abschlüsse und Schlüsselpässe

Wenn sich Ritzmaier in ebendiese Räume orientiert, braucht es zumeist nur sehr wenige, kurze Aktionen, um in die unmittelbare Gefahrenzone zu gelangen. Demnach ist Ritzmaier von allen zentralen Mittelfeldspielern Rapids inklusive dem abgewanderten Schwab derjenige, der die meisten Torabschlüsse verzeichnet und auch für die meisten Schlüsselpässe, also Pässe, die direkt zu Tormöglichkeiten führen, sorgt. Insofern ist seine Grundposition definitiv als „Achter“ zu bezeichnen, wobei er hier eine so starke Linkslastigkeit aufweist, wie sonst bisher keiner der Kandidaten. Dies wiederum könnte auch Maximilian Ullmann zugutekommen, dem es zuletzt immer wieder an Absicherung fehlt. Dass Ritzmaier grundsätzlich Ullmanns Position übernehmen kann, kann bei Einrückbewegungen des Ex-LASK-Spielers zu Vorteilen führen.

Weniger ein „Abkipper“, sondern einer, der Absicherung braucht

Wie erläutert, ist Ritzmaiers Position eher die „Acht“. Auf der „Sechs“ ist er aus verschiedenen Gründen weniger gut aufgehoben, vor allem aufgrund der fehlenden Absicherung. In Wolfsberg, wo er in einem 4-4-2 mit Doppelsechs als linker Mittelfeldspieler mit großem Aktionsradius zur Mitte hin spielte, war diese Absicherung zumeist Mario Leitgeb. Aufgrund der teilweise fast wilden Passmuster und der extremen Direktheit kommt Ritzmaier kaum als abkippender Sechser in Frage, der den Spielaufbau unterstützen soll. Diese Rolle wird weiterhin bei Ljubicic und mit Abstrichen bei Petrovic bleiben. Allgemein betrachtet sollte man Ritzmaier also definitiv als klassischen Offensivspieler und Raumöffner interpretieren. Er ist ein Einfädler, der in neuralgische Räume vordringen und dann für Schlüsselpässe sorgen kann.

6-6-8 vs. 6-8-8 Staffelung

In einem System mit Dreierkette ergibt sich nun eine weitere Facette, die Rapid bisher gegen stärkere Gegner immer wieder etwas starrer praktizierte. Die „Dreifachacht“ würde mit Ritzmaier offensiver bzw. zumindest direkter werden. Wenn man von einem 5-3-2-System mit Kara und Fountas in der Spitze ausgeht, war ein Dreiermittelfeld mit Ljubicic, Grahovac und Petrovic stets eher als 6-6-8-Staffelung zu bezeichnen und lange Bälle in die Spitze nahmen eine wichtigere Rolle ein. Rückt aber Ritzmaier anstelle von beispielsweise Grahovac ins Team, käme Rapid zu einer 6-8-8-Staffelung, die sie auch im 4-3-3 von PSV mit Ritzmaier immer wieder gespielt wurde. Man hätte mehrere Box-to-Box-Spieler auf dem Platz, durch Linksfuß Ritzmaier mehr Ausgewogenheit in der Breite und könnte zudem mit kürzeren Passwegen und mehr Laufspiel mit Ball rechnen. Dass Rapid in eine solche Konstellation auch noch Demir oder Knasmüllner als klassische Zehner bringen und damit eine 6-8-10-Staffelung herstellen kann, steht auf einem anderen Blatt und hat vermutlich nichts mit der Grundordnung gegen deutlich stärkere Gegner zu tun.

Cleverer und variabler Offensivspieler

Rapid gewinnt mit Marcel Ritzmaier nicht unbedingt an Physis und Kampfstärke, sicher aber an Variabilität und Cleverness. Die Hütteldorfer liehen einen technisch starken, sehr direkt agierenden Spieler aus England, der gut zur beweglichen Offensive der Wiener passen und zudem Nebenmann Ullmann stärker machen könnte. Das Um und Auf wird aber seine Absicherung sein, womit noch mehr Verantwortung auf Dejan Ljubicic und/oder aus der Kette rückende Innenverteidiger zukommen dürfte. Ritzmaier gilt zudem aber auch als Spieler, der eigene Fehler gerne mit taktischen Fouls ausbügelt, weshalb man auch von der einen oder anderen gelben Karte ausgehen muss.

Implementierung ins Konzept oder neue Impulse?

Eine offene Frage ist definitiv, ob Ritzmaier seine Alleinstellungsmerkmale aktiv nutzen „darf“, oder eher ins passintensive Konzept Kühbauers implementiert werden soll. Aus seiner niederländischen Schule heraus, steht Ritzmaier eher für Direktheit und Zug zum Tor, als für zu lange Passstafetten. In einem solchen Konzept fühlt er sich auch wohler, wie man es in Wolfsberg bereits beobachten konnte und was im stark auf Kontrolle und defensive Stabilität ausgerichteten Barnsley nicht immer einfach war. Auf der anderen Seite ist Ritzmaier aus seiner Ausbildung bei der PSV Eindhoven heraus, tiefstehende Gegner gewöhnt und kann mit seinen kurzen Antritten durch offene Räume sicher für Unordnung bei den Gegnern sorgen. Rapid bekommt hier also sicher eine spannende Facette hinzu, die das Erscheinungsbild des Rapid-Spiels in einigen Spielen doch deutlich verändern könnte.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen