Jeden Sonntag wollen wir in dieser Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im... Men to (re)watch (38) –  Siegfried Rasswalder (KW 38)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser Serie Spieler beleuchten, die ungewöhnliche Wege eingeschlagen haben. Wir möchten Geschichten von Sportlern erzählen, deren Karriere entweder im Konjunktiv stecken blieb, die sich zu einem gegebenen Zeitpunkt radikal verändert haben oder sonst außergewöhnlich waren und sind: Sei es, dass sie sich nach dem Fußball für ein völlig anderes Leben entschieden haben, schon während ihre Profizeit nicht dem gängigen Kickerklischee entsprachen oder aus unterschiedlichen Gründen ihr Potenzial nicht ausschöpften. Auf jeden Fall wollen wir über (Ex)-Fußballer reden, die es sich lohnt auf dem Radar zu haben oder diese (wieder) in den Fokus rücken. Wir analysieren die Umstände, stellen Fragen und regen zum Nachdenken an. Heute blicken wir auf die Karriere eines U 20‑WM-Heldens zurück…

Mitten im Sommer 2007 entstand in Österreich plötzlich eine Euphorie ums Nationalteam. Doch es waren nicht die A-Teamspieler, die international nur mittelmäßigen Profis namens Payer, Katzer oder Mörz, die bei den Fußballfans Jubel erzeugten, sondern die rot-weiß-rote U 20: Unter Führung des mittlerweile verstorbenen Paul Gludovatz sorgten die Jungspunde bei der WM-Endrunde in Kanada für Furore in der Alpenrepublik. „Du machst das Tor!“, flüsterte der Teamchef in Löw-Götze-Manier einem jungen Burschen, der in den Haaren den Schriftzug „Jimmy“ einrasiert hatte. Jener „Jimmy“, der eigentlich auf den Vornamen Erwin getauft worden war, stolperte die jungen Österreicher daraufhin zum Sieg gegen die USA. Letztendlich sollte im nächsten Match gegen Spanien Endstation sein und die „Gludo“-Elf flog als undankbarer Vierter heim, die U 20-Mannschaft von damals hatte jedoch auf sich aufmerksam gemacht. Manch einer meinte – halb im Spaß, halb im Ernst – man solle doch die Burschen anstelle des A-Teams zur heimischen EM schicken.

Neben Hoffer spielten damals noch Prödl oder Okotie, die später Karriere machen sollten, für Österreich. Auch aus Harnik, Junuzovic oder Kavlak wurden gestandene Profis. Doch nicht jeder der U 20-Helden sollte eine erfolgreiche Laufbahn als Fußballer hinlegen. Zwar vermutet Otto Normalverbraucher, dass ein Auswahlspieler dieser Altersklasse nur einen Wimpernschlag vom Vier‑Jahres-Vertrag bei einem Bundesligisten entfernt sei, tatsächlich bürgen Einsätze in Jugendnationalteams aber nicht immer für außerordentliche Qualität und sind das Ticket zu einem Dasein als Fußballmillionär: Siegfried Rasswalder hielt seine Knochen 2007 in fünf von sieben WM-Spielen hin und war als Außenverteidiger somit praktisch gesetzt. Heute arbeitet der 35-jährige jedoch als ÖBB-Triebfahrzeugfahrer. Hier ist seine Geschichte:

Ein echter Steirer

Markus Suttner wurde mit der Wiener Austria Meister, kickte für Ingolstadt und Düsseldorf und lief sogar in der Premier League auf, ehe er im Sommer diesen Jahres seine Fußballschuhe an den Nagel hängte. Damals im Sommer 2007 in Kanada gab es für „Sutti“ jedoch kein Vorbeikommen an dem gleichaltrigen Rasswalder. Gludovatz verkündete, dass der gebürtige Steirer topfit sei und deshalb den Vorzug gegenüber Suttner bekäme. Letztendlich sollte der Austria-Akademiker aber die erfolgreichere Klub- und Nationalteamkarriere hinlegen.

Rasswalder wurde am 13. Mai 1987 in der Steiermark geboren. Er begann seine Karriere bei seinem Heimatverein, dem SV Lobmingtal aus Großlobming, nahe Judenburg. Schon als Teenager wurde er vom Kultverein DSV Leoben verpflichtet, wo er 2005 in der Kampfmannschaft debütierte. Der spätere Profi absolvierte nebenbei eine Lehre als Maschinenbautechniker und Dreher in Knittelfeld.

In den Fokus spielte sich Sigi bei angesprochener Endrunde in Kanada. Danach wollte ihn Paul Gludovatz, mittlerweile Ried-Coach, zum österreichischen Cupsieger von 1998 holen. Doch der Lokalrivale LASK machte das Rennen um den Defensivspieler und stattete Rasswalder mit einem Zwei‑Jahres‑Vertrag aus. Tatsächlich wirkte Sigis Einstand vielversprechend, denn gleich bei seinem Debüt erzielte der gebürtige Steirer den Siegestreffer gegen Kapfenberg. Doch letztendlich sollte dies Rasswalders einziger Erfolg in der oberösterreichischen Hauptstadt bleiben. Die Schwarz-Weißen stiegen ab und Sigis Vertrag wurde nicht verlängert. Die Karriere des einstigen U 20‑Außenbahnspielers in der obersten österreichischen Spielklasse schien 2010 schon vorbei zu sein. Sigis Voraussetzungen wirkten für die Bundesliga nicht optimal: Zu klein, zu langsam, technisch zu schwach. Nur Einsatzwille konnte man dem damals 23-jährigen nicht absprechen.

Nachdem sein Vertrag nicht verlängert wurde, ging der Verteidiger ins Waldviertel und heuerte beim SV Horn an. Nach nur einem Jahr wechselte er zu Austria Klagenfurt, ehe er 2013 sein Glück in Hartberg fand. Diesmal klappte es mit dem Transfer und Gludovatz holte seinen einstigen Schützling in die Südoststeiermark, wo Sigi schließlich turbulente Zeiten erlebte: Der TSV stieg 2015 aus der zweiten Liga ab, ehe er 2018 unter neuer Führung erneut Bundesligaluft atmete. Dazwischen mauserte sich Rasswalder zu einer der Stützen der Mannschaft, bis er 33-jährig seine Profikarriere beendete.

Post Profifußball

„Die zwei Jahre, die ich bei der Post verbracht habe, waren eine schöne Zeit.“, erinnert sich der Kicker. Außer der Arbeitsbeginn um sechs Uhr früh, setzt er schmunzelnd nach. Tatsächlich jobbte der Verteidiger nach dem Aus des Profifußballs in Hartberg in der hiesigen Postfiliale. Aus dem einstigen U 20-Helden war ein Teilzeit-Postler geworden, doch Rasswalder hatte bewusst diese Entscheidung gefällt. Zwar waren anfangs sowohl Wechselgedanken als auch Angebote da, der Defensivspieler blieb aber dem Projekt unter Führung des jetzigen Sturm-Trainers Ilzer treu: „Ab diesem Zeitpunkt machte der Verein vieles richtig. Man holte viele junge Spieler aus der Umgebung, wir entwickelten schnell einen enormen Teamgeist, so etwas habe ich noch nie erlebt.“ Der einstige Jugendnationalteamspieler führte die Mannschaft als Kapitän wieder in die Bundesliga und wurde zum Dauerbrenner in Hartberg. Mit über 200 Spielen für die Südoststeirer gehört Sigi in die Top Drei der ewigen Bestenliste des Vereins.

Rasswalders Fähigkeiten sollten nicht für einen Stammplatz bei einem Topklub der Bundesliga reichen. Sein Talent als Antreiber und sein Ehrgeiz machten ihn aber zu einem wertvollen Mannschaftskameraden, der letztendlich mit den Steirern sogar international spielte. Sigi wurde wortwörtlich der „Erste im Dorf“.

Paul Gludovatz hat einst in einem Interview auf die Frage, was bei den Unter-Zwanzigjährigen auf dem Weg zum Profi noch passieren könnte, geantwortet: „Da kann noch sehr viel schiefgehen.“ Letztendlich ist bei Rasswalder jedoch nicht viel falsch gelaufen. Aufmerksamen Zuschauern wird nicht entgangen sein, dass Sigi schon bei jener ominösen U 20-Endrunde mehr über Kampf als über Können ins Spiel gekommen war. Der gebürtige Steirer war nie ein Juwel oder Ausnahmetalent, aber einer der fußballbegeistert war und die Knochen hinhielt. Solche Spieler sind das Rückgrat einer Mannschaft.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag