„Er war schon immer ein komischer Junge.“ | Die ungewöhnliche Karriere des Javier Poves
Spanien 24.September.2015 Stefan Karger 0
Als der spanische Fußballprofi Javier Poves im Jahr 2011 nach nur einem Spiel für die Sporting-Gijon-Kampfmannschaft seinen Rücktritt vom Fußballgeschäft bekanntgab, meinte ein Funktionär achselzuckend: „Er war schon immer ein komischer Junge.“ Der spanische Verteidiger unterschied sich tatsächlich von seinen Mannschaftskollegen, denn er verabscheute die Kommerzialisierung im Fußballgeschäft so sehr, dass er sich vor vier Jahren dazu entschloss nicht mehr ein Teil dieser Maschinerie sein zu wollen. Wir erzählen euch seine Geschichte.
Von der vierten Spielklasse bis zur Primera División
Javier Poves Gómez kam am 28. September 1986 in Madrid zur Welt und durchlief die Nachwuchsmannschaften von Atletico Madrid und Rayo Vallecano. Sein Debüt bei den Erwachsenen gab er als 19-Jähriger in der vierthöchsten spanischen Spielklasse bei Laz Rozas. In der darauffolgenden Saison verstärkte er eine Liga höher die Abwehr beim CDA Navalcarnero und wurde anschließend von Sporting Gijon unter Vertrag genommen, wo er zwischen 2008 und 2010 63 Spiele für die B-Mannschaft in der Segunda División bestritt. Dort zählte er zu den stärksten Spielern seines Teams und wurde deshalb gegen Ende der Saison 2010/11 in die Kampfmannschaft hochgezogen.
Kein Bankkonto, keine Geschenke
Schon während seiner Zeit in der B-Mannschaft hasste Javier Poves die Kommerzialisierung rund um seinen Lieblingssport. Poves hatte jede Menge Talent und spielte auch gerne Fußball, doch nach nur drei Monaten in der Kampfmannschaft hatte er genug. Sein Debüt gab er am 21. Mai 2011, seinen Rücktritt gab er kurz darauf im August 2011 bekannt. In der Zeit dazwischen weigerte er sich ein Gehaltskonto zu eröffnen, da er Bankinstitute als korrupt ansah und lehnte auch ein Auto des Sponsors als Geschenk ab, das jeder Spieler der Kampfmannschaft in der Sommerpause erhielt. Bei Sporting Gijon zeigte man sich nicht sonderlich überrascht über das vorzeitige Karriereende des Spielers, da den Vereinsverantwortlichen die Lebenseinstellung des jungen Abwehrspielers bekannt war.
Die Gründe für seinen Rücktritt
Seinen Rücktritt begründete Javier mit folgenden Worten: Was ich bis jetzt gesehen habe macht es mir klar: Professioneller Fußball dreht sich nur um Geld und Korruption. Das ist Kapitalismus und der Kapitalismus ist tot. Ich will nicht Teil eines Systems sein, das darauf basiert Geld zu verdienen, auf Kosten der Menschen in Südamerika, Afrika und Asien. Um es einfach auszudrücken, mein Gewissen erlaubt es mit nicht weiterzumachen.“
Javier sagte, dass er es nicht verantworten könne so viel Geld zu verdienen, wenn in vielen Kontinenten so viel Armut herrscht, dass Menschen verhungern würden. Er erklärte auch warum er das Geschenk des Mannschaftssponsors zurückgab: Es fühlte sich falsch an zwei Autos zu besitzen. Einige werden nun meinen, er hätte einfach den Großteil seines Gehalts spenden sollen, doch Poves glaubte, dass er damit alleine nicht genug bewirken würde. Zudem war er auch von den anderen Profis enttäuscht, die in erster Linie für einen besseren Vertrag, größere Autos und größere Wohnungen spielten. Javier Poves verabscheute diesen Materialismus und klagte, dass sich kein Mannschaftskollege für seine Umgebung wirklich interessiert: „Es ist frustrierend, dass kaum ein Fußballer ein Buch in die Hand nimmt.“ Er wollte raus aus dem Geschäft, da der Profifußball seiner Meinung nach nur eine Mittel war, um das Volk von der Realität abzulenken.
Sein Rücktritt erregte in den spanischen Medien eine Menge Aufmerksamkeit, schließlich gab es im Sommer 2011 kein Großereignis und die Geschichte eines Fußballers, der dazu aufruft aus dem System auszutreten und mit gutem Beispiel vorangeht, war für die Zeitungen ein gefundenes Fressen.
Selbstfindungstrip
Poves , der schon während seiner Zeit als aktiver Fußballer in jeder freien Minute las, fing an Geschichte zu studieren und besuchte in den kommenden drei Jahren 35 Länder. Er wollte sich ein Urteil von der Welt machen und besuchte auch Länder wie den Iran, Syrien und Libyen: „Ich will die Realität in diesen Ländern für mich selbst sehen, nicht was die Politiker sagen oder im Fernsehen gezeigt wird.“ In dieser Zeit setzte er nie einen Fuß in ein Hotel, sondern schlief meist in einfachen Hütten, bei Menschen die er unterwegs kennenlernte. Der ehemalige Profi schrieb währenddessen ein Buch über seine Erfahrungen als Fußballspieler und das Geschäft rund um diesen Sport und wagte schließlich nach drei Jahren sogar ein Comeback: „Mir geht es nicht darum viel Geld zu verdienen, sondern Spaß zu haben.“
Er unterschrieb bei Unión Deportiva San Sebastián de los Reyes in der vierthöchsten Spielklasse, wo er nun nebenbei ein wenig Geld verdient. Blickt er zurück auf seine dreijährige Auszeit, dann spricht er von der besten Entscheidung seines Lebens, die ihn viel menschlicher machte. Poves fand seinen eigenen Weg, auch wenn er nun glücklich darüber ist, dass er wieder Fußballspielen kann. Nach dem Kicken hilft er dann seiner Mutter bei der Arbeit im Kräutergarten und unterstützt seine Familie wo er nur kann – diese ist schließlich auch voll hinter ihm gestanden, als er sich dazu entschloss seinen Beruf an den Nagel zu hängen.
Stefan Karger, www.abseits.at
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Stefan Karger
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