Sehr viel wurde in den letzten Tagen und Wochen über die Geschehnisse beim ÖFB und die nach dem Aus von Marcel Koller entstandene Teamchef-Suche... Der Neo-Teamchef im Porträt (4): Die Zukunft des Nationalteams unter Franco Foda

Sehr viel wurde in den letzten Tagen und Wochen über die Geschehnisse beim ÖFB und die nach dem Aus von Marcel Koller entstandene Teamchef-Suche geschrieben und diskutiert. In den Medien und den sozialen Netzwerken standen dabei leider wieder einmal fast ausschließlich emotionale und persönliche Aspekte im Fokus. Die mächtigen Landespräsidenten wurden dabei ebenso auseinandergenommen wie undurchsichtige Entscheidungsprozesse in ÖFB-Gremien, unglückliche Pressekonferenzen und angebliche „Top-Power-Point Präsentationen“ von möglichen Teamchef-Kandidaten. Und einige suchten noch ganz verzweifelt nach einer Analyse zur missglückten Europameisterschaft 2016. Sportdirektor Willi Ruttensteiner sollte nämlich nicht die nötigen Schlüsse daraus gezogen haben. Dabei darf man den entscheidenden Punkt dieser ganzen Debatte nicht übersehen: In Österreich soll in Zukunft wieder der Fußball im Mittelpunkt stehen und nicht die Wissenschaft.

All jenen, die davon genug haben, bieten wir ein Kontrastprogramm. Wir richten den Scheinwerfer auf das Spielfeld und analysieren in dieser vierteiligen Serie unter anderem die Entwicklung des Trainers Franco Foda, sein aktuelles Spielmodell mit Sturm Graz und versuchen mögliche Modelle für das zukünftige Spiel der Nationalmannschaft unter Foda zu konstruieren. Im ersten Teil widmeten wir uns der persönlichen Entwicklung des Franco Foda an, im zweiten sahen wir uns das Spielmodell des SK Sturm an. Teil 3 handelte vom Verhalten des SK Sturm bei eigenem und gegnerischem Ballbesitz. Im vierten und letzten Teil dieser Serie wagen wir einen Blick auf die Zukunft des Nationalteams unter dem neuen Teamchef.

Die Zukunft des Nationalteams unter Franco Foda

Gibt uns die „Frage der Nation“ Auskunft über die strategische Herangehensweise von Foda?

Es war zu erwarten, dass Foda bei seiner Antrittspressekonferenz die Frage nach der Position von David Alaba gestellt bekam. Es war aber genauso zu erwarten, dass er darauf nicht richtig eingehen wird.  Wie auch? Aber trotzdem lieferte er uns einen Hinweis, wie er es in Zukunft anlegen könnte.

Auf die Frage nach Alaba antwortete Foda, dass Alaba auf jener Position spielen wird, auf der er der Mannschaft am meisten helfen kann. Dies sei abhängig vom Gegner und von der eigenen Ausrichtung. Diesen Gedanken kann man weiterführen. Was ist, wenn Foda dies nicht nur mit Alaba vorhat, sondern mit der gesamten Mannschaft? Nicht nur auf personeller Ebene, sondern auch auf taktischer? Marcel Koller hatte an seinem Höhepunkt einen fixen Spielerstamm und eine fixe taktische Ausrichtung und Grundordnung. Gegneranpassungen waren wenn überhaupt nur im kleinen Rahmen zu finden. Unter Foda könnte dies tatsächlich in näherer Zukunft radikal anders werden. Nimmt Foda seine neugewonnene Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von Sturm Graz ins Nationalteam mit, werden wir sehr wahrscheinlich von Spiel zu Spiel und von Gegner zu Gegner andere Spielerbesetzungen und Grundordnungen zu sehen bekommen.

Unabhängig von der Person Franco Foda könnte so eine „matchplanbezogene“ Strategie bei einem Nationalteam durchaus Sinn machen. Einerseits hat man als Nationaltrainer bedeutend weniger Trainingszeit mit den Spielern zur Verfügung, wodurch taktische Grundlagenarbeit nicht möglich und bei der Qualität der vorhandenen Spieler auch nicht wirklich notwendig ist, auf der anderen Seite hat man viel weniger Spiele in einer Saison, was eine noch ausführlichere Gegneranalyse und Anpassung möglich macht. Allein diese zwei Komponenten sprechen durchaus für eine solche Herangehensweise. Bei einem Nationalteam vielleicht noch ein bisschen mehr als im Klubfußball. Joachim Löw hat in den vergangenen Monaten einen ähnlichen Weg eingeschlagen.

Aber wie gesagt, das ist eine Variante, wenn euch eine durchaus wahrscheinliche. Dadurch ist es natürlich noch einmal schwerer als sonst, irgendwie einen Spielerstamm oder Schlüsselspieler vorherzusagen. Ohne das Gegnerverhalten und deren Ausrichtung zu kennen ist es schlichtweg unmöglich bzw. oberflächlich, über Positionen und Spieler zu diskutieren. Klar, für die meisten der 8 Millionen Teamchefs in Österreich ist das die entscheidende Frage. „Wieso spielt Spieler X schon wieder auf dieser Position und Nicht Spieler Y?“. Natürlich ist die richtige Positionsbesetzung von entscheidender Bedeutung, das sieht man auch zurzeit bei Sturm Graz, aber die Spielerwahl eines Trainers muss man immer im Kontext zur eigenen strategischen Ausrichtung und zu jener des Gegners sehen. Das wird bei den meisten solcher Diskussionen vergessen. Ansonsten könnten nicht tagelang die Sportseiten von Tageszeitungen gefüllt werden und über Positionen von Spielern geschrieben werden, ohne dass man überhaupt die genutzte Grundordnung geschweige denn die Ausrichtung des Gegners kennt.

Deshalb reduzieren wir uns auf eine (realistische) Möglichkeit, die sich aus der Analyse von Foda bei Sturm Graz ergibt. Mit dem Wissen, dass es noch zig andere Varianten gibt.

Demzufolge gehen wir hier von einer 3-4-3 bzw. besser 3-4-2-1 Grundordnung aus. Vor Torhüter Lindner hätte Foda für das zentrale Verteidigungstrio schon sehr interessante Alternativen zur Verfügung. So zum Beispiel auf den Halbpositionen neben Dragovic die beiden Youngsters Danso und Wöber. Vor allem Linksfuß Wöber könnte diese Position sehr gut ausfüllen und mit seinen gut gespielten Pässen in den Zwischenlinienraum (Abnehmer dafür Arnautovic, auch nicht schlecht oder?) Akzente im Aufbauspiel setzen. Daneben hätte Foda noch einen Martin Hinteregger, der ähnliche Qualitäten mitbringt. Ähnliches wie für Wöber gilt auch für Danso. Er hat bereits in den letzten Spielen unter Koller aufgezeigt und das Vertrauen zurückzahlen können. Vor allem sein Pass vor dem Tor von Burgstaller gegen Serbien blieb in Erinnerungen.

Auf der rechten Flügelverteidigerposition hätte Foda gleich mehrere gleichwertige Spieler zur Auswahl. Alessandro Schöpf hat bereits bei Schalke im vergangenen Jahr unter Weinzierl gezeigt, dass er mit seinen läuferischen Qualitäten ein absoluter Gewinn für eine Mannschaft auf dieser Position sein kann. Aber auch Valentino Lazaro hat bei seinen wenigen Einsätzen unter Marco Rose gezeigt, dass er auch sogar als rechter Außenverteidiger einsetzbar ist. Die Position des Wing-Backs wäre für ihn daher fast die perfekte Zwischenlösung. Nicht vergessen darf man aber einen Moritz Bauer, der in den letzten Spielen unter Koller ein absoluter Lichtblick gewesen ist.

Auf der linken Seite schaut es weniger üppig aus, was noch mehr für ein „wundersames“ Comeback von Andreas Ulmer sprechen könnte. Er bringt ebenfalls die Fähigkeiten mit, um auf internationalem Niveau bestehen zu können. Auch deshalb, weil sich seine Rolle im ÖFB-Team nicht wesentlich von jener bei Salzburg unterscheiden könnte. Auch dort positioniert er sich im Spielaufbau sehr hoch und beackerte den gesamten linken Flügel. Durch den Zentrumsfokus der Bullen gerne auch allein. Im Nationalteam hätte er Marko Arnautovic vor sich, der mit seiner Ballsicherheit ein dynamisches Nachrücken von Ulmer ermöglichen könnte und dadurch Durchschlagskraft am Flügel entstehen könnte. Auch von Alaba könnte er immer wieder tief hinter die letzte gegnerische Linie geschickt werden. Linksfuß Alaba kann solche Bälle perfekt spielen, das hat er oft genug bewiesen.

Deshalb haben wir hier (und bitte zerfleischt uns nicht) Alaba im zentralen Mittelfeld neben Julian Baumgartlinger aufgestellt. Ähnlich wie bei Sturm könnte auch im Nationalteam Foda auf unterschiedliche Rollenverteilungen zurückgreifen und Baumgartlinger als Fixpunkt und Abräumer vor der Abwehr integrieren und Alaba nach vorne schieben, um Verbindungen und Übergänge zu den vorderen Spielern herstellen zu können. Dass Alaba sehr gut mit Arnautovic harmoniert, ist auch kein Geheimnis. Der linke offensive Halbraum wäre eigentlich der ideale Spielplatz dafür.

Die Sturmlinie besteht in diesem Beispiel aus Sabitzer, Burgstaller und Arnautovic. Sabitzer wäre vor allem für das Spiel gegen den Ball ein Gewinn. Mit seiner aus Leipzig verinnerlichten Dynamik und Aggressivität könnte er aus einer 5-4-1 Ordnung gut den gegnerischen Außenverteidiger anlaufen oder situativ eine Linie nach vorne schieben und im Angriffspressing den Innenverteidiger attackieren. Solche Staffelungen wäre er von Hasenhüttl und Leipzig gewöhnt. Franco Foda greift, wie wir gesehen haben, ebenfalls immer wieder gerne darauf zurück.
Aber auch Florian Grillitsch wäre auf dieser Position eine richtig interessante Option. Mit seiner Pressingresistenz (Dank geht an Julian Nagelsmann) könnte er sich aktiver am Aufbauspiel beteiligen und für stabilere Ballzirkulationen sorgen.
Die 3-4-2-1 Ordnung käme auch der Spielweise von Arnautovic entgegen. Von seiner Position im Halbraum aus könnte er sich in sämtliche Richtungen bewegen (in die Spitze, auf den Flügel, in den defensiven Halbraum) und Überzahlsituationen bzw. Verwirrung beim Gegner herstellen. Dazu ist er dank seiner Robustheit der ideale Abnehmer für flache Vertikalpässe aus der Abwehr heraus, welche er auf den aufgerückten Alaba ablegen könnte. Der hat das Spiel vor sich und kann die Spitzen einsetzen.

Wie man sieht, gibt es unzählige Varianten und Möglichkeiten. Das 3-4-2-1 ist dabei nur eine davon. Auch Varianten mit einer Viererkette sind absolut denkbar. Sicher aber ist, dass Foda seine „neuen“ Elemente im Ballbesitz auch mit ins Nationalteam nehmen wird und dies auch in den ersten Trainingseinheiten forcieren wird.

Ähnlich verhält es sich mit dem Spiel gegen den Ball. Die Kernelemente wie Raumdeckung, Kompaktheit und Synchronität werden in Zukunft auch bei Länderspielen zu sehen sein. Auch bezüglich Pressinghöhe kann es durchaus so sein, dass Foda zunächst einmal an seiner etwas tieferen und passiveren Ausrichtung festhält.  Aber die jeweiligen Strukturen (Grundordnungen) im eigenen Ballbesitz und im Spiel gegen den Ball sind offen und flexibel, genauso wie die Interpretationen und Besetzungen der einzelnen Positionen. An dieser Stelle kommt wieder der gegnerspezifische Matchplan ins Spiel.

Fazit und Ausblick

Lassen wir uns überraschen, wie es Franco Foda angehen wird. Fest steht, dass Foda sehr wohl in der Lage ist, dass (schwere) Erbe von Vorgänger Koller anzutreten und das Nationalteam neu aufstellen und entwickeln kann. Allein durch die vielen Rücktritte steht ein Umbruch bevor, welcher auch im strategisch-taktischen Bereich vollzogen werden könnte. Behält Foda seine Anpassungsfähigkeit bei, wird in Zukunft tatsächlich der Matchplan im Mittelpunkt der Arbeit mit dem Team stehen und wir Zuschauer ein sehr facettenreiches Nationalteam zu sehen bekommen. Die Gefahr dabei ist, dass dieser Gedanke beim Großteil der Fans noch nicht allzu tief verankert ist und dadurch bei negativen Ergebnissen schnell Unverständnis die Runde machen könnte. Aber Marcel Koller hat genau das Gegenteil gemacht und hat dafür ebenfalls Kritik geerntet. Ein Richtig und Falsch gibt es im Fußball ja sowieso nicht, ein Zwischendrein auch nicht. Gewinnt ein Team, macht der Trainer alles richtig und andersherum.
Deshalb sollte man Foda Vertrauen und etwas Zeit schenken. Das beste Argument für seine Bestellung zum Teamchef lieferte er sowieso mit seiner Arbeit bei Sturm Graz.

Sebastian Ungerank, abseits.at

Sebastian Ungerank

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