Die Anekdote zum Sonntag-Serie endet und wem könnte die letzte Geschichte gewidmet sein? Natürlich dem einzig wahren Ernst Happel. Seit die Autorin dieser Zeilen... Anekdote zum Sonntag (150) – Ernst sein ist alles – Teil X

Die Anekdote zum Sonntag-Serie endet und wem könnte die letzte Geschichte gewidmet sein? Natürlich dem einzig wahren Ernst Happel. Seit die Autorin dieser Zeilen erfahren hat, dass sie mit Happel die Leidenschaft für den genialen Johann Nestroy teilt, ist der Ausnahmespieler und -trainer in ihrer Achtung noch um ein Vielfaches gestiegen. Happel mochte -neben Fußball- nicht nur Benny Goodman, Glücksspiel und Tschick, sondern fand sich auch in den weisen Zitaten des Wiener Allroundgenies wieder. „Der Mensch ist gut – aber die Leit san a Bagasch.“, sind Worte, die auch vom Wödmasta stammen könnten.

1987 beschloss Globetrotter Happel nach Österreich zurückzukehren. Laut eigener Aussage wollte der Familienmensch mehr Zeit mit seinen kleinen Enkelkindern verbringen. Er hatte genug vom Leben in Hamburg. Happel heuerte beim FC Tirol an, die mit Swarovski über einen zahlungskräftigen Sponsor verfügten. „Die Tiroler werden jetzt die guten Fußballer und die Wiener dafür die guten Skifahrer“, sagte „Aschyl“ anlässlich seiner Vorstellung beim Heurigen in Sooß bei Baden. In Innsbruck führte der grantige Trainer harte Konditionseinheiten und strenge Disziplin ein. Es lohnte sich: Die Mannschaft wurde 1989 Doublesieger und holte auch ein Jahr später den Meistertitel. 1991 waren die Tiroler ebenfalls en route zum Teller, die Wiener Austria stand jedoch am Ende einen Punkt vor den Westösterreichern. Happel hat es nie ausgesprochen, allerdings merkten (auch) viele neutrale Beobachter der Liga, dass die Dominanz der Innsbrucker von der Liga nicht gerne gesehen wurde. Man hatte oft den Eindruck, dass Happels Truppe still und heimlich „owegetrogen“ wurde. Die schmerzlichste Niederlage in dieser Zeit war für den ehemaligen Bondscoach jedoch das peinliche 1:9 gegen Real Madrid. Ernst Happel heuerte kurze Zeit später beim Nationalteam an, verstarb aber nicht einmal ein Jahr nach seinem Arbeitsantritt als ÖFB-Trainer an Lungenkrebs.

Als der Wiener noch den FC Tirol coachte, stand ein Match gegen seine „alte“ Liebe Rapid an der Tagesordnung. Zuvor setzten die Veranstalter jedoch ein Jux-Turnier von Journalistenmannschaften an. Happel knirschte mit den Zähnen: Das war ihm gar nicht recht. Er fürchtete, dass die Hobbykicker den Rasen kaputttreten würden. Mit von der Partie war der einstige ORF-Moderator und das Lieblingsopfer von Stermann und Grissemann: Wolfram Pirchner. Pirchner, ein gebürtiger Innsbrucker, spielte in seiner Jugend als Mittelstürmer beim SV Hall. Er kam als Student zum Tiroler ORF und moderierte als Dreißigjähriger seine erste Sendung. Ende August 2017 endete seine Karriere beim Staatsfernsehen, doch an die Rente denkt der mehrfache Buchautor überhaupt nicht: „Pension? Erstens bin ich noch lange nicht in Pension oder im Ruhestand – im Gegenteil. Was noch kommt? Das werde ich sehen und ich bin schon sehr gespannt darauf.“

Wolframs Mutter war an diesem Tag ins Stadion gekommen um ihrem Buben auf die Beine zu sehen. Gehetzt, weil viel zu spät, suchte sie ihren Platz im Tivoli-Stadion. Mutter Pirchners fußballerisches Wissen war solide aber begrenzt. Die Bundesliga verfolgte die Tirolerin jedenfalls nicht, also hatte sie keine Ahnung, dass sie sich ausgerechnet neben Altmeister Happel auf die Tribüne gesetzt hatte. Der Wiener zog schlechtgelaunt an seiner Zigarette und hoffte, dass das Freizeitmatch schnell vorbei sein würde. Auf der Anzeigetafel stand es 2:1 gegen Wolframs Team. In Wirklichkeit führte die Mannschaft jedoch mit 12:1, die Tivoli-Anzeigetafel konnte jedoch keine zweistelligen Ergebnisse präsentieren. Mutter Pirchner hatte davon keine Ahnung und freute sich umso mehr, als ihr Sohn in der 60. Minute den vermeintlichen „Ausgleich“ erzielte. Der Moderator zog volley ab und schoss ein wunderschönes Tor. Das Herz voller Mutterstolz jubelte Mama P. neben Happel ausgelassen. In ihrem Taumel bemerkte sie nicht, wie nicht nur Happel, sondern auch die anderen Zuschauer sie befremdlich musterten. Der Ex-Verteidiger setzte jedoch bald wieder sein grimmiges Pokerface auf. Zehn Minuten später riss ihm jedoch der Geduldsfaden. Ernst dämpfte seine belgische Tschick aus und sprintete die Betonstiege hinunter. Sein ästhetischer Sinn war durch die technisch mangelhaften und taktischen ungeschulten Bemühungen der 22 Mann am Platz schon genug beleidigt worden: Der Wödmasta enterte das Spielfeld, schnappte sich den Ball und schimpfte laut: „Schleichts euch ausse, es Spitzkicker!“ Die Hobbyspieler gehorchten prompt und auch der Schiri erhob keine Einwände. Happel ging mit der Kugel in die Kabine. So long, so Ernstl.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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