Herbert Prohaska nannte seinen ersten Titel als Trainer „Anfängerglück“: Nachdem Swarovski Tirol unter der Führung des legendären Ernst Happel die Meisterschaft für sich entscheiden... Anekdote zum Sonntag (151) –  Hände weg, Wikinger!

Herbert Prohaska nannte seinen ersten Titel als Trainer „Anfängerglück“: Nachdem Swarovski Tirol unter der Führung des legendären Ernst Happel die Meisterschaft für sich entscheiden konnte, trafen im Cupfinale der Saison 1989/90 die Wiener Stadtrivalen aufeinander.

Beide Teams waren mit Spielern gespickt, die heute händeringend sowohl im Wiener Westen als auch am Verteilerkreis gesucht werden: Auf violetter Seite liefen u.a. Wohlfahrt, Zsak, Pfeffer oder Tommy Flögel auf; „Schneckerls“ Kontrahent Hans Krankl stellte Pecl, Kranjčar oder Herzog in die Rapid-Startelf. Diese Mannschaft dominierte im kampfbetonten Spiel den Erzrivalen und ging dank eines Fjørtofts Schusses in der 82. Minute in Führung. Der Norweger jubelte schweißüberströmt, der Sieg war zum Greifen nahe.

Krankl tat daraufhin, was jeder vernünftige Trainer getan hätte: Drei Minuten vor Schluss nahm er Kranjčar, zwei Minuten später Torschütze Fjørtoft vom Feld. Taktische Wechsel eben. Seinem violetten Trainerkollegen blieb nichts anderes übrig als in den Schlussminuten volles Risiko zu gehen: Prohaska warf – nach dem Motto „Alles oder Nichts!“ – Peter Stöger und Ralph Hasenhüttl in die Waagschale. Diese Wechsel sollten sich schließlich bezahlt machen.

Zunächst stach aber Andi Ogris: Der Floridsdorfer versenkte in der Nachspielzeit einen Freistoß und rettete seine Austria in die Verlängerung. Auch aber nicht nur wegen solcher Tore bezeichnete ihn sein Trainer als Herz der Mannschaft. Der „Rotkopferte“ war zwar aufgrund seiner exzessiven Feierlaune verschrien und bekam auch von „Schneckerl“ hie und da saftige Geldstrafen aufgebrummt.

Andi hatte aber auch eine andere Seite, die nur sein Trainer und seine Kollegen kannte: Er war nicht nur ein schneller Angreifer und eiskalter Vollstrecker, sondern auch ein harter Arbeiter. Täglich ackerte er im Training und duldete auch bei seinen Mitspielern keinen Schlendrian. Darüber hinaus war der Offensivspieler als Schmähbruder derjenige, der die Mannschaft bei Laune hielt und auch nach Niederlagen für Lächeln in den Gesichtern sorgte. Trainer Prohaska gab bereitwillig zu, sich in die Nummer Sieben „verschaut“ zu haben.

Wenige Wochen nach dem Cupendspiel sollte das Tor des „untypischen“ Austria-Stürmers gegen die USA bei der WM-Endrunde in Italien Begehrlichkeiten von Espanyol Barcelona wecken. Prohaska flehte den damaligen Austria-Boss Joschi Walter an, Ogris nur für eine Stange Geld ziehen zu lassen. Walter handelte daraufhin ein Leihgeschäft mit deftiger Gebühr aus und der Wiener schlug seine Zelte vorübergehend in Katalonien auf.

Doch zurück zum 12. Mai 1990 und zum Cupfinale: In der Verlängerung erzielten die eingewechselten Stöger und Hasenhüttl zwei Treffer für die Austria und mit einem 3:1 wurden die Veilchen Cupsieger. Die Rapidler schlichen wie begossene Pudel vom Feld, während ihr Erzrivalen mit den Fans jubelte. Ogris posierte mit hochgereckter Trophäe auf dem Feld und hatte ein nettes Wort für die anwesenden Fotografen über: „Ihr Trotteln! Das Bild mit dem Jan könnts wegwerfen!“ Was war geschehen? Aus den Augenwinkeln hatte der FAK-Stürmer beobachtet, wie der Norweger bereits bei seiner Auswechslung in der 89. Minute – im Glauben den Siegestreffer erzielt zu haben – den bereitstehenden Pokal mit Liebkosungen bedacht hatte. Die anwesenden Fotojournalisten hatten xfache Bilder davon geschossen, als Jan den mehrstöckigen Humpen auf der Laufbahn des Praterstadions abgebusselt hatte.

Für Andi Ogris brannte sich das Geschehen jedoch als Extra-Motivation, die er sogleich in den Ausgleich ummünzen konnte, ein. Am Ende strahlte er mit der Siegestrophäe in der Hand. „Ogerl“ gab dem späteren Deutschland-Legionär einen Rat mit auf den Weg: „Hör zu, Wikinger, greif‘ meinen Pokal ja nicht wieder an!“ Zähneknirschend musste der damals 23-jährige diese Schmähungen über sich ergehen lassen. Eine Moral hat die Geschichte jedenfalls: Ein Match dauert eben 90+ Minuten und ist erst aus, wenn der Schiedsrichter abpfeift. Das sollte Fjørtoft neun Jahre später erneut erfahren: Diesmal war er der Glücklich, denn sein Übersteiger bewahrte Eintracht Frankfurt in der letzten Minute vor dem Abstieg. An diesem Nachmittag im Mai hatte jedoch Ogris das bessere Ende für sich.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag