Nicht nur die defensive Ausrichtung des FC Chelsea, sondern auch die Protagonisten dieses defensiven Systems kamen in den Bewertungen der internationalen Medien nicht besonders... Konzentriert, konsequent, intelligent: Wieso John Obi Mikel im CL-Finale der heimliche „Man of the Match“ war!

Nicht nur die defensive Ausrichtung des FC Chelsea, sondern auch die Protagonisten dieses defensiven Systems kamen in den Bewertungen der internationalen Medien nicht besonders gut weg. Die Kollegen der Mainstream-Medien übersahen jedoch markante statistische und spielstrategische Fakten, die den einen oder anderen Spieler zum heimlichen „Man of the Match“ im defensiv-strategischen Sinn machen. Einer dieser Spieler ist John Obi Mikel.

Seit 2006 spielt der 25-jährige Nigerianer John Obi Mikel für den FC Chelsea – mit wechselhaftem Erfolg. Zum Stammpersonal gehörte der Nationalspieler in der laufenden Saison nicht und so stand er nicht mal in der Hälfte der Pflichtspiele 2011/12 in der Startformation seines Teams. Beim Champions League Finale in München bekleidete er allerdings eine äußerst wichtige Position im defensiven Mittelfeld der Blues und war hauptverantwortlich dafür, dass sich die Bayern am blauen Granit die Zähne ausbissen.

Mikel als Bindeglied

Chelsea stand weitgehend enorm tief und ließ die Bayern kommen. Diese wiederum hatten naturgemäß Probleme sich gegen eine Menschenmauer, bestehend zum Teil aus Weltklassespielern, durchzusetzen. Die durchaus komplizierte Organisation dieser Betontaktik übernahm Mikel. Hinter ihm wurde die etatmäßige Viererabwehrkette vom praktisch fehlerfreien Gary Cahill (98% angekommene Pässe) getragen. Direkt vor der Abwehr agierte Mikel und vor dem Nigerianer eine zweite Kette, die asynchron mit der Viererabwehrkette verschob, um sämtliche Zwischenräume zwischen diesen Ketten dicht zu machen.

Improvisationstalent, Spielintelligenz, Konzentration

Eine von Mikels Aufgaben bestand darin, die Mittelfeldkette in Abstimmung mit seinen Hinterleuten zu dirigieren, was nicht nur großes Improvisationstalent und Spielintelligenz erfordert, sondern auch eine gehörige Portion Konzentration über die vollen 120 Minuten. Die Zentralachse war durch die clevere Staffelung der beiden Ketten verschlossen, Mikel fungierte dabei, als überschüssiger Spieler zwischen den beiden Ketten, als Zünglein an der Waage. Der Nigerianer nahm eine vermutlich ungeplante Chefrolle im Mittelfeld der Blues ein, weil der Beginn der ersten Halbzeit zeigte, dass Chelsea es nicht definitiv geplant hatte, derart tief zu spielen. Wäre Chelsea insgesamt etwas höher gestanden (was dem Spiel angesichts des geringeren Abstandes der zweiten Kette zu Solospitze Drogba gut getan hätte), wäre Lampard in die Rolle des „Dirigenten“ geschlüpft und Mikel hätte klassische „Wadlbeisser“-Aufgaben erhalten.

Intelligent den Raum ausgenutzt, neuen Raum generiert

Doch der starken Konzentrationsleistung in der Defensive nicht genug: Mikel wusste auch nach Ballgewinnen etwas mit dem Leder anzufangen. Chelsea verstand es vor allem im Mittelfeld nicht hektisch zu werden und mit stressfreiem Kurzpassspiel im Dreieck das Spiel zu verlagern. Vor allem in der ersten Stunde war dies augenscheinlich, denn wenn Chelsea den Ball gewann, benötigte man insgesamt nur zwei bis vier kurze Pässe, um die Seite zu wechseln und in Rückwärtsbewegung befindliche Bayern gekonnt in die Passivität zu drängen. Dass die Blues danach keine schönen Spielzüge generierten, weil zu wenige Spieler (vor allem an den Flanken) nachrückten, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Makellose Statistiken

Nicht nur im defensiven Verschieben und Staffeln, sondern auch bei den intelligenten Stafetten nach Ballgewinnen, spielte Mikel nahezu jedes Mal eine tragende Rolle. Mit 86 Ballkontakten war der 25-Jährige die teaminterne Nummer Zwei hinter Frank Lampard (97). Zudem erwies sich Mikel durch 90% Passsicherheit überdurchschnittlich, verlor außerdem kein Luftduell. Der nahezu makellosen Matchstatistik des Mittelfeldspielers wird noch mehr Gewicht verliehen, wenn man die Werte seines direktesten Gegenspielers, Thomas Müller, betrachtet. Dieser berührte bis zu seiner Auswechslung in der 87.Minute nur 48-mal den Ball und war von allen Bayern-Spielern der passunsicherste. Auch wenn Müller die wenigen Bälle, die er bekam, effizient verarbeitete, war Mikel der Grund dafür, dass der WM-Torschützenkönig von 2010 nicht aktiver werden konnte.

Mikel als „Herr der Ketten“

Insgesamt waren das Spiel und die Grundausrichtung des FC Chelsea nicht sehr schön anzusehen, angesichts der Kräfteverhältnisse und der großen Dynamik der Bayern allerdings absolut legitim, wie das Endprodukt beweist. Es wurden zahlreiche Stimmen laut, dass das Spiel der Engländer bieder und finalunwürdig war – das ist eine Betrachtungsweise. Schaut man jedoch ein Stück über den Tellerrand hinaus, wird man feststellen, dass die defensive Sicherheit Chelseas nichts mit Glück zu tun hatte, sondern mit enormer Konsequenz und Konzentration. John Obi Mikel verkörperte dies zu 100% und hat somit maßgeblichen Anteil daran, dass Bayern nie ein Mittel gegen die massive und dazu noch völlig durchdachte Kettenkonstellation des neuen Champions-League-Siegers fand.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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