Beim FC Bayern kriselt es dieser Tage, in der Säbener Straße herrscht November-Depression. Doch die Probleme sind hausgemacht und vor allem, sie existieren nicht... FC Bayern München: Warum sich langjährige Management-Fehler jetzt rächen

Beim FC Bayern kriselt es dieser Tage, in der Säbener Straße herrscht November-Depression. Doch die Probleme sind hausgemacht und vor allem, sie existieren nicht erst seit den letzten Wochen. Die Mischung aus fehlenden Resultaten, verletzten oder nicht vollfitten Spielern und natürlich auch fehlendes Glück im Spielverlauf tragen das Ihrige bei, dass die Missstände der Vergangenheit gerade zuletzt offen und voll ausbrechen. Wir schauen uns an ein paar Gründe an, warum es möglicherweise beim deutschen Serienmeister jetzt kriselt.

Der Trainer ohne die nötige Rückendeckung

Kein Geheimnis: Carlo Ancelotti wurde von den Führungsspielern abgesägt. Über Nico Kovac wurden am Samstag – nachdem er die Kabine verlassen hat – kritische Stimmen innerhalb der Mannschaft laut. Warum machen die Profis das? Weil sie es können! Alteingesessene „Führungsspieler“ verfügen bei den FCB-Bossen immer über ein offenes Ohr. Vielleicht über ein zu offenes, die Macht der Spieler ist gerade beim FC Bayern höher als anderswo. Akzeptieren die Spieler ihren Trainer und seine Methoden nicht, wird es für den Coach schwer, muss er gegen Windmühlen ankämpfen. Mit einem vergleichbar starken Spieler-Einfluss fuhr schon das argentinische Nationalteam im Sommer bei der WM die Titelträume an die Wand.

Von der Münchner Klubführung wird ein neuer, eher unerfahrenerer Trainer – mit entsprechend geringer Lobby im Verein – nicht nötig ge- und unterstützt. Es wird ihm nicht die Position und Macht erteilt, die ein solcher Übungsleiter mit entsprechend vielen Stars und Individuen bei solch einem Verein eigentlich benötigen würde. Nicht das Vertrauen um sein Ding durchzuziehen, seinen eingeschlagenen Weg zu verfolgen. Um so auch die Autorität aufzubauen, vielleicht unpopuläre Maßnahmen innerhalb der Mannschaft durchzuziehen. Und ein Anruf bei Jupp Heynckes kann auch nicht länger die finale Lösung sein.

Irgendwie ähnlich verhält es sich auch mit dem Manager. Hasan Salihamidžić funktioniert wohl nur durch seine Loyalität zum Präsidium. Würde er Management-Fehler offen ansprechen, wäre wohl auch er bald Geschichte.

Der versäumte Umbau

Fakt ist, dass der Kader schon etwas überaltert ist. Vor allem die Leistungsträger sind teilweise schon etwas in die Jahre gekommen. Ein personeller Umbau benötigt Zeit und führt klarerweise auch zu Rückschlägen. Diesen nötigen Umbau hatte man sich schon in den letzten Jahren stets verweigert. Im Zweifel wurde – wie beim deutschen Nationalteam – auf die Etablierten gesetzt. Auf die Genieblitze eines Robbens, Ribéry oder die Klasse eines Neuers im Tor. Junge Spieler die nicht in jedem Spiel funktionieren, haben es gerade beim Starensemble an der Isar schwer, die nötige Rückendeckung zu bekommen, um auch einmal einen schlechteren Auftritt abliefern zu können. Auch wenn in Pressekonferenzen eben diese Solidarität literarisch aufgebläht in blumigen Worten verkündet wird, ist die gelebte Realität da meist eine andere.

Die eigenwillige Transferpolitik

So edel es auch ist, dass man in München den Millionen-Transferwahn dieser Tage nicht mitgehen will, so natürlich ist es auch, dass die Kluft zu den ganz Großen so nicht kleiner wird. Bedient man sich vorrangig an den Spielern aus der eigenen Liga wird es für die Meisterschaft reichen. Einerseits wird der Konkurrent geschwächt, andererseits reicht die Klasse um in der Bundesliga zu performen und den Titel abzustauben. Doch für das eigentliche Ziel „Champions League“ reichen diese Namen immer weniger aus, um auch im Mai noch eine Rolle in diesem Bewerb zu spielen.

Aufstrebende Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, junge – gute gescoutete – noch leistbare Stars von Morgen abseits des Radars der Öffentlichkeit oder bei anderen Vereinen verkannte Toptalente fanden zuletzt kaum mehr den Weg in die Stammmannschaft der Bayern. Fertige Stars haben ein zweifellos ordinär hohes Preisschild. Die leistbaren Spieler aus der eigenen Liga können aber für einen Verein mit hoch gesteckten, internationalen Ansprüchen wie den Bayern nicht unbedingt die Lösung sein.

Schönreden und Beschwichtigen

Klar, an einem guten Tag kann man in zweimal neunzig Minuten wohl fast jede europäische Mannschaft fordern – wie zuletzt den späteren Champions-League-Sieger Real Madrid. Mit einer Normal-Leistung sollte auch die Meisterschaft eine (in den letzten Jahren fast lästige) Pflichtübung sein. Doch vorbei sind aktuell die Zeiten, an denen man sich mit der europäischen Spitze auf Augenhöhe duellierte. Ebenso der Bundesligaalltag, an dem sich Nachzügler die Gelbsperren abholten, weil das Spiel schon vor Anpfiff abgeschenkt wurde (Extrem-Beispiel: das abstiegsbedrohte Darmstadt holte sich 2015/16 gleich fünf Gelbsperren vor dem Duell mit dem Rekordmeister ab). Doch der Anspruch nach dem bayerischen Selbstverständnis ist noch immer derselbe wie zu der Hochblüte vor einigen Jahren, als der Kern aus Weltmeistern bestand. So klaffen Anspruch und Wirklichkeit dieser Tage mehr denn je auseinander. Ob man das an der Vereinsspitze wirklich schon kapiert hat?

Wie geht es jetzt weiter?

Ein Trainerwechsel wird es vermutlich die nächsten Tage werden. Eine Transferoffensive vielleicht schon im Winter, bestimmt dann aber im Sommer. Doch langfristig müssten auch Management-Fehler eingestanden und Konsequenzen daraus gezogen werden. Nur wenn auch an der Spitze des Vereins die Schönfärberei einer beinharten Analyse Platz macht, wird der FC Bayern wieder den Weg Richtung eigenem Selbstverständnis einschlagen können. Durchhalteparolen, Ausreden oder der offensive Gang auf Kritiker werden nur zu einem „weiterwursteln“ wie bisher führen. In der dann die Meisterschaft – wenn nicht eine Mannschaft eine Übersaison abliefert – wieder gefeiert werden wird. Die Feier am Rathausplatz dann aber wieder vom Out in der Königsklasse überlagert wird.

Werner Sonnleitner, abseits.at

Werner Sonnleitner

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