Der SCR Altach trifft morgen im Rahmen der Europa-League-Qualifikation auf die KAA Gent. Der belgische Meister von 2015 ist hierzulande für die breite Masse... Ein Vorbild für österreichische Top-Klubs: Das ist die KAA Gent

Der SCR Altach trifft morgen im Rahmen der Europa-League-Qualifikation auf die KAA Gent. Der belgische Meister von 2015 ist hierzulande für die breite Masse noch immer eher unbekannt, auch wenn der Klub in den vergangenen Jahren im Europapokal durchaus achtbare Ergebnisse erzielte. Umso mehr freuen wir uns, dass wir euch diesen spannenden Verein etwas näher bringen dürfen.

Western-Feeling in Gent

Um die Jahrhundertwende machte William Frederick Cody, besser bekannt als Buffalo Bill, mit seiner Western-Show quer durch Europa Tournee und steuerte dabei auch Gent an. Die Zuschauer waren begeistert von den nachgestellten Schlachten und so wählte auch der im Jahr 1900 gegründete Fußballverein KAA Gent einen Sioux-Häuptling als Vereinswappen. Der Verein existierte übrigens schon seit dem Jahr 1864 als Turn- und Leichtathletikclub, die Fußballsektion wurde aber “erst“ 36 Jahre später gegründet.

Was lange währt….

In den ersten Jahrzehnten spielte der Klub keine besonders große Rolle im belgischen Fußball und stieg zwischen der ersten und dritten Spielklasse auf und ab. 1964 gewann der Verein mit dem nationalen Pokal den ersten Titel und wiederholte diesen Erfolg zwanzig Jahre später. Immer wieder gab es finanzielle Engpässe, doch der Klub schaffte es stets dem Konkurs zu entgehen. Ivan De Witte ist dafür hauptverantwortlich, denn der belgische Unternehmer übernahm die Präsidentenrolle im Jahr 1999 als der Klub 23 Millionen Euro Schulden hatte. Durch eine intelligente Transferpolitik stellte er den Verein auf gesunde Beine. Billig kaufen, teuer verkaufen ist das Motto – Voraussetzung dafür ist, dass das Scouting funktioniert, was bei der KAA Gent eindeutig der Fall ist.

Nachdem der Klub in den Saisonen 1954/55 und 2009/10 Vizemeister wurde, durften die Fans in der Saison 2014/15 endlich den ersten Meisterschaftsgewinn feiern – es sei ihnen vergönnt, denn sie haben mehr als 100 Jahre auf diesen Erfolg warten müssen.

Die KAA Gent in Europa

Das erste Ausrufezeichen in Europa setzte der Klub in der Saison 1991/92, als erst im Viertelfinale des UEFA-Pokals gegen Ajax Endstation war. Im Hinspiel erkämpften sich die Belgier noch ein 0:0-Unentschieden, doch das Rückspiel entschied Ajax sicher mit 3:0 fürs sich. Auf dem Weg ins Viertelfinale wurden aber immerhin unter anderem Eintracht Frankfurt und Dynamo Moskau eliminiert.

In den folgenden Jahren war der Klub meistens ein Gast im UI-Cup, scheiterte jedoch immer spätestens in der dritten Runde an teils übermächtigen Gegnern. Die internationalen Erfolge stellten sich jedoch ab der Saison 2010/11 ein, in der sich der Klub erstmals für die EL-Gruppenphase qualifizierte, nachdem im Playoff etwas überraschend Feyenoord besiegt wurde. 2015/16 qualifizierte sich die KAA Gent sogar erstmals für die Champions-League-Gruppenphase und stieg in einer Gruppe mit Olympique Lyon, Zenit Sankt Petersburg und dem FC Valencia in die nächste Runde auf. Im Achtelfinale setze es gegen den VfL Wolfsburg jedoch zwei knappe Niederlagen – finanziell war diese Saison jedoch ein absoluter Erfolg.

In der vergangenen Saison überstanden die Belgier die EL-Gruppenphase und bezwangen im Sechzehntelfinale sogar die Spurs, ehe eine Runde später gegen den KRC Genk das Abenteuer Europa mit einem Gesamtscore von 3:6 ein jähes Ende fand.

Der Star sitzt auf der Bank

Der interessanteste Mann bei den Belgiern sitzt auf der Trainerbank und hört auf den Namen Hein Vanhaezebrouck. Der 53-Jährige war zu seiner aktiven Zeit ein spielintelligenter Libero, schaffte aber nie den Durchbruch zu großen Vereinen. Als Trainer ist er in seiner Heimat aber eine ganz große Nummer und gilt neben Michel Preud’homme als der versierteste Coach im Land. Ivan De Witte meinte unlängst, dass er Vanhaezebrouck, der auf Pressekonferenzen schon mal zwei Bier runterleeren kann, am liebsten einen Vertrag auf Lebenszeit geben würde. Hein Vanhaezebrouck ist es egal wie stark der Gegner ist, er will immer offensiven, dynamischen Powerfußball praktizieren. Am liebsten lässt er ein 3-4-3-System spielen, das er auch schon bei KV Kortrijk in der zweiten Liga als Trainer praktizierte. Er stellte einmal lachend fest, dass viele Medien Guardiolas Einfallsreichtum lobten, als er im Jahr 2008 beim FC Barcelona die Dreierkette implementierte –  er ließ in Kortrijk schon zwei Jahre zuvor ein 3-4-3 mit ähnlichen Ideen spielen.

In seinem 3-4-3-System finden sich allerdings fließende Übergänge und die Grundausrichtung ändert sich laufend. Vanhaezebrouck ist kein Freund von großen Zahlenspielen und versucht seine Spieler so zu trainieren, dass sie instinktiv wissen, was sie zu tun haben. Prinzipiell stellt er drei Innenverteidiger ins Abwehrzentrum, allerdings betont er, dass eben manchmal drei, manchmal vier und manchmal fünf Spieler die Abwehrkette bilden. Seine Mannschaft soll spielerische Lösungen finden, offensiv denken und mit viel Dynamik die Angriffe vortragen.

Kaum Abgänge – im Unterschied zu letztem Sommer

Diese Transferperiode musste die KAA Gent im Gegensatz zum letzten Sommer keine Schlüsselspieler abgeben, konnte dafür sogar neue interessante Spieler verpflichten und das Team weiter verstärken. Mit Thomas Foket fehlt den Belgiern ein wichtiger Spieler, dem wir an dieser Stelle alles Gute wünschen wollen. Serie A-Klub Atalanta hatte Interesse am Rechtsverteidiger, entdeckte bei den medizinischen Tests allerdings einen Herzfehler. Foket wurde bereits erfolgreich operiert und soll, wenn der Genesungsprozess wie erhofft voranschreitet, im Jänner 2018 wieder seinem Beruf nachgehen können.

Der interessanteste Neuzugang ist Franko Andrijašević, der von Salzburg-Gegner HNK Rijeka verpflichtete wurde.  Der offensive Mittelfeldspieler war in der vergangenen Saison der beste Spieler der kroatischen Liga und erzielte 16 Tore und 5 Assists. Mit Lior Inebrum, Mamadou Sylla und Damien Marcq wurden weitere interessante Akteure verpflichtet – doch dazu gleich mehr.

Ein Riese im Tor

Im Tor der Belgier steht mit Lovre Kalinić ein wahrer Hüne, der vom Spielstil nicht nur aufgrund seiner Größe ein wenig an Thibaut Courtois erinnert. Kalinić ist mit seinen 2,01 Metern sogar um zwei Zentimeter größer als der Chelsea-Tormann und absolvierte bislang neun Länderspiele für Kroatien. Der langjährige Tormann von Hajduk Split wurde 2015 und 2016 zum besten Goalkeeper der kroatischen Liga gewählt und zeigte auch im ersten Halbjahr bei der KAA Gent fantastische Leistungen.

KV Kortrijk als Abwehrschmiede

Im Abwehrzentrum ist Rami Gershon gesetzt, der insgesamt 25 Länderspiele für Israel absolvierte in denen er zwei Treffer erzielte. Trainer Vanhaezebrouck kannte den Innenverteidiger, der auch auf der linken Abwehrseite zum Einsatz kommen kann, schon von seiner Zeit beim K.V. Kortrijk. Gershon gilt als kompromissloser, schneller Abwehrspieler, der mit dem Ball am Fuß auch durchaus etwas anfangen kann.

Neben Gershon versäumte der ehemalige Freiburger Stefan Mitrović vergangene Saison fast keine einzige Partie. Mitrović ist aktueller serbischer Nationalspieler und stand im Oktober 2016 beim 3:2-Sieg über Österreich über 90 Minuten lang am Platz. So wie  Gershon spielte auch er unter Coach Vanhaezebrouck eine Saison bei K.V. Kortrijk, bevor er zu Benfica wechselte, wo er sich jedoch nicht durchsetzte. Nach Stationen bei Real Valladolid und dem SC Freiburg wurde er schließlich an Gent ausgeliehen und fix verplfichtet.

Auch Samuel Gigot hat eine Vergangenheit bei KV Kortrijk, allerdings wechselte er erst dorthin als Vanhaezebrouck gerade zur KAA Gent ging. Der französische Innenverteidiger fiel jedoch mit starken Leistungen bei Vanhaezebroucks Ex-Verein auf und benötigte nach seinem Transfer auch in Gent keinerlei Anlaufzeit.

Die Abwehrspieler Thomas Foket und Noël Naby Soumah fallen verletzt aus, der Innenverteidiger William Troost-Ekong, der letzte Saison immerhin achtmal in der Meisterschaft zum Einsatz kam, wurde an Bursaspor verkauft. Jérémy Taravel kehrt nach seiner Leihe vom FC Sion zum Verein zurück, allerdings wird man erst sehen müssen, ob der 30-Jährige noch eine Rolle bei der KAA Gent spielen wird.

Viel Talent auf den Außenbahnen

Nana Asare kann entweder als linker Außenverteidiger bzw. Wingback auflaufen, oder auch im Abwehrzentrum agieren. Asare wechselte 2013 vom FC Utrecht zu seinem momentanen Arbeitgeber und absolvierte seitdem 131 Spiele für Gent. Asare ist ein sehr schneller und mannschaftsdienlicher Spieler, der insgesamt fünf Länderspiele für Ghana absolvierte. Neu in der Mannschaft ist zudem Linksverteidiger Deiver Machado, der vom Millonarios F.C. aus Kolumbien verpflichtet wurde.

Eine Station weiter vorne haben die Belgier mit Moses Simon ein Juwel in ihren Reihen, bei dem Präsident Ivan De Witte das große Geld wittert. De Witte prophezeit dass der Linksaußen, der vom AS Trenčín verpflichtet wurde,  einmal um rund 20 Millionen Euro den Verein verlassen wird. In der vergangenen Saison erzielte der 22-jährige Nigerianer, der auch als hängende Spitze spielen kann, immerhin fünf Treffer in 31 Spielen. Hier haben wir ein paar Szenen des schnellen und dribbelstarken Spielers für euch:

Der 23-jährige Kenny Saief ist aufgrund einer Verletzung keine Option, allerdings stehen mit Lior Inbrum und Aboubakary Koita zwei weitere ganz junge Spieler für die Zukunft bereit.

Auch auf der rechten Seite findet sich ein riesiges Talent, das den Weg vom AS Trenčín nach Gent fand. Samuel Kalu werden die meisten Rapid-Fans noch kennen, denn der erst 18-Jährige Nigerianer ließ gegen die Hütteldorfer in der Europa League immer wieder sein Können aufblitzen und war einer der auffälligsten Spieler. Er wechselte Anfang des Jahres nach Gent und absolvierte bislang 16 Partien, in denen er drei Treffer erzielte.

Kampfkraft und Kreativität in der Zentrale

Der ehemalige Sporting-Nachwuchsspieler Renato Neto ist seit einigen Jahren das Um und Auf im zentralen Mittelfeld bei Gent. Der 25-jährige Brasilianer würde schon längst bei einem Klub in einer Top-Liga spielen, hätte er nicht immer wieder mit Knieproblemen zu kämpfen. So nahm beispielsweise erst diesen Monat Premier-League-Aufsteiger Brighton & Hove Albion nach medizinischen Tests von einer Verpflichtung Abstand.

Neben Neto erspielte sich der defensive Mittelfeldspieler aus Nigeria Anderson Esiti einen Stammplatz in der vergangenen Saison. Der 23-Jährige wechselte von GD Estoril Praia in die belgische Liga und ist eine wahre Kampfmaschine. Der 1,89 Meter große und 85 Kilo schwere Esiti ist im Zweikampf kaum zu überwinden, hat aber auch die Ruhe am Ball und leitet mit viel Dynamik nach Ballgewinn schnelle Angriffe ein. Schaut euch am besten dieses Best-Of-Video von „The Rock“ an:

Der bereits oben erwähnte Neuzugang Franko Andrijašević wird sich über kurz oder lang ebenfalls in die Stammmannschaft spielen, gelingt es ihm nur halbwegs an seine Saison bei Rijeka anzuschließen. Andrijašević ist ein extrem torgefährlicher offensiver Mittelfeldspieler, der sich mit seinen Leistungen einen Platz in der kroatischen Nationalmannschaft erspielte.

Im offensiven Mittelfeld ist auch der 31-Jährige Danijel Miličević heimisch, wobei der Bosnier auch auf den rechten Flügel ausweichen kann. Miličević schießt sehr gefährliche Standards und erzielte in 145 Meisterschaftsspielen in der Jupiler Pro League 25 Tore und 36 Assists!

Ebenfalls eine Option ist der 26-jährige Belgier Brecht Dejaegere, der im Jahr 2013 vom K.V. Kortrijk nach Gent wechselte. In der vergangenen Saison blieb er ein wenig hinter den Erwartungen seines Trainers zurück, nachdem er in den Saisonen 2014/15 und 2015/16 sehr starke Leistungen ablieferte.

Die Sturmspitzen

Mit seinen 1,97 Metern ist Kalifa Coulibaly natürlich in erster Linie ein Spezialist für hohe Bälle – und er erzielt auch die meisten seiner Treffer per Kopf. Der 25-jährige Stürmer aus Mali verfügt aber trotz seiner Größe über eine recht gute Technik, auch wenn er in manchen Situationen ein wenig unbeholfen aussieht. In der vergangenen Saison steuerte er in der Meisterschaft acht Tore und drei Assists bei. Letzten Monat erzielte er im 10. Länderspiel für Mali zudem seinen ersten Treffer.

Ein gänzlich anderer Stürmertyp ist der Japaner Yuya Kubo, der im Winter von den Young Boys Bern nach Gent wechselte. Der 23-jährige Nationalspieler schlug sofort ein und schoss elf Tore in 17 Meisterschaftspartien.  Kubo, der auch als hängende Spitze oder im offensiven Mittelfeld eingesetzt werden kann. Kubo ist extrem schnell, trickreich und zumindest in den letzten Monaten kalt vor dem gegnerischen Tor. Dazu kommt, dass er sich mit Coulibaly sehr gut ergänzt und sich die beiden am Spielfeld gut verstehen.

Jérémy Perbet, der in der vergangenen Saison zehn Meisterschaftstore erzielte, wechselte im Sommer zum FC Brügge. Neu in der Mannschaft ist dafür der 23-jährige Senegalse Mamadou Sylla, der lange Zeit in der B-Mannschaft von Espanyol auf Torjagd ging und in der vergangenen Saison für die Sportvereinigung Eupen zwölf Treffer erzielte.

Fazit

Die KAA Gent verfügt nicht nur über einen großartigen Trainer, sondern auch über einen bärenstarken Kader, den sich der Verein mit den Erlösen aus der CL-Teilnahme 2015/16 und einer extrem klugen Transferpolitik leisten kann.  Sieht man sich KAA Gent an, dann bekommt man ein Gefühl dafür, was für die österreichischen Top-Klubs theoretisch machbar wäre.

Stefan Karger, abseits.at

Stefan Karger

Keine Kommentare bisher.

Sei der/die Erste mit einem Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert