75.000 Euro Geldstrafe, ein Geisterspiel unbedingt. Zudem droht die UEFA mit einem einjährigen Ausschluss aus internationalen Bewerben im Wiederholungsfall. Das heutige Urteil der UEFA... Strafen für Rapid und PAOK: Wie verhältnismäßig sind die Sanktionen der UEFA?

75.000 Euro Geldstrafe, ein Geisterspiel unbedingt. Zudem droht die UEFA mit einem einjährigen Ausschluss aus internationalen Bewerben im Wiederholungsfall. Das heutige Urteil der UEFA traf Rapid wie ein Dampfhammer und die Hütteldorfer müssen ihre Hoffnungen auf Milderung in den Schoß des Berufungsgerichts legen. Aber ist diese Strafe gerechtfertigt? Und wie hoch sind ebendiese Chancen auf Milderung?

Es wird aktuell viel darüber diskutiert, wer da in Saloniki eigentlich „begonnen“ hat und bei wem somit die Schuld zu suchen ist. Überspringen wir an dieser Stelle den Kinderkram: Beide Fangruppen haben „nicht nichts gemacht“ und haben somit Verantwortung zu tragen. Sowohl bei PAOK, als auch bei Rapid trifft dies auf wenige von vielen Fans zu – bei Rapid im Verhältnis auf deutlich weniger.

Möglicher Millionenschaden für Rapid

Eine Handvoll Rapid-Anhänger sorgte im Toumba-Stadion für den Start der Ausschreitungen. Adrenalinkicks für vielleicht 20 – 30 Leute gefährdeten Hunderte und kosten Rapid im Endeffekt möglicherweise eine siebenstellige Summe. Viel schwerer als die zu erwartende 75.000 Euro Geldstrafe wiegt nämlich das verhängte Geisterspiel, wegen dem Rapid möglicherweise um ein lukratives Gruppenspiel gegen einen attraktiven Gegner umfällt. Was das für den Verein bedeutet ist mit einer kleinen Milchmädchenrechnung – 50.000 Fans im Happel-Stadion multipliziert mit einem durchschnittlichen Kartenpreis von 25€ – gut veranschaulichbar.

Drei Geisterspiele für krisengeschütteltes PAOK

PAOK erwischte es noch heftiger: 150.000 Euro Geldbuße und drei Geisterspiele. Ein existenzbedrohliches Urteil für den ohnehin in schweren finanziellen Problemen befindlichen Klub. Beide Teams können bis Freitag Berufung gegen die Urteile einlegen, dürfen dann auch persönlich bei der UEFA vorsprechen und gerade deshalb hat Rapid noch realistische Chancen auf Strafmilderung.

Strafe steht nicht in Relation zu Anorthosis-Platzsturm oder Besiktas-Geldstrafe

Denn nicht nur externe Beispiele, sondern auch welche aus jüngerer Vergangenheit mit Rapid-Bezug zeigen die Unverhältnismäßigkeit des UEFA-Urteils. Rapid erhielt praktisch dieselbe Strafe wie Anorthosis Famagusta, deren Fans jedoch ein Heimspiel unterbrachen, sodass es beendet und strafverifiziert werden musste. Nach dem Europa-League-Gruppenspiel Rapid – Besiktas Istanbul im Happelstadion vor zwei Jahren erhielt der türkische Verein 50.000 Euro Geldstrafe, weil die mitgereisten Fans bengalische Feuer in mit Rapid-Fans gefüllte Sektoren warfen. Von Geisterspiel war jedoch keine Rede.

Wenn dann Strafmilderung für beide

Auch wenn Rapid herzlich egal sein kann, was mit PAOK passiert, muss man im bevorstehenden Berufungsverfahren darauf hoffen, dass auch die Sperre der Griechen von drei auf zwei unbedingte Geisterspiele reduziert wird. Nur wenn es beiden Teams zugestanden wird, eines der verhängten Geisterspiele zur Bewährung auszusetzen, hat man Chancen auf Milderung. Allerdings wird diese Hoffnung durch das Gegenüber PAOK nicht gerade geschürt, denn die Griechen haben im heimischen Toumba-Stadion keine unbekannte Vorgeschichte der Gewalt. Andererseits ließ sich Rapid auf europäischer Bühne in den letzten Jahren nie etwas zu Schulden kommen. Einerseits zahlt Rapid also wegen weniger Fans drauf, andererseits wegen des berüchtigten Gegners. So scheint es jedenfalls die UEFA zu sehen.

Was vor der Schüssel passiert, ist wurscht…

Allgemein ist die UEFA aus typischen Gründen für dieses Urteil zu kritisieren, da der europäische Verband komplett ausklammert, was außerhalb des Stadions passierte. Dort spielten sich nämlich kriegsartige Szenen ab, die sich als wesentlich gefährlicher erwiesen als die Vorkommnisse im Stadion selbst. Diese jedoch wurden im Urteil der UEFA nicht berücksichtigt. Die offizielle Begründung für die PAOK-Strafe lautet: „PAOK wurde wegen des Fehlverhaltens seiner Fans – Ausschreitungen, Stürmen des Platzes, Entzünden und Werfens von Gegenständen und Feuerwerkskörpern – sowie mangelhafter Organisation bestraft.“

UEFA schaut auf TV-Zuseher und Sponsoren – nicht auf die echten Probleme

Nicht nur, dass diese Urteilsbegründung ein Freibrief für Ausschreitungen rund um das Stadion ist, macht es das Strafenverhältnis zwischen Rapid und PAOK noch unverhältnismäßiger. Der UEFA ist es – solange niemand außerhalb des Stadions getötet wird – egal, was auf den Straßen passiert. Was zählt ist die reibungslose Abwicklung dessen, was TV-Zuseher und Sponsoren auf die Couch serviert bekommen. Gegenüber den Konsumenten des TV-Vertrags und denjenigen, die ihn finanzieren, hat die UEFA nämlich weitaus höhere Verantwortung bzw. Lust auf Verantwortung, als gegenüber dem chaotischen Fan der sich vor dem Stadion mit einem anderen Anarcho den Schädel einschlägt. Dass bei Ausschreitungen wie VOR dem Toumba-Stadion auch sehr viele Unschuldige zum Handkuss kommen können, sollte klar sein und muss mindestens ebenso strikt verurteilt werden, wie die Vorkommnisse innerhalb des Stadions. Doch mit „richtigen Problemen“, wie etwa dieses eines ist, wollte sich die Bonzenriege um UEFA-Boss Michel Platini schon in den letzten Jahren nie herumschlagen…

Raus mit allen Toumba-Aggressoren

So oder so muss die grün-weiße Vorgehensweise nach Beendigung des Berufungsverfahrens klar sein: Lebenslang raus mit all denjenigen, die im Toumba-Stadion Leuchtraketen in andere Sektoren schossen oder warfen. Natürlich wurden Rapids Fans in der Stadt Thessaloniki von PAOK-Krawallmachern angegriffen und die Situation war für alle Mitgereisten keine schöne. Aber die „Antwort“ darauf im Stadion zu geben, als wäre man mit den gegnerischen Fans im Krieg und müsse ein Spiel der bekannt strikten UEFA als Schlachtfeld nutzen, ist nicht nur ausnehmend dumm, sondern auch inakzeptabel. Sich an den Schuldigen schadlos zu halten, wird aufgrund des hypothetischen Schadens nicht möglich sein. Schließlich würde der Einzug in die Gruppenphase nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ein ausverkauftes Happelstadion bedeuten.

Einhergehender Teufelskreis muss Rapid egal sein

Die mit Sicherheit verfolgte Vorgehensweise die Aggressoren aus dem Toumba-Stadion lebenslang aus heimischen Stadien zu verbannen, führt Rapid jedoch wieder in einen Teufelskreis. Solidarische Fans werden die „Ausgesperrten“ über lange Zeit feiern, in den Augen des harten Kerns wird die Schuld immer bei PAOK liegen und sämtliche durch den Verein verhängte Strafen werden kategorisch abgelehnt. In diesem Fall egal, denn wenn eine Handvoll Auswärts(!)fans womöglich für einen Schaden in Millionenhöhe sorgt, muss hart durchgegriffen werden. Die Vorfälle vom Wiener Derby am 22.Mai 2011 zeigen, dass Rapids Leitung die Toleranz auf ein Nulllevel hinunter schrauben muss, um derartige Zustände zu verhindern. Jetzt erst Recht und so hart es nötig ist!

Ausscheiden käme „billiger“ als Aufstieg

Horrorszenarien mit Millionenschaden kommen nur in Frage, wenn Rapid am Donnerstag das Rückspiel gegen PAOK für sich entscheidet. Andernfalls würde das Geisterspiel erst in der nächsten Saison, in der sich Rapid für den Europacup qualifiziert, stattfinden und einen weniger attraktiven Gegner treffen. Das Spiel bzw. Grüner-Tisch-Duell zwischen Rapid und PAOK ist jedoch noch lange nicht vorbei. Am Donnerstag kommt es zum Rückspiel und bereits im Vorfeld der Partie liest man von drohender Gefahr in der Stadt Wien, weil die PAOK-Fans sich dort trotz großen Polizeiaufgebots frei bewegen werden. Auch im Hanappi-Stadion, das bei weitem nicht so weitläufig ist, wie das Toumba-Stadion von PAOK, ist man vor Problemen nicht gefeit.

Auch die profilierungsbedürftigsten Fans müssen sich zusammenreißen!

Fest steht: Wer diesmal Probleme macht, fliegt aus dem Wettbewerb. Daher gilt das Motto „der G’scheitere gibt nach“. Denn sollten etwa die PAOK-Fans während des Spiels in Wien Probleme machen, könnte der Ausgang des Rückspiels bereits nach weniger als 90 Minuten obsolet sein. Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen, aber man muss angesichts der Umstände und des aufgestauten Hasses vom vergangenen Donnerstag mit allem rechnen.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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