Spannend war‘s, schön war‘s. Die Gruppenphase ist vorbei und die qualifizierten Teams müssen die nächste Hürde auf dem Weg zum Pokal nehmen. Große Verlierer... Die WM und ich – Gruppenphase

FIFA Weltmeisterschaft Brasilien 2014Spannend war‘s, schön war‘s. Die Gruppenphase ist vorbei und die qualifizierten Teams müssen die nächste Hürde auf dem Weg zum Pokal nehmen. Große Verlierer gibt’s schon jetzt, aber auch „übliche Verdächtige“ müssen sich aus dem Staub machen. Begleitet wird diese Weltmeisterschaftsendrunde von Demonstrationen (die nur mehr wenige wahrnehmen), FIFA-Regeländerungen (die, die meisten wahrnehmen) und den altbekannten Hopplas (die, die fast alle lustig finden). Gleich zu Beginn konnte man einer Demontage beiwohnen: Ausgerechnet die Flachländler aus Holland, WM-Vizekönige ’10, sägten den Thron der Spanier ab. Hier noch einmal das Wichtigste und das Unwichtigste kompakt zusammengefasst.

„It’s coming home, it’s coming home….“

Die „Furia Roja“ wurde erst im letzten Gruppenspiel etwas zorniger. Allerdings war das 3:0 gegen Australien nur mehr ein lauwarmes Grisu-Feuerspucken und kein feuriger Tanz, wie man ihn über Jahre betrieb. Nach dem Ausscheiden in der Gruppenphase wird man die Mannschaft um Casillas, Xavi, David Villa und Co. ins Museum stellen und mit Europameister ’08 sowie Weltmeister ’10 etikettieren. Den bemerkenswerten Erfolgen plus ihrem praktizierten Tiki-Taka wird hoffentlich ein ehrvolles Taj-Mahal-Grabmal gebaut. Die Niederlande spielten taktisch diszipliniert und verlegten sich aufs Reagieren. Van Persie oder „Van Percy“, wie Roman Mählich sagen würde (Stimmt eh fast, der spielt ja in England!), erzielte wohl das bisher schönste Tor des Turniers: Sein Flugkopfball à la Superman ließ die Spanier gleich mit ihrem König abdanken.

England erfüllte seinen Status als „Geh-Heim-Tipp“. Die „Three Lions“ waren bemüht, das war‘s dann aber auch. Bezeichnend dafür: Beim Torjubel zum Ausgleichstreffer gegen Italien verletzte sich der englische Masseur. Joe Hart forderte zwar eindringlich den „f****** ball“, doch auch mit diesem wussten die Briten nichts Zwingendes, so etwas wie Tore, anzufangen. Danach konnten sie den „Bus für die Heimfahrt bestellen“ – ORF-Pariasek kennt die neueste Technologie: Unterwasserfahrt mit British Seaways. Jetzt ist es egal, dass es zu wenig Kondome im Teamhotel gab.

Auch die Italiener mussten den Hut nehmen. Cesare Prandelli, ein Gentleman, bot nach dem Ausscheiden sofort seinen Rücktritt an. Warum geht das nicht öfter in Italien, Silvio? Italien gegen Uruguay sowie gegen Costa Rica – war „immobile“: Schwerfällig und kreativlos. Kaum zu glauben, denn die Südeuropäer hatten gegen die Briten stark begonnen und deponierten so die Anwartschaft für ganz oben. Schmunzelnd meinten Witzbolde, dass die Stiefel-Kicker eh schon ihre Mammas vermisst hätten: „Heim-Weh-M“.

Gastgeber Brasilien begann mit einem starken Auftreten, motiviert und kompakt als Einheit – so sah es bis zur Hymne aus und dann fing das Eröffnungsmatch gegen Kroatien an. Fans und Mannschaft verlängerten den Lobgesang auf ihr Heimatland zwar künstlich, machten dann aber nicht unbedingt einen sicheren Eindruck. Als Weltmeister ante portas gibt sich der Hausherr bislang auch nach weiteren Gruppenspielen (noch) nicht.

Die Kroaten hatten Pech. Zunächst zeigten sich die Brasilianer großzügig und schossen ins (eigene) Tor. Schiedsrichter Nishimura pfiff danach aber einen mehr als fragwürdigen Elfmeter und entschied so das Spiel. Zum Drüberstreuen knipsten Paparazzi die ost-europäischen Teamkicker beim entspannten Nacktbaden: Das Aus der Pressekonferenzen im Teamcamp.

Apropos Referee: Mehr FIFA-Technik sollte nicht gleichbedeutend mit „Hirn-Abgabe“ stehen. Die freundlichen Herren mit den Karten leisteten sich schon den ein oder anderen groben Schnitzer. Gerade bei Nishimura hatte man das Gefühl, er hätte Angst nach einer pro-kroatischen Entscheidung in den Favelas gesteinigt zu werden. Mit seinem strittigen Elfmeterpfiff kann der Japaner jetzt aber unbehelligt als „Boy from Ipanema“ über den Strand von Rio marschieren. Auf gut Deutsch: „Ich pfeife nicht nach ihrer Tanze!“

Die (fußballerisch nicht anwesenden) Kanadier lieferten aber den besten Beitrag zum Thema Schiedsrichter: Assistent Joe Fletcher erwartete vor dem Match Spanien vs. Chile einen Handschlag von Fifa-Funktionär Anthony Baffoe. Als der ausblieb, fuhr sich Fletcher durch die nicht vorhandene Haarpracht. Casillas fand‘s zum Lachen – dieses Intermezzo blieb aber seine einzige Zwerchfellreizung an diesem Abend. Alles Weitere – siehe oben!

Du bist nicht du, wenn du hungrig bist

Luis Suarez wollte seinen Gegenspieler vernaschen und biss sich dabei fast den Zahn aus. Wahrscheinlich ersehnte der Liverpool-Stürmer nur eine Korrektur seines Überbisses. Jetzt hat er vier Monate Zeit um doch den Zahnarzt aufzusuchen. Einige sehen in Suarez „Knabbereien“ ein dental-mentales Problem: „Wenn man Menschen beißt, ist es Zeugnis mangelnder Impulskontrolle“, sagt Kurt Kotrschal, Zoologe und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle. Der Uruguayer rettete seinem Team den Achtelfinal-Aufstieg und wurde bereits in der Heimat à la Karl Schranz 1972 feierlich empfangen.

„Schland“ erwartet den ersten Titel seit Ewigkeiten: Thomas Müller trifft alles, selbst das Mittagessen wurde nach dem Auftaktsieg gegen Portugal „zerschossen“. Die Euphorie kannte nach dem 4:0 keine Grenzen, das Spiel gegen Ghana aber schon. „Opa“ Klose rettete den Deutschen den Punkt und katapultierte sich ex aequo mit Ronaldo zum WM-Rekordtorschützen. Kurios: Der Brasilianer Ronaldo erzielte seinen 15. Treffer gegen Ghana 2006 in Deutschland – Klose traf in Brasilien 2014 gegen Ghana. Nur für Kevin „Döner“ Großkreutz war die WM bisher „ohne alles“: Er durfte in keinem Gruppenspiel auflaufen. Zuvor hatte ihn der DFB selbst auch noch auf sein „Revier-Markieren“ in einer Berliner Hotellobby angesprochen: „Da bleibt man die komplette WM nicht mit cool.“ Die Reaktion des Dortmunder Kickers darauf war aber äußert souverän und erwachsen.

Superstar Cristiano Ronaldo musste nicht nur die 0:4-Schlappe gegen die DFB-Elf einstecken, sondern bekam überdies den Naseninhalt von Teamchef Löw in die Hand geschmiert. Beim Abklatschen tätschelte der Deutsche zudem aufbauend das Handerl des Goldfußes aus Madeira. Abgesehen davon ist diese WM bisher eine Endrunde der Stars: Neymar, Messi und der amtierende WM-Torschützenkönig Thomas Müller haben je vier Tore erzielt. Ein anderer Held war auch dabei: Zlatan Ibrahimovic – wird das WM-Finale ‘14 garantiert nicht verlieren, er (und seine Schweden) schauen nur zu.

Schaum vorm Schuh

Butangas ist momentan der beste Freund des Referee. Mit dem sogenannten „Freistoßspray“ sollte eigentlich nur das Vorlegen des Balles bzw. die nachträgliche Veränderung der Mauer verhindert werden. Mehr Fairness und mehr Tore möchte die FIFA so erzwingen. Schiedsrichter Solis veredelte unabsichtlich auch die Schuhe einiger mexikanischer Kicker: Keine Angst, er will nur spielen! Das diese Prozedur (das Markieren des Rasens) wichtig ist, beweist die freimütige Aussage eines Ex-Spielers und jetzigen Trainers: „Ich sage meinen Spielern immer, sie sollen, wenn der Schiedsrichter beim Freistoß die Mauer eingerichtet hat und sich umdreht, auf Zehenspitzen und in kleinen Trippelschritten gut einen halben Meter vor gehen.“, lautet die Fair-Play-Anweisung von Walter „Schoko“ Schachner.

Sportlich überraschte ansonsten besonders Costa Rica. Die japanischen Fans präsentierten sich von ihrer Schokoladenseite und räumten auf, bevor sie das Stadion verließen. Zuvor hatte sich die fernöstliche Nationalmannschaft schon selbst aus dem Weg geräumt: Alle asiatischen Teams müssen nach drei Spielen den Rückflug antreten.

Ezequiel Lavezzi verstand die Anweisung seines Coaches, er solle spritziger agieren, offensichtlich miss. Er spritzte eine Wasserfontäne nach dem argentinischen Teamchef. Miguel Herrera, seines Zeichens Trainer der Mexikaner, ist so emotional, dass Oliver Polzer diesen Unterschied durch besonders provokante Prognosen („Aufgegeben wird höchstens eine Email!“) und herzhafte Schreierei egalisieren muss. Aber wer sich über die leidenschaftlichen ORF-Kommentatoren aufregt, kann gerne zu einem Schweizer Sender umschalten. Dort geht’s dahin, wie auf dem Kinderkarussell.

Frankreich spielt geeint („Formez vos bataillons!“) und gut. Belgien, der heimliche Favorit Vieler, schraubte sich durchwachsen nach vorne. Auch Kolumbien gilt als geheimer Anwärter auf den Pokal. Dort kickt James Rodriguez, ein 22-jähriger Kreativspieler vom AS Monaco. Der Taktgeber im Spiel der Südamerikaner öffnet im wahrsten Sinne des Wortes Tür und Tor zum Achtelfinaleinzug seiner Mannschaft. Er erschließt Räume und sorgt so für erfrischenden Angriffsfußball. Rodriguez ist wohl der „beste“ Spieler der WM-Gruppenphase 2014 – Gefällt!

Und was ist viel besser als in Südafrika ’10? Keine nervige Dauerbeschallung durch Vuvuzelas, sondern wunderbare – großteils voreingenommene- einheimische Zuschauer. Improvisierter Karneval und Demos, die fast keinen mehr interessieren. Letzteres ist schlecht. Inwieweit sich die Weltmeisterschaft für das Land und die Volksgemeinschaft Brasilien ausgezahlt hat, wissen wir erst in einigen Wochen. Was ist noch schlecht? Die FIFA hält uns Bilder von lustigen Flitzern vor. Ein Schelm, wer böses denkt – zieht der Weltfußballverband doch selbst oft genug blank.

Die Hitze? Einzig und alleine die Briten mussten mit Krämpfen (und dem eigenen Missgeschick) kämpfen. Zwar klagten auch die italienischen Teamkicker über Hitzehalluzinationen, die befürchteten „Steh-Spiele“ blieben uns bisher aber erspart. Die Spieler rannten soweit die Beine sie trugen und auch genug Mannschaften aus den kühleren Teilen der Welt mischen noch mit.

Das einzig Störende an dieser Weltmeisterschaft ist, dass sie eh schon wieder fast vorbei ist.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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