Vor drei Jahren lautete die Devise: „Allez la France“. Der kontinentale Kick-Champion wurde bei der Euro 2016 in Frankreich ermittelt. Schlussendlich endete das Turnier... Frankreich drei Jahre danach – Die Euro-Stadien im Weltmeisterland

Vor drei Jahren lautete die Devise: „Allez la France“. Der kontinentale Kick-Champion wurde bei der Euro 2016 in Frankreich ermittelt. Schlussendlich endete das Turnier für die österreichischen Fans in einer Entäuschung, für Cristiano Ronaldo und Co dagegen in einem vollen Triumpf. Aber wie sah es mit der Stadien-Landschaft aus? Was wurde investiert, was blieb von den Wettkämpfen? Insgesamt fand die 15. Fußball-Europameisterschaft in zehn Stadien statt. Mit dem erstmals erhöhten Teilnehmerfeld, den insgesamt 51 Partien zwischen den 24 Nationen, war es die größte Endrunde aller Zeiten.

Paris Saint-Denis (Stade de France, bestehend, 5 Spiele, 81.338 Plätze)

Das Stadion im Norden von Paris wurde um insgesamt 407 Millionen Euro für die Weltmeisterschaft 1998 errichtet und gilt auch jetzt, zwei Jahrzehnte später als modernes Nationalstadion des Landes. Es bestand kein Grund für einen großen Umbau. Ähnlich wie in vielen anderen Ländern wird es nicht von einem lokalen Verein bespielt, sondern dient Nationalmannschaften unterschiedlicher Sportarten als Heimstätte. Die Tribünen im Unterrang sind beweglich, damit ist man flexibel und kann beispielsweise Platz für die Leichtathletikbahnen schaffen. Nach den Terror-Anschlägen vor dem Stadion rund um das Länderspiel gegen Deutschland, wurden vorm Turnier allgemein und fürs Finale im Speziellen vermehrte Terrorvorkehrungen getroffen. So wurden in der Nacht vor dem Finale die Fluchtlichter im Stadion angelassen, mit dem Resultat, dass beim Finale tausende Motten das Bild in der sonst perfekt durchgetimten Veranstaltung etwas crashten. Die Multifunktionsarena bietet laufend Veranstaltungen, meist der gehobeneren Sorte. Ob Motocross-WM oder U2, ob Rugby Six Nations Turnier oder IAAF Diamont League – das „Stade de France“ ist das prunkvolle Aushängeschild für die Hauptstadt der stolzen Nation.

aktuelle Nutzung: Nationalstadion

Marseille (Stade Vélodrome, renoviert, 6 Spiele, 67.394 Plätze)

Die Stadionerweiterung auf 67.000 Plätze ging in Marseille bei laufendem Spielbetrieb vonstatten, kostete kolportierte 250 Millionen Euro und dauerte rund drei Jahre. Die eindrucksvolle Dachkonstruktion wurde zum Markenzeichen des traditionsreichen „l’OM“. So mauserte sich das generalsanierte, ursprünglich 1937 errichtete Stadion zum zweitgrößten und wohl auch zweitwichtigsten Stadion der Nation. Die Fans danken es, Olympique ist schon seit Jahrzehnten der Publikumsmagnet im französischen Vereinsfußball. 2017 machte die Tour de France hier Station, dazu fanden neben Konzerte auch die Endspiele um die europäischen Rugby-Klubtrophäen statt.

aktuelle Nutzung: Olympique Marseille, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 53.012

Lyon (Stade de Lyon, Neubau, 6 Spiele, 58.927 Plätze)

Nichts für schwache Nerven war der der Bau des rein privat finanziertes „Stade des Lumières“. Zwar mit der öffentlichen Baugenehmigung und einer flüssigen Projektkasse ausgestattet, sah man sich mehreren Klagen von betroffenen Bürgerinitiativen ausgesetzt. Der Baubeginn verzögerte sich um eineinhalb Jahre. Erst im November 2013 wurde genau zwei Jahre vor Fertigstellungs-Deadline der UEFA der Spatenstich gesetzt. Trotzdem wurde schlussendlich alles pünktlich fertig. 410 Millionen Euro wurden dabei verbaut. Im neuen Stadion erklang mittlerweile die Champions League Hymne und 2018 stand die Arena wieder im europäischen Fokus. Da bezwang Atlético Madrid im Europa League-Finale Olympique Marseille. Außerdem fanden diesen Sommer dort die entscheidenden Damen-Weltmeisterschaftsspiele statt.

aktuelle Nutzung: Olympique Lyon, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 49.079

Paris (Parc des Princes, renoviert, 7 Spiele, 51.000 Plätze)

Das Prinzenparkstadion war bis 1998 das Nationalstadion Frankreichs. 1897 eröffnet ist es eines der ältesten Stadien des Landes. Der Pariser Prinzenpark wurde für die Euro abermals saniert, hing Langezeit weit dem Zeitplan hinterher. Seit der Eröffnung des „Stade de France“ wird der „Parc des Princes“ nur noch von Paris St. Germain genutzt – mit dessen Gründung 1970 ironischerweise von einem der jüngsten Vereine im französischen Oberhaus. Beim Serienmeister spielen im „Altbau“ jetzt laufend klangvolle Namen auf, für den ganz großen internationalen Coup reichte es aber trotzdem noch nie. Auf ein Champions League Halbfinalspiel wartet man im Pariser Prinzenpark aber seit Anfang der Neunziger. Dafür gab sich das Who-is-Who der Rock-und Pop-Szene hier ein Stelldichein, Paris war für jeden Rockstar eine Wunschdestination, aber nur die Größten schafften es ins – fast hundert Jahre lang – wichtigste Stadion der Stadt.

aktuelle Nutzung: Paris Saint-Germain, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 46.911

Lille (Stade Pierre-Mauroy, Neubau, 6 Spiele, 50.186 Plätze)

Der beabsichtigte Bau einer 50.000er Arena in Villeneuve-d’Ascq – finanziert von der Metropolregion und privaten Sponsoren – wurde über Jahre durch Klagen betroffener Bürger blockiert. Unter dem Druckmittel des „nationalen Interesses“ nahm die Baustelle dann doch noch Fahrt auf und Ende 2012 war das Stadion um 282 Millionen Euro fertiggestellt. Seitdem wird es vom OSC Lille genutzt und erfreut sich regem Publikumsinteresse. Der profitierte vom Schmuckkästchen und setzte zum sportlichen Höhenflug an, der ihn bis in die Champions League führte. Die Arena verfügt als Highlight über ein verschließbares Dach, kann halbiert und so in eine 30.000 Fans fassende Halle umgewandelt werden.  Nun steht in Lille ein hochmoderner Sportkomplex, der auch punkto Nachnutzbarkeit vollends überzeugen kann. So stiegen da schon das Davis-Cup Finale, die Basket- und Handball-Titelkämpfe, Rugbyspiele oder Konzerte.

aktuelle Nutzung: LOSC Lille, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 33.672

Lens (Stade Bollaert-Delelis, renoviert, 4 Spiele, 45.000 Plätze)

In Lens hätte der sportliche (Nicht-)Erfolg des Hausherrn dem Projekt fast einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach dem Abstieg des Racing Club im Sommer 2012 in die Ligue 2 zog die private „Crédit Agricole Nord“ die Bauzusage zurück und wollte sich aus den Vereinbarungen schwindeln. Die Körperschaften sprangen ein, beteiligten sich an den Kosten und so begannen 2014 spät aber doch noch rechtzeitig die – stark reduzierten – Renovierungsarbeiten. Interessant: Das 1933 errichtete und mehrmals umgebaute Stadion fasst mehr Fans als die Stadt Lens Einwohner hat – nämlich deren 37.000 Seelen zählt das Städtchen. Für die Region ist die Arena weiterhin erster Anlaufpunkt bei Popkonzerten.

aktuelle Nutzung: RC Lens, 2. Liga, Zuschauerschnitt: 26.221

Bordeaux (Stade de Bordeaux, Neubau, 5 Spiele, 42.052 Plätze)

Bei der Fußball-WM 1998 wurde in Bordeaux noch im Stade „Chaban-Delmas“ gespielt. Doch für die Euro 2016 vereinbarte die für erlesene Weine berühmte Stadt gemeinsam mit privaten Investoren den Bau eines Stadions nahe dem Pont d’Aquitaine, im Norden der Stadt. Entworfen wurde das Stadion vom gleichen Architektenbüro wie die Münchner Allianz Arena. 2013 war Baubeginn, die Kosten betrugen knapp 200 Millionen Euro. Erstligist Girondins Bordeaux trägt nun dort seine Heimspiele aus, das Stadion ist mit knapp 20.000 ziemlich genau halb voll. Oder halbleer.

aktuelle Nutzung: Girondins Bordeaux, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 20.974

Saint-Étienne (Stade Geoffroy-Guichard, bestehend, 4 Spiele, 41.950 Plätze)

Die 170.000 Einwohnerstadt Saint-Étienne und das dort befindliche „Stade Geoffroy-Guichard“ ist Stammgast wenn es um kicktechnische Großereignisse in Frankreich geht. Bereits bei der EM 1984 und bei der WM 1998 begrüßte man als Ausrichter die Fußballwelt. Vor beiden Turnieren wurde die seit 1931 existierende Heimstätte des AS Saint-Étienne umgebaut. So ersparte man sich eine weiteres Face-Lift für die Endrunde 2016. Mit solidem Erstligafußball und dem ein oder anderen Konzert ist das Stadion weiterhin laufend gut besucht.

aktuelle Nutzung: AS Saint-Etienne, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 28.400

Toulouse (Stadium de Toulouse, renoviert, 4 Spiele, 33.000 Plätze)

Beeindruckend auf einer Insel im Fluss Garonne steht das Stadium Municipal. Für die WM 1938 gebaut, bei der WM 1998 ebenfalls Gastgeber rollte so zum bereits dritten Mal die Lederkugel bei einem Fußball-Turniers auf der Insel. Dafür wurde für 40 Millionen Euro die Arena renoviert.

Neben den Ballartisten des FC Toulouse dominiert das Rugby-Ei im 33.000er-Rund. Drei Rugby-Weltmeisterschaften und die Sportskameraden des lokale Stade Toulousain jagen hier dem Leder-Ei nach.

aktuelle Nutzung: FC Toulouse, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 16.224

Nizza (Stade de Nice, Neubau, 4 Spiele, 35.624 Plätze)

Wie in Lille regte sich Protest der lokal betroffenen Bevölkerung gegen den geplanten Stadionneubau. Auch hier galt, „Nationales Interesse überwiegt“ – so konnte 2013 wurde das 245 Millionen Euro teure Stadion eröffnet werden. Auch hier regiert neben König Fußball Rugby. Die Hinter-Tor-Tribünen lassen sich zurückschieben und im Handumdrehn befindet man sich auf einem rugbytauglichen Spielfeld.

aktuelle Nutzung: OGC Nizza, 1. Liga, Zuschauerschnitt: 19.126

Fazit – Spielorte für Fußballfans

Bei den Spielorten orientierte man sich stark an der Fußball-Weltmeisterschaft 1998. Statt Nantes und Montpellier kamen die Neubauten in Nizza und Lille in die Riege der Ausrichter-Destinationen hinzu. Dazu wählte man Stadien – ähnlich wie in Deutschland 2006 – mit langjähriger Fußballtradition- oder zumindest aktuellem –Potential aus. Neben dem Nationalstadion sind acht der neun Vereinsstadien aktuelle Erstliga-Schauplätze. Einzig der RC Lens fällt als Zweitligist hier aus der Reihe, begrüßte aber trotzdem in der abgelaufenen Saison im Schnitt über 26.000 Fans bei den Heimspielen.

Da Frankreich ohnehin über eine verhältnismäßig hochentwickelte Infrastruktur verfügte, hielten sich die Investitionen in Grenzen. Über offizielle Angaben zu den Gesamtkosten hüllt man sich in Schweigen. Umgekehrt sollen aber alleine direkt durch die Endrunde mehr als eine Milliarde Euro wieder zurückgeflossen sein. Ob die nationale Liga im europäischen Vergleich davon wesentlich profitieren kann, bleibt ob der vorhandenen Rahmenbedingungen – der Abstand zu den momentan wohl außer Reichweite liegenden Top-vier-Ligen und das Auseinanderklaffen der Schere – zu bezweifeln. Auch wenn viele der Weltmeisterhelden außer Lande kicken: Trotzdem erlebt die gut besuchte „Ligue 1“ einen deutlichen Aufschwung, die Zuschauerzahlen stiegen nach der Euro deutlich auf erstmals über 8,5 Millionen Besucher. Gesellschaftlich sind – ob der Gelbwesten-Proteste – solche teuren Veranstaltungen ohnehin immer ein eigenes Kapitel.

Einen Rundflug durch die Stadien findet ihr wieder hier.

Werner Sonnleitner

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