Blenden wir doch mal die zweifellos unsympathische Übernahme der alten Salzburger Austria, den ewigen Vorwurf des „Marketing-Konstrukts“, sämtliche kommerzielle Gedanken und vor allem den... Kommentar: Wie Salzburg eine „Tradition des Erfolgs“ aufbaut

Blenden wir doch mal die zweifellos unsympathische Übernahme der alten Salzburger Austria, den ewigen Vorwurf des „Marketing-Konstrukts“, sämtliche kommerzielle Gedanken und vor allem den Neid auf die makellose Arbeit aus: Was Salzburg gestern gegen Genk und auch in den Ligaspielen davor ablieferte, war faszinierend.

Nachdem mit Austria Salzburg ein großer, österreichischer Traditionsklub vom Red-Bull-Konzern geschluckt wurde, war der öffentliche Aufschrei, nicht nur unter den Fußballpuristen und Romantikern groß. Es war anders als etwa in Leipzig, wo der neu gegründete Konzernklub eher als Chance für eine Region mit Problemen gesehen wurde. Die Akzeptanz in Sachsen war von Beginn an größer als beim „traditionsfressenden Schmuddelbruder“ aus der Mozartstadt, der mit Fortdauer seines Bestehens sogar noch mehr und mehr polarisierte. Sicher aus einem gewissen sportlichen Neid heraus, wurde Salzburg in den letzten Jahren (also seit der Klub über eine Saison hinweg als „unschlagbar“ gilt) zum absoluten Feindbild der restlichen, geneigten Fußballszene, während neutrale Beobachter ob der häufig irren Leistungen beeindruckt sind.

„Tradition kann man nicht kaufen“ steht der Meinung der Gegenseite „Von Tradition könnt ihr euch nichts kaufen“ gegenüber. Klar ist es romantisch, wenn sich Fans von lange bestehenden Vereinen an die erfolgreichen Zeiten zurückerinnern können, als man noch etwas gewann, als die UEFA und die FIFA den Fußball noch nicht überreglementierten und man fürs Fußballerlebnis vor die Tür und nicht vor den Fernseher, den PC oder das Tablet gehen musste.

Aber so hart es für ebendiese Romantiker auch ist: Man kann Red Bull Salzburg, ihre Vereinsgeschichte und sämtliche Nebengeräusche unsympathisch finden, verachten, hassen und irgendwo eben auch beneiden, aber die „Bullen“ bauen gerade ihre ganz eigene Tradition auf. Keine über Jahrzehnte gewachsene, keine mit vergilbten Schwarz-Weiß-Fotos, sondern eine Tradition des Erfolgs und der Kontinuität. Das zeigte nicht nur das gestrige Spiel gegen den belgischen Meister, sondern ist seit einigen Monaten offenkundig. Nachdem der Klub im Zuge der letzten Transferzeit den größten Aderlass der Vereinsgeschichte hinnehmen musste, kam er mit noch mehr Power, noch mehr Qualität, noch mehr – eben auch ins „Marketing-Konzept“ passenden – Typen zurück. Die infrastrukturellen Investitionen und die mehr als klare Linie, die nicht auf Emotionen, sondern auf dem Leistungsprinzip und klaren Aufgaben beruht, verschaffen Salzburg auf nationaler Ebene einen scheinbar uneinholbaren Vorsprung gegenüber der jammernden Konkurrenz.

Aber es ist mehr als das Konzept und auch mehr als die Tatsache, dass Red Bull Salzburg nun mal ausreichend Geld auf der Kante hat, um dieses Konzept ohne Zukunftsängste umsetzen zu können. Das gestrige Spiel gegen Genk zeigte aber auch, dass die Mannschaft von ihrer Spielfreude und ihrem unstillbaren Hunger lebt. Jeder einzelne Spieler wollte den Gegner bis zum Schlusspfiff regelrecht fressen. Noch beim Stand von 6:2 gab es kein arrogantes Ballgeschiebe in der eigenen Hälfte, um Zeit von der Uhr zu nehmen, sondern Pressing, Attacken, Dynamik. Also all das, was Fußballfans von ihrer Mannschaft sehen wollen.

Wenn es bei Fußballmannschaften nicht läuft, ist oft die Rede vom „letzten Schritt, der wehtut“. Würde man den gehen, ginge es wieder bergauf. Bei Salzburg ist der Eindruck aber der, dass nicht einmal dieser letzte Schritt wehtut, sondern den Spielern Freude macht, weil ihn nicht Einzelne, sondern jeder Einzelne geht. Dass dies möglich ist, hat viele Gründe: Etwa die extreme physische Verfassung des Teams, die durch an die Grenzen gehende Medizin- und Athletikabteilungen ermöglicht wird. Aber auch durch das Thema Ernährung, das bei anderen Klubs mit dem Verlassen des Trainingsgeländes endet. Ganz sicher auch durch die Transferpolitik, die nach der Verpflichtung derart hungriger Spieler trachtet. Dass all diese Aspekte auch noch auf einem extrem hohen Level rangieren, ist der finanziellen Überlegenheit geschuldet.

Aber man kann all dies auch im Kleinen – oder zumindest Kleineren – umsetzen. Salzburg gibt die Richtung vor, schützt Gesamt-Österreich durch seine Punkte in der Fünfjahreswertung vor der Bedeutungslosigkeit und zeigt prinzipiell auch den anderen österreichischen Klubs, wie es – jeweils etwas abgewandelt und abgespeckt – gehen würde. Wie bereits erwähnt, kann man den Klub unsympathisch finden, verachten und hassen. Aber wenn man sich zumindest in Bezug auf den „Hunger“ und das 90+-minütige Commitment Fußball zu spielen und zu kämpfen nicht an dieser Mannschaft und in der sonstigen täglichen Arbeit nicht an diesem Verein orientiert, dann ist man am Ende halt leider selber schuld.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen