Am 20. Spieltag der österreichischen Bundesliga gastierte der FK Austria Wien beim Tabellenletzten SV Ried. Für die Wiener ging es dabei um sehr viel,... Analyse: Erneut starkes In-Game Coaching bei Austria-Sieg

Am 20. Spieltag der österreichischen Bundesliga gastierte der FK Austria Wien beim Tabellenletzten SV Ried. Für die Wiener ging es dabei um sehr viel, musste man doch im Kampf um die Meistergruppe vorlegen und diese Pflichtaufgabe erfüllen, um nicht in den verbleibenden beiden Runden ins Hintertreffen zu geraten. Doch auch für die SV Ried war diese Begegnung wichtig, vollzogen die Innviertler doch unter der Woche einen Trainerwechsel und hoffte man nun auf den entsprechenden Effekt beim Debüt von Interimstrainer Senft auf der Bank. Spannung war also im Vorfeld durchaus geboten.

Gute Rieder Anfangsphase dank einer kompakten Pressinglinie

Nach dem deutlichen 3:0-Heimsieg über den TSV Hartberg reiste die Wiener Austria mit einer breiten Brust nach Oberösterreich in der Hoffnung die nächsten drei Zähler einzufahren. Im Vergleich zum letzten Spiel sah man daher auch keinen Grund, gravierende Veränderungen vorzunehmen und vertraute auf die gleiche Startelf.

So blieb auch das System das mittlerweile etablierte 3-4-3, welches man seit der Amtsübernahme von Michael Wimmer praktiziert. Auch die SV Ried vertraut auf eine ähnliche Anordnung unter Ex-Trainer Heinle, weshalb man gespannt war, welche Veränderungen Neo-Trainer Maximilian Senft vornehmen würde. Letztlich waren es nur personelle und man vertraute ebenfalls auf ein 3-4-3/5-2-3 System.

Das hatte für die Rieder sicherlich den Vorteil, dass man trotz der verkürzten Vorbereitung unter dem neuen Übungsleiter, damit das System des Gegners spiegeln konnte, um für einfache und klare Abläufe zu sorgen. So empfing man die Austrianer aus einem 3-4-3, indem Mittelfeldspieler Nutz interessanterweise beim Anlaufen die zentrale Spitze gab und von Lang und Pomer flankiert wurde.

Damit hatte man eine klare mannorientierte Zuordnung auf die drei aufbauenden Innenverteidiger der Austria. Im ersten Schritt überließen die Innviertler den Gästen den Spielaufbau und lauerten. Man baute allerdings einen Pressingauslöser ein, sofern Austria-Kapitän Mühl an den Ball kam. In dem Fall rückte man heraus und attackierte den Spielaufbau des Gegners, um den Rhythmus der Wiener zu brechen und lange Bälle oder Ballverluste zu erzwingen.

Damit attackierte man gezielt eine Schwachstelle der Austria, die mit Mühl einen Rechtsfuß als halblinken Innenverteidiger aufstellt. Man versuchte daher das Spiel in die Richtung von Mühl zu leiten, um dann diese Problemzone anzubohren. Doch auch Austria-Trainer Wimmer ist diese Problematik nicht entgangen und antizipierte schon in der Vorbereitung für dieses Spiel diesen Ansatz der Rieder. Bereits während des Hartberg-Spiels wurde dahingehend reagiert und versucht, diese Thematik zu entschärfen. Der Lösungsansatz für das Spiel gegen Ried sah dann auch ähnlich aus, wobei noch mehr in die Trickkiste gegriffen wurde. Während gegen Hartberg vordergründig Jukic abkippte und Mühl unterstützte, wurde nun Offensivspieler Dovedan interessanterweise auserkoren, in diese Räume auszuweichen und dem violetten Innenverteidiger Mühl eine Anspielstation zu bieten. Dovedan sollte dann aus der halblinken Position den Ball nach vorne tragen und den Spielaufbau unterstützen.

Doch diesmal funktionierte dieser Ansatz nicht ganz nach Plan. Das lag einerseits daran, dass Dovedan im Gegensatz zu Jukic es nicht verstand, Dynamik aus dieser Position zu entwickeln und ins Mittelfeld zu stoßen, andererseits aber dass auch die Rieder im Verlauf darauf reagierten und mit Ungar ein zentraler Mittelfeldspieler auf Dovedan herausrückte, um ihn zu stellen und ihn nicht nach vorne kommen zu lassen. Wie man erahnen kann, entwickelte sich in dieser Region ein kleines Schachspiel zwischen den beiden Teams. Ried wollte diese Problemzone anbohren, während die Austria kontern wollte und vermehrt Ressourcen in diese Region steckte, um Lösungen dagegen zu kreieren.

Jedoch war dies aus Sicht der Austria kontraproduktiv und lähmte bisweilen das Ballbesitzspiel. Es entwickelte sich in der Anfangsphase ein recht starker „Linksdrall“ und man versuchte aus dieser Zone nach vorne zu kommen, was allerdings kaum gelang. Einerseits weil Dovedan nicht effektiv agierte, andererseits, weil auch Flügelverteidiger Polster spielerisch nicht seinen besten Tag erwischte und sich viele Ballverluste leistete. Die Folge war, dass die Austrianer sich schwertaten in ihren Rhythmus zu finden und Sicherheit im Passspiel zu erlangen. Unverständlicherweise vernachlässigte man die starke rechte Seite und versuchte quasi mit dem Kopf durch die Wand, durch die Ketten der Gastgeber zu kommen.

So probierte man auch immer wieder durch sehr enge Passfenster im Zentrum nach vorne zu gelangen und den Spielaufbau zu erzwingen, was allerdings ein hohes Risiko für Ballverluste darstellte. Dadurch kamen die Rieder auch einige Male in gefährliche Umschaltsituationen, nachdem die Austria im Spielaufbau den Ball verlor und die violette Dreierkette die gesamte Defensive abdecken musste, wodurch Ried sehr viel Raum vorfand. Vereinfacht gesagt wirkte das gesamte Auftreten der Wiener unrund und man spielte den Riedern perfekt in die Karten.

Rückstand und Adaptionen wecken Austria auf

Daher hatten die Oberösterreicher einen guten Zugriff auf das Spiel und gewannen nicht nur die Mehrheit der Zweikämpfe, sondern kamen auch gefährlich vor das Tor. Zwar hatte die Austria die erste Topchance nach einem Tabakovic-Kopfball, allerdings war dies nur die Ausnahme. Man belohnte sich dann auch für die gute und engagierte Anfangsphase und Mittelfeldspieler Nutz verwandelte einen Eckball mithilfe von Austria-Torhüter Früchtl direkt zum 1:0 für die Gastgeber. Das sollte den Innviertlern eigentlich Aufwind geben und für Sicherheit sorgen, schien es doch so zu sein, als würde der zurechtgelegte Matchplan wunderbar aufgehen und hätte man die Gäste gut im Griff.

Doch eine der Qualitäten des neuen Austria-Trainers ist zweifellos, dass man bereits früh auf taktische Elemente des Gegners reagieren kann und gegebenenfalls sofort Maßnahmen ergreift. So auch in diesem Spiel, wo Wimmer offensichtlich die Anweisung gab, vom starken Linksfokus abzuweichen und stattdessen strategisch die rechte Seite zu bespielen. Das ist von Haus aus eigentlich die „Lieblingszone“ der Austrianer, hat man dort mit Handl und Ranftl zwei spielstarke Optionen in der Spieleröffnung zur Verfügung.

Zusätzlich bekam hier auch Jukic erneut die Anweisungen, die Bemühungen über die rechte Seite zu unterstützen und erneut in diese Zone auszuweichen, um den Aufbau unter die Arme zu greifen. Dadurch konnte man nun diesen Raum auf der rechten Seite überladen und Überzahl schaffen, um den Spielaufbau anzukurbeln und in die gegnerische Hälfte zu gelangen. Man lockte daher das Pressing der Rieder auf Mühl an und versuchte dann schnell die Seite zu verlagern und die Überzahl in dieser Zone auszunutzen.

Das schlug auch prompt Früchte, denn nach einem Dribbling von Handl kam der Ball anschließend zu Jukic auf die rechte Seite, der den in die Tiefe startenden Tabakovic bediente und dieser dann mit einem tollen Abschluss das 1:1 besorgte. Nach dem Ausgleich wirkten die Austrianer wesentlich gefestigter und ausbalancierter. Der Spielaufbau funktionierte und man kam endlich spielerisch durch die erste Pressinglinie der Gastgeber.

Immer öfter konnte man hier das 3-4-3 der Rieder entblößen und die Freiräume bespielen, denn sofern das Pressing der Innviertler ausgelöst wurde und alle Mannschaftsteile nach vorne rückten, mussten die drei Innenverteidiger große Räume abdecken. Das war auch beim Ausgleichstreffer zu sehen, wo die drei Innenverteidiger der Rieder, die gesamte Breite des Feldes abdecken mussten und die Violetten das bestrafen konnten.

Solange Ried mit der hohen Abwehrlinie und der guten ersten Pressinglinie Zugriff auf den Aufbau der Austria hatte, stand man in der Defensive recht gut. Gelang es den Violetten jedoch sich durch die erste Pressinglinie zu kombinieren, wurde es brenzlig für die Gastgeber. Wie man sieht, ein Ritt auf der Rasierklingel, was ein hohes Maß an Konzentration und der richtigen Entscheidungsfindung bedarf. Da es gegen Ende des ersten Durchgangs den Gästen immer öfter gelang, Lösungen zu finden, kippte das Spiel immer mehr in Richtung der Austria, ging es jedoch vorerst mit einem 1:1 in die Halbzeitpause.

„Veilchen“ spielen Überzahl gekonnt aus

Ehe man nach dem Wiederanpfiff taktische Anpassungen richtig beurteilen konnte, brachte Rieds David Ungar einiges durcheinander und sorgte mit einem brutalen Einsteigen für einen Schlüsselmoment in dieser Partie, der zum Platzverweis für den Mittelfeldspieler führte. Damit hatte die Austria nun beinahe den gesamten zweiten Durchgang einen Spieler mehr, was die Siegchancen klarerweise drastisch erhöhte. Dennoch kann man nicht von einer „gmahten Wiesn“ sprechen, gibt es doch genug Beispiele dafür, wie sich Mannschaften selbst in Überzahl schwertun (wie etwa der LASK gegen die WSG). Die Rieder stellten nach dem Platzverweis ihr System auf ein 4-4-1 um und versuchten, mit zwei kompakten Viererketten die eigene Spielhälfte zu verschließen und dem Gegner vom eigenen Tor fernzuhalten.

Die Austria verstand es jedoch recht rasch, dieses 4-4-1 passend zu bespielen und einen hohen Druck auf den Gegner zu entwickeln. Das 3-4-3 fächerte in dem Fall sehr breit auf und die beiden Flügelverteidiger Ranftl und der eingewechselte Leidner rückten weit nach vorne, wodurch sie de facto wie Flügelstürmer agierten. Das gab dem Spiel die nötige Breite, während Dovedan und Fischer einrücken konnten und im Zwischenlinienraum lauerten.

Vor allem Leidner belebte wie bei seinen bisherigen Einwechslungen das Offensivspiel der Violetten auf signifikante Art und Weise und übte mit seiner Dynamik viel Druck über die linke Seite aus. Dadurch war das Spiel der Austria recht ausbalanciert, denn machte Ried die Mitte zu, spielte man über die Flügel und bediente Zielspieler Tabakovic mit Flanken, versuchten die Gastgeber die Flügeln zu doppeln, bespielten die Wiener das Zentrum und den Zwischenlinienraum über Jukic, Dovedan und Fischer.

So dauerte es auch nicht lange, bis die Violetten in Führung gingen, wenn auch etwas glücklich. Nach einem Eckball beförderte Rieds-Verteidiger Turi mit Hilfe der Latte den Ball ins eigene Tor und brachte damit die Austrianer in Front. Auch nach der Führung blieben die Gäste auf dem Gaspedal und übten viel Druck aus, wodurch man sich in der gegnerischen Hälfte festsetzen konnte. Die Rieder hatten alle Hände voll zu tun und sie hatten darüber hinaus auch noch mit dem Gegenpressing der Violetten zu kämpfen, aus dem man sich nur selten befreien konnte. Durch die ausbleibenden Entlastungsangriffe, war es schwierig für die Gastgeber, ruhigere Phasen zu generieren, geschweige denn die Möglichkeit auf den Ausgleich zu bekommen.

Stattdessen sorgten die Austrianer mit dem 3:1 durch den eingewechselten Gruber für die endgültige Entscheidung und letztlich den Endstand, auch wenn man danach noch viele gute Situationen vorfand und die Chance hatte, noch mehr Tore zu erzielen.

Fazit

In der Anfangsphase war es zunächst nicht abzusehen, dass das Spiel letztlich deutlich zugunsten des Austrias ausgehen würde. Die Rieder bereiteten mit einem guten Matchplan einiges an Problemen und sorgten für einen holprigen Start bei den Violetten. Die Gäste brauchten einige Zeit, um Lösungen gegen die erste Pressinglinie der Rieder und damit in den eigenen Spielrhythmus hineinzufinden. Entscheidend war hier neuerlich das In-Game Coaching von Trainer Wimmer, der mit guten Adaptionen auf die Problemstellungen reagierte und den Weg ebnete, das Spiel nach dem Rückstand zu drehen.

Sicherlich profitierten die Wiener auch von der äußerst dummen roten Karte der Rieder, allerdings spielte man die Überzahl auch gekonnt und sauber aus und sorgte damit letztlich für einen ungefährdeten 3:1 Erfolg, der im Hinblick auf die Meistergruppe enorm wichtig war, hat man doch nun eine gute Ausgangsposition für die verbleibenden beiden schwierigen Spiele.

Dalibor Babic