Am achten Spieltag der Qualifikationsgruppe der österreichischen Bundesliga traf die Wiener Austria auf die abstiegsgefährdete Mannschaft aus St. Pölten. Dabei konnten die „Veilchen“ relativ... Analyse: Vogelwilde Austria läuft in ein Debakel

Am achten Spieltag der Qualifikationsgruppe der österreichischen Bundesliga traf die Wiener Austria auf die abstiegsgefährdete Mannschaft aus St. Pölten. Dabei konnten die „Veilchen“ relativ ohne Druck in diese Partie gehen und befreit aufspielen, fixierte man doch bereits vorzeitig den Einzug in das Playoff. Für die Austria ging es nun nur noch darum, dieses Playoff-Duell auf heimischen Boden zu fixieren. Ganz anders dagegen die Lage beim SKN St. Pölten, wo der Druck wesentlich größer war und es de facto um die Existenz ging. Nur zwei Zähler lag zwischen den Wölfen und dem Abstiegsrang, wodurch jeder Punkt quasi doppelt zählte.

Austria verzichtet auf Rotation

Bei den Wiener lief es in den letzten Wochen ja bekanntlich prächtig, holte man doch vier Siege am Stück und wusste dabei in vielen Phasen auch noch zu überzeugen. Doch gegen den SKN St. Pölten tat man sich in dieser Saison doch sehr schwer und man kam in keiner dieser Begegnungen über ein Unentschieden hinaus. Vielleicht war dies auch der Grund, warum Austria-Trainer Ilzer die Rotationsmaschine vor dem direkten Duell gegen den Konkurrenten SCR Altach nicht anwarf und sich eher der Schwere dieser Aufgabe bewusst war. So kam es nur in der Verteidigung zu den üblichen Umstellungen und für den verletzten Fitz rückte Dominik Prokop in die Mannschaft. Das System veränderte man damit auch nicht und das 4-1-4-1 wurde erneut praktiziert.

Auf der anderen Seite gab es beim SKN St. Pölten keine großen Überraschungen bei der Aufstellung. Die Wölfe liefen auch beim Auswärtsspiel in Wien mit einem 5-2-3/3-4-3 System auf, wobei natürlich der Fokus auf das Spiel gegen den Ball gelegt werden sollte. Das bekam man dann auch prompt in den ersten Minuten ganz gut zu sehen, welchen Ansatz die Gäste für dieses Spiel wählten. Mit einem klaren 5-2-3 empfing man die Austria und lauerte dabei aus einer eher passiven Haltung heraus. Die erste Verteidigungslinie im Angriff bildete dabei eine „Dreierlinie“, ähnlich wie jene des LASK, und postierte sich vor dem gegnerischen Sechserraum, um so vor allem das Spiel durch das Zentrum abzuschirmen. Ergänzend zu dieser Maßnahme, stand dann auch noch der zentrale Mittelfeldspieler Ljubicic bereit, der sofern Jeggo den Ball erhielt, diesen Stellen sollten. Die erste Pressinglinie war dabei sogar etwas „asymmetrisch“, da Burke und Meister sich an den Innenverteidigern orientierten, während Schütz öfter auf der linken Seite etwas tiefer stand und sich am gegnerischen Rechtsverteidiger Klein orientieren sollte.

Wichtig war für die Gäste dabei, dass man immer versuchte nachzuschieben und die Austria in den Rückwärtsgang zu drängen. So sollte mit geschickten Abständen und mit gezielten Winkeln in der Deckung, die Passwege abgeschnitten werden, um so die Gastgeber in keinen Rhythmus kommen zu lassen. Die erste Chance hatten dann auch die Gäste aus St.Pölten, die nach einem simplen langen Ball plötzlich durchbrachen und an Pentz scheiterten.

Defensive Anfälligkeit auf beiden Seiten

Doch diese Möglichkeit änderte wenig an der Tatsache, dass die Austria dennoch in einen Spielrhythmus fand und recht schnell Zugriff im Ballbesitz fanden. Das lag daran, dass man vor allem im Ballbesitz einen guten Zugang fand und sich einen interessanten Matchplan zurechtlegte. Augenscheinlich war dabei, dass man das Spiel vor allem über Ankersechser Jeggo aufbauen wollte, der sich in der Anfangsphase konstant für die linienüberspielenden Pässe verantwortlich zeigte und das Spiel in die gegnerische Hälfte verlagern sollte. Doch auch anhand der Personalien am Flügel konnte man erahnen, wo der strategische Fokus der Violetten in dieser Partie liegen sollte. Sarkaria und Pichler begannen nämlich nicht auf ihren angestammten Positionen, sondern wechselten stattdessen die Seiten. Man wollte schlicht „inverse“ Flügel aufbieten, da man zusätzlich mit den eingerückten Außenspielern das Zentrum überladen wollte.

Das war dann auch schön im Positionsspiel der Violetten zu sehen, denn man stand enger als zuletzt zusammen und die öffnenden Pässe von Jeggo hatten meist Stürmer Monschein als Ziel, der in weiterer Folge auf die Mittelfeldspieler ablegen sollte. Vereinfacht gesagt, das Tief-Klatsch-Tief-Muster sollte hier verstärkt praktiziert werden und so nicht nur die Linien überspielt, sondern damit auch in der Offensive Gefahr ausgestrahlt werden. Das gelang auch ganz gut und man drang immer wieder schön in die gegnerische Hälfte ein, auch wenn man zunächst noch zu ungenau im letzten Drittel agierte. Das 1:0 resultierte dann auch aus einer schönen Kombination über mehrere Stationen auf engem Raum und Pichler behielt vor dem Kasten die Ruhe und schob trocken ein.

Mehr Ballbesitz, eine gute Ballzirkulation, eine klare Mehrheit an gewonnenen Zweikämpfen, man sollte meinen, alles lief in Richtung der Selbstbewussten Austria. Doch der Schein trügte etwas, denn der SKN deutete auch immer wieder an, dass man in der Lage war Lösungen gegen die Defensive des Gegners zu finden. Selber versuchten die Gäste ebenfalls nämlich, sich nicht nur hinten reinzustellen und lange Bälle nach vorne zu schlagen, sondern auch aktiv im Ballbesitz zu sein. Dabei war der augenscheinliche Fokus darauf ausgelegt, das Feld maximal breit zu machen und speziell über die Flügelzonen die Austria zu knacken. Die beiden Flügelverteidiger agierten sehr hoch, wobei vor allem der linke Wing-Back Schulz quasi schon einen Flügelstürmer gab und sehr weit nach vorne schob. Das tat man aus einem bestimmten Grund, denn immer wieder versuchte man den Linksverteidiger mit Spielverlagerungen in Szene zu setzen und so die Austria aufzureißen.

Vor allem Halbverteidiger Klarer konnte mehrmals mit seinen starken Diagonalbällen die Violetten aufreißen und Schulz damit in Szene setzen. Die Austria konnte dies nicht wirklich unterbinden, da aus dem 4-1-4-1 die beiden Achter auf die Halbverteidiger rausrücken sollten, um diese zu stellen. Das tat man allerdings nur halbherzig, weshalb man kaum einen positiven Effekt damit generierte – eher im Gegenteil. Nach diesen Spielverlagerungen war vor allem Rechtsverteidiger Klein immer wieder in einer klaren Unterzahl und wurde von seinen Teamkollegen in Stich gelassen. Die Niederösterreicher machten das allerdings auch geschickt, denn immer wieder stießen sie in die Schnittstellen der Abwehr hinein und bedrohten die Defensivspieler kontinuierlich mit Laufwegen in die Tiefe, wodurch diese dreimal überlegen mussten, was sie taten und ob sie sie verfolgen. Auf Links waren das vor allem Schütz und Ljubicic, die das beständig praktizierten. Daher verwundert es auch nicht, dass aus genau dieser Region beide Treffer der Niederösterreicher resultierten. Zweimal bewegten sich Ljubicic und Schütz genau in diesen Schnittstellen und in beiden Fällen gab es auf Seiten der Austria keine klare Zuteilung, was zu den Gegentreffern führte.

Nicht vorhandene Konterabsicherung lässt Austria implodieren

Das an sich wäre ja schon ein wesentlicher Aspekt in der Defensive gewesen, welchen die Austria hätte adressieren müssen. Da merkte man dann auch das Fehlen des Abwehrchefs Madl, der sich normalerweise für die Kommunikation auszeichnet und seine Mitspieler einteilt. Doch das war nicht mal das größte Problem der Defensive der Violetten an diesem Nachmittag. Die meisten Schwierigkeiten bereitete den Gastgebern die nicht vorhandene Absicherung des eigenen Ballbesitzspiels. So war es auffällig, dass nach jedem Ballverlust in der Offensive bei der Austria hinten der Hut brannte. Wie kam es dazu? Von Haus aus war es natürlich ein gewisses Risiko, mit dieser personellen Besetzung im Zentrum in das Spiel zu gehen. Mit Prokop und Grünwald hatte man da zwei Akteure, die ihre Stärken eher mit dem Ball, als in der Rückwärtsbewegung haben. Und das sollte sich auch im Spiel bewahrheiten, denn beide Spieler hatten in erster Linie nur ihre Positionierung und ihre Aktionsradius mit dem Ball im Kopf, anstatt sich um eine passende Absicherung im Mittelfeld zu kümmern.

Das Resultat war, dass man nach jedem Ballverlust de facto offen wie ein Scheunentor war. Der SKN konnte konstant mit Tempo in die gegnerische Hälfte eindringen und bis zum gegnerischen Strafraum spazieren, da die Austria aufgrund der nicht vorhandenen Konterabsicherung quasi ohne Mittelfeld spielte. Das klingt drastisch? War aber praktisch so und das nachfolgende Bild war eher die Regel, als die Ausnahme:

Nach einem Ballverlust der Austria, sieht sich Sechser Jeggo gleich vier (!) Gegenspielern gegenüber und muss dadurch alleine einen riesigen Raum abdecken. Solche Szenen gab es in Hülle und Fülle.

Diese Tatsache war auch der Grund, dass obwohl man zweimal in Führung lag, nicht wirklich das Spiel unter Kontrolle hatte und beruhigen konnte. Das war natürlich noch dazu unheimlich kraftaufreibend, denn durch die schlechte Absicherung und mangelnde Kompaktheit, musste man kontinuierlich große Wege zurückgehen und hinterherlaufen, was bei diesen sommerlichen Temperaturen natürlich an die Substanz geht. Und dementsprechend schwerer wurden mit Verlauf der Partie auch die Beine und zunehmend fehlte dieser „letzte Schritt“, um gefährliche Situationen bereinigen zu können. Die Folge war, dass man im zweiten Durchgang komplett implodierte. Egal was das Trainerteam mittels Adaptionen auch probierte (mit Jeggo kurzzeitig Fünferkette bilden, anderes Anlaufen etc.), die Probleme nach dem Ballverlust blieben bestehen.

Schon nach wenigen Augenblicken in der zweiten Halbzeit, rannte man erneut in einen gefährlichen Konter der Gäste hinein und Burke scheiterte alleine vor dem Kasten kläglich. Im Gegenzug hatte Sarkaria nach einer schönen Einzelaktion noch die Möglichkeit wieder in Führung zu gehen, doch das war letztlich nur ein kurzes Aufflackern. Die Gäste aus St. Pölten bekamen auch die Offensive der Austria besser verteidigt, indem die Innenverteidiger konsequenter rausrückten und ihre Duelle mehrheitlich gewannen. Das spürte vor allem Stürmer Monschein, der ja Ausgangspunkt für das wichtige Angriffsmuster war, der folglich ständig unter Druck gesetzt und dadurch immer fehleranfälliger wurde.

Eine grottenschlechte Defensivarbeit und eine abbauende Offensivleistung sind natürlich keine besonders guten Grundlagen, um ein Spiel zu gewinnen. Und so schlugen die Niederösterreicher auch mit einem Doppelschlag in kürzester Zeit zu und offenbarten in beiden Szenen genau jene Defensivprobleme, die die Austria über das gesamte Spiel verfolgten. Das 2:3 fiel nachdem man es erneut verabsäumte auf einer Seite Zugriff zu bekommen und die Gäste einfach die Seite wechseln konnten, während das 2:4 nach einer eigenen Standardsituation fiel, wo man zu langsam umschaltete und die Restverteidigung auch nicht gut aussah. Austria-Trainer Ilzer versuchte dann mit einigen Wechseln für den Umschwung zu sorgen und mit einem Wechsel auf ein 4-4-2 mehr Zugriff zu bekommen und noch mehr Risiko zu gehen, doch ohne eine passende Absicherung, blieb das ein Ritt auf der Rasierklinge. Und so setzte St.Pölten kurz vor Schluss allen Hoffnungen auf den Ausgleich der Austria ein Ende und erzielte noch das 5:2 nach einem neuerlichen Konter, womit das Debakel für die Violetten besiegelt wurde.

Fazit

Solche Spiele wie jenes der Austria, sind oftmals schwer zu erklären. Man könnte natürlich die Gründe in taktischen Aspekten suchen und man würde klarerweise auch fündig werden. Die sehr offensive Ausrichtung im Zentrum, die nicht vorhandene Absicherung, das fehlende Gegenpressing, da gäbe es zweifellos genügend Gründe um zu debattieren, woran es letztlich lag. Doch offensichtlich war an diesem Nachmittag auch, dass sich einige Akteure schlicht zu schade waren, defensiv zu denken und nur den Angriff im Sinn hatten. Kontinuierlich war man dadurch im Endeffekt mannschaftlich in zwei Teile zerissen und eine geschlossene Kompaktheit gab es schlicht nicht, was dann auch selbst Mannschaften wie St. Pölten ausnutzen können, die eigentlich zu den schwächsten Offensiven zählen.

Vielleicht bildete man sich nach vier Siegen in Folge auch ein, spielerisch bereits so gut zu sein, dass man den Kampf und den Fokus auf die Arbeit gegen den Ball vernachlässigen könnte. Die Austria wird jedenfalls Ursachenforschung betreiben müssen, denn wenn man kontinuierlich jegliche Aufbauarbeit mit solchen Vorstellungen zunichtemacht und sich selber in eine Negativspirale schmeißt, wird es zukünftig schwer erfolgreich zu sein. Dieses Ereignis könnte aber auch der neuerliche Weckruf zur rechten Zeit sein und als Lerneffekt dienen. Ohne die nötige Bereitschaft mitzubringen gegen den Ball zu arbeiten, kann man die beste Offensive haben, es wird letztlich dennoch nicht ausreichen. Daher müssen sich die Violetten auf die Basics besinnen und den Fokus wieder auf alle Bereiche schärfen, denn sonst wird man auch bei den kommenden Aufgaben Schwierigkeiten bekommen.

Dalibor Babic