Was ist bloß in Salzburg los? Die Mannschaft von Ricardo Moniz steht nach 14 Runden auf dem fünften Tabellenrang, gewann nur fünf ihrer 14... Fünf Siege aus 14 Ligaspielen – genauso schlecht wie letztes Jahr! Das läuft in Salzburg langfristig falsch!

Was ist bloß in Salzburg los? Die Mannschaft von Ricardo Moniz steht nach 14 Runden auf dem fünften Tabellenrang, gewann nur fünf ihrer 14 Spiele – und das obwohl man als haushoher Meisterschaftsfavorit in die Saison startete. Was sind die Gründe für den akuten Tiefpunkt der Red Bull Ära?

Zu Hause ist Salzburg noch ungeschlagen. Klingt nach Erfüllung des kurzfristigen Saisonplans. Allerdings konnte der Red-Bull-Klub nur zwei seiner sieben Heimspiele gewinnen. Die anderen fünf endeten Unentschieden, unter anderem gegen Mattersburg und Innsbruck. Interessant ist allerdings, dass Red Bull Salzburg aktuell mit 20 Punkten genauso viele Punkte hat, wie in der Saison 2010/11 nach 14 Spielen. Sogar die Sieg-Remis-Niederlagen-Bilanz (5-5-4) und die Tordifferenz (+4) sind im Vergleich mit der vergangenen Saison identisch.

An der Doppelbelastung durch die Europa League kann man die Negativbilanz der Roten Bullen nicht aufhängen: Der erweiterte Kader der Salzburger umfasst 29 Spieler, von denen fünf von den Red Bull Juniors kamen und 18 keinen österreichischen Pass besitzen. Die gestandenen Profis überwiegen also im Kader der Salzburger. Auch die dauerhaften Verletzungen von Mendes, Douglas und Alan dürfen als Ausrede nicht gelten – im Salzburger Kader ist jede Position doppelt oder dreifach besetzt. Die Negativserie der Salzburger ist ein Resultat aus fünf Faktoren, die sich über lange Sicht aufbauten und bei Kritikern mittlerweile als Gesicht des Klubs gelten.

1. Transferpolitik

Der Sommer 2011 war in Wals-Siezenheim keine Jahreszeit für glückliche Transfers. Für die Möglichkeiten, die der Ligakrösus hat, wurde sogar extrem schlecht eingekauft. So kann man den Spanier Chema Anton und die von Red Bull Brasil ausgeliehenen Brasilianer Jefferson und Alex Rafael getrost als Mitläufer bezeichnen. Zusammen brachten es die drei auf elf Einsätze in der Bundesliga – einer mehr als der 19-jährige Martin Hinteregger alleine.

Für die Schlüsselpositionen, die mit routinierten Antreibern besetzt werden müssten, kaufte Red Bull Salzburg Fußballer, die selbst in Österreich keine Berechtigung haben sollten, Stammspieler bei einem Titelanwärter zu sein. Petri Pasanen wurde binnen kürzester Zeit von einem verlässlichen Defensivmann, dem man in jeder Spielsituation Vertrauen schenken konnte, zu einem biederen, fehleranfälligen Durchschnittsfußballer. Ähnliches gilt für Rasmus Lindgren, der im 4-3-3 der Salzburger als Verbindungsmann zwischen Defensive und Offensive eine der wichtigsten Positionen bekleidet, das Spiel der Bullen jedoch regelmäßig stark bremst, zu viel in die Breite spielt und auch defensiv nicht solide genug ist. Die beiden internen Ideallösungen für die Positionen, auf denen aktuell Pasanen und Lindgren spielen dürfen, Mendes und Douglas, werden später noch genauer behandelt.

Die wahrscheinlich wichtigsten Neuverpflichtungen heißen Stefan Maierhofer und Leonardo – doch auch diese Spieler stoßen in einem schwachen Gesamtgefüge an ihre Grenzen. Zudem werden die beiden „Übermotivierten“, eigentlich Fußballer des Typs, den jedes Team braucht, nicht immer richtig „genommen“: Maierhofer darf des Öfteren nicht von Beginn an spielen, Leonardo kann aus gesundheitlichen Gründen nicht immer, wie er will. Was beides seine Gründe haben muss…

2. Biss und Ambition

Das zweite große Problem, das sich wie ein roter Faden durch die Welt der Roten Bullen zieht ist, dass es kaum einen Spieler gibt, der sich oder anderen etwas beweisen will oder muss. In der im internationalen Vergleich unbedeutenden österreichischen Liga haben viele gestandene Profis, die früher bereits bei Großklubs spielten, ein verhältnismäßig gemütliches Leben. Man steht nicht übermäßig in der öffentlichen Kritik, die Liga ist klein und beschaulich, man muss nicht mit Repressalien durch Fans rechnen, wenn man mal ein paar Spiele nicht gewinnt – schon gar nicht bei Red Bull Salzburg. Der Sager eines ehemaligen (oder aktuellen?) Salzburg-Spielers, der ein Angebot von Schalke 04 ausschlug, weil er dort „weniger verdienen würde“ und trotzdem mehr Arbeit/Stress hätte, liegt noch immer in den Ohren und spricht Bände. Hinzu kommt, dass Fußball ein Mannschaftssport ist und die Spieler auch fürstlich entlohnt werden, wenn ihre Teamkollegen die Arbeit verrichten. Eine der letzten Facetten des Sportbusiness, die Red Bull noch nicht hundertprozentig verstanden hat bzw. mit der Red Bull (im Gegensatz zur Formel 1 oder anderen Sportarten/Events mit Einzelsportlern) noch nicht perfekt umgehen kann.

Kicker wie Sekagya, Cziommer oder auch Schwegler, Svento und Zárate (bzw. seit neuestem auch Bruins, Maierhofer, Pasanen oder Lindgren) verdienen im Westen Österreichs enorm viel Geld. Viele von ihnen haben in Salzburg Rentenverträge, müssten theoretisch nach Ablauf ihres Vertrags mit Dietrich Mateschitz nie wieder arbeiten. Die meisten von ihnen haben keine großen Ambitionen mehr bei anderen Klubs unterzukommen – sie nehmen das viele Geld dankend an und machen keine großen Anstalten zu Revoluzzern zu mutieren. Beiße nie die Hand, die dich füttert – schon gar nicht beim finanzkräftigsten Klub der österreichischen Fußballgeschichte. Das hielten auch ihre Vorgänger im Bullendress brav ein: Afolabi, Pokrivac, Nelisse, Ilic, Vargas, Lokvenc, Pitak, Pamic oder Bobson – sie alle verloren kaum ein böses Wort über den Klub, obwohl sie in Salzburg nie richtig glücklich wurden oder gar, wie in Bobsons Fall, keine einzige Partie absolvierten. Nikola Pokrivac hatte kein Problem damit, bei den Amateuren zu trainieren – sein deutlich sechsstelliger Gehaltscheck entschädigte ihn Monat für Monat. Genau in diese Riege werden sich auch die meisten aktuellen Kaderspieler Salzburgs einreihen – die finanziellen Mitläufer dominieren zahlenmäßig über die Spieler, die wirklich etwas bewegen und sich in die Auslage spielen wollen.

Womit wir wieder bei den langzeitverletzten Mendes und Douglas sind. Natürlich will man niemandem unterstellen, dass er Schmerzen oder Verletzungen vortäuscht und abseits.at hat zugegebenermaßen keine aktuellen Magnetresonanzergebnisse von Douglas oder frische Befunde von Mendes auf dem Tisch liegen – aber die langwierigen Verletzungen der beiden Spieler muten dennoch etwas seltsam an. Douglas fällt mit einem Kreuzbandriss mittlerweile seit neun Monaten aus, machte sein letztes Pflichtspiel noch für Hapoel Tel Aviv am 18.Dezember des Vorjahres. David Mendes da Silva spielte zuletzt am 23.April und fehlt seitdem mit diversen Verletzungen an Sprunggelenk, Schambein und Rücken. Wie gesagt: Niemand stellt die Verletzungen dieser Herren in Frage – aber es soll schon Spieler gegeben haben, die mit ihren Comeback-Ambitionen eiliger hatten. Auch hier gilt der alte Spruch des legendären PC-Fußballmanagers „Anstoss“: „Es ist mir scheißegal, mein Geld bekomme ich trotzdem…“

3. Kommunikation

Immer wieder hört man zudem, dass die interne Kommunikation bei einem Kader mit 18 Legionären schwierig ist. Dies sollte das am einfachsten zu lösende Problem von Red Bull Salzburg sein, zumal der Verein Unsummen für Relocating und entsprechende Spielerbetreuung investieren kann. Natürlich wird schon jetzt sehr viel Geld auf diesem Gebiet ausgegeben, aber wenn ein Klub quasi unbegrenzte Mittel hat, sei diesem angeraten noch mehr in diese Sparte zu stecken. Dies wäre im Interesse des Spielers, der Professionalität und auch des Gesamtkonzept des Konzerns: Immerhin spricht man in Leipzig ebenfalls deutsch – und dorthin werden die besten Kicker der österreichischen Bullen in absehbarer Zeit transferiert werden…

4. Taktische Flexibilität der Spieler

Ricardo Moniz ist ein großer Fußballfachmann, der seine Prinzipien sowohl theoretisch als auch praktisch klar definiert. Doch der größte Fachmann kann keine Wunder bewirken, wenn seinen Spielern die taktische Flexibilität fehlt, die notwendig wäre, um seine Ideen in die Tat umzusetzen. Die Individualisten des Salzburg-Kaders sind zugleich Spezialisten. Die meisten Kicker leben auf dem Platz ihr spielerisches und technisches Naturell aus, das sich jedoch immer wieder als zweidimensional erweist. So wurde man bei den anderen Klubs bereits schlauer, was die Laufwege von Leonardo oder Zárate betrifft, nachdem das Raunen nach den ersten Spielen der beiden Ballzauberer groß war. Die Gegner stellen sich rasch auf die Salzburger Spieler ein und nehmen ihnen den Wind aus den Segeln – viel zu selten passiert im Spiel der Salzburger etwas wirklich Unerwartetes. Die wenigen Kicker, die den Überraschungsmoment förmlich suchen sind Cziommer, Wallner, der aktuell verletzte Alan und in Ansätzen der junge Teigl. Alle anderen sind in hohem Maße ins Korsett ihrer Möglichkeiten gepresst. Stefan Maierhofer etwa: Seine Stärken sind bekannt, seine Schwächen ebenso und jeder sollte wissen, was der „Lange“ braucht um seine Tore zu machen – so allerdings auch die Gegner. Kurzfristige Genieblitze von Spielern wie Jantscher, Svento oder Leitgeb sind zwar ein Spiegelbild für die große Qualität der Salzburger, passieren allerdings viel zu unregelmäßig. Womit wir auf lange Sicht wieder beim Thema Transferpolitik wären…

5. Kaum Unterstützung von den Rängen

Last but not least fehlt Salzburg der letzte Kick von den Rängen. Die Kulisse von 15.500 Zuschauern beim 0:0 gegen den SK Rapid war das meiste, was sich im Laufe der Saison 2011/12 in insgesamt 13 Heimspielen in die Bullen-Arena verirrte. Gegen Athletic Bilbao, einen durchaus attraktiven Gegner, der übrigens gestern dem FC Barcelona ein 2:2 abtrotzte, kamen nur etwas mehr als 10.000 Zuseher ins Stadion. Im vorherigen Europa-League-Gruppenspiel gegen Slovan Bratislava waren es nur 7.500. Selbst im Ligaspiel gegen den SV Mattersburg kamen 300 Fans mehr als gegen den slowakischen Meister. Das bemerken natürlich auch die Spieler auf dem Platz. Rasmus Lindgren etwa spielte erst vor einem Jahr noch vor 52.000 Zuschauern mit Ajax Amsterdam in der Champions League gegen Real Madrid und vor 73.000 im selben Bewerb auswärts gegen den AC Milan. Er ist nicht der einzige Spieler, der in Salzburg einen fantechnischen Kulturschock erleidet.

Das Problem mit den ausbleibenden Interessenten klingt banal, hat aber psychologische Auswirkungen auf die Mannschaft – und so paradox es klingt, wenn man sich die zuvor beschriebenen Probleme mit Euromillionen, hartnäckigen Verletzungen und kuschenden Spielern vor Augen hält: Das Fan-Problem ist das, welches für diesen Meilen unter Wert spielenden Klub am Schwierigsten in den Griff zu bekommen ist.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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