Ursprünglich sollte es ein kurzes Interview mit Austria-Trainer Michael Wimmer werden, da wir zunächst rund 30 Minuten Zeit für ein Gespräch mit dem Coach... Michael Wimmer im Interview (2): „Jukic und Potzmann haben das Momentum genutzt“

Ursprünglich sollte es ein kurzes Interview mit Austria-Trainer Michael Wimmer werden, da wir zunächst rund 30 Minuten Zeit für ein Gespräch mit dem Coach der Veilchen erhielten. Doch aus der geplanten halben Stunde entwickelte sich ein 90-minütiges, intensives Gespräch, das wir aufgrund des großen Umfangs nun in drei Teilen veröffentlichen. Im ersten Teil beleuchten wir Michael Wimmers Anfänge bei der Wiener Austria und zeigen viele interessante taktische Gedanken des Trainers sowie seiner Arbeitsweise auf. Der zweite Teil fokussiert sich auf die Gegenwart und den aktuellen Status Quo. Im dritten und abschließenden Teil richten wir den Blick nach vorne und diskutieren Ausblicke und Zukunftspläne.

Wir fahren mit nun mit dem zweiten Teil des Interviews fort. Hier findet ihr den ersten Teil des Interviews, in dem es um Michael Wimmers Anfangszeit bei der Wiener Austria ging. Der dritte Teil, in dem es um junge Spieler, Verstärkungen auf dem Transfermarkt und die persönliche Zukuntf des Trainers geht, ist auch schon online!

abseits.at: Wenn wir den Bogen jetzt weiterspannen und zur aktuellen Lage kommen, dann fällt mir auf, dass ihr euch auch im Ballbesitz in den letzten Wochen in eine positive Richtung entwickelt habt. Der Abgang von Haris Tabakovic hat hier ebenfalls zweifellos eine Lücke hinterlassen, mit der ihr wie es scheint nun besser umgehen könnt. Die Verbesserungen lassen sich auch aus einigen statistischen Werten in der Zeitspanne der ungeschlagen gebliebenen Spiele ablesen: Man verdoppelte den Torschnitt von 0,8 auf 1,6, die Positionsangriffe, die ihr zum Abschluss gebracht habt sind von 18% auf 26% angestiegen, gleichzeitig habt ihr aber auch im Durchschnitt fünf Flanken weniger pro Spiel geschlagen und diesen Wert verringert. Was waren da die Maßnahmen, die sie als Trainer vorgenommen haben?

Wimmer: Ich glaube einiges davon findet sich auch in dem Wort „Kontrolle“ wieder und in der verbesserten Balance in unserem Spiel, die ich erwähnt habe. Es lässt sich eben auch statistisch belegen, dass wir nun mehr Pässe spielen, bevor wir zum Abschluss kommen. Es ist schon so, dass wir unsere Angriffe besser vorbereiten und es liegt auch daran, dass wir auf den „Sechserpositionen“ momentan sehr ballsicher sind und es gut machen, dann auch in weiterer Folge in die Räume kommen, wo wir angreifen wollen. Das haben wir schon nach dem Tabakovic-Abgang versucht zu verändern, allerdings fängt es erst jetzt an richtig zu greifen. Wir haben im Positionsspiel probiert, eine bessere Balance zu kreieren, da wir oft dazu neigten, ganz und sehr stark auf den Flügelzonen auszuweichen und von dort aus dann wieder ins Zentrum zu gelangen. Stattdessen wollen wir nun auch vermehrt „innen“ und im Zentrum bleiben, um hier dann über „Dreiecksbildungen“ direkt in den Strafraum zu gelangen, statt den Umweg über die Außenbahnen zu nehmen.

Ich finde, da mussten wir etwas variabler werden, statt immer nur außen durchbrechen zu wollen, um dann in die „Box“ zu gelangen. Da erinnere ich mich auch direkt an die 0:2-Auswärtsniederlage beim LASK, wo wir meiner Meinung nach eine gute erste Halbzeit gespielt haben. Da sind wir vier, fünf Mal über den Flügeln durchgebrochen, hatten aber keine passende Strafraumbesetzung und nicht die nötige Präsenz, um daraus Kapital zu schlagen. Da flankst du dann zwar rein, aber da können die Jungs ja nichts dafür, dass sie nur 1.70 Meter groß sind (lacht). Das war dann auch der Moment, wo wir als Trainerteam gesagt haben: Wir müssen versuchen, mehr im Zentrum zu bleiben und hier variabler zu werden.

Sie haben ja schon den „emotionalen Wendepunkt“ nach dem Wiener Derby erwähnt, der oftmals auch als Grund für den Umschwung genannt wird. Was allerdings auch noch in diesem Spiel stattfand, war die Geburt des Mittelfeldzentrums bestehend aus Aleksandar Jukic und Marvin Potzmann. Wie groß ist der Einfluss der beiden auf den Erfolgslauf aus ihrer Perspektive?

Wimmer: Grundsätzlich ist das natürlich nicht immer so einfach, in Relation zu setzen, weil ja die Mannschaft als Ganzes für die aktuelle Form verantwortlich ist. Wir haben noch dazu mit Matthias Braunöder, James Holland oder auch Kapitän Manfred Fischer, Spieler, die das in der Vergangenheit auf der Position bereits gut und zu meiner Zufriedenheit gelöst haben. Ich denke, dass Jukic und Potzmann hier schlicht auch einfach das Momentum genutzt haben, mit diesem moralischen Erfolg im Derby, weil das schweißt dich einfach extrem zusammen. Mit Momentum meine ich dann auch, dass du eben in eine Erfolgsserie kommst und dadurch das nötige Selbstvertrauen und eine Selbstverständlichkeit im Spiel entwickelst, was dich zusätzlich beflügelt. Man kann ja auch nicht ausschließen, dass es nicht auch in einer anderen Konstellation im Zentrum aufgrund der genannten Umstände funktioniert hätte.

Dennoch ist es bestimmt auch so, dass das Momentum gerade bei Potzmann und Jukic liegt, sie sich auf dem Platz sehr gut verstehen und auch ideal ergänzen. Wenn man dann etwas weiter zurückblickt, hat ja nach meiner Ankunft Aco Jukic bereits unter mir alle Spiele des Grunddurchgangs im Zentrum gespielt und das auch gut gemacht. Ich war damals schon der Meinung, dass Aco ein Profil mitbringt, wo bei ihm viele Eigenschaften für die Sechserposition vorhanden sind. Sei es jetzt Dynamik, Ballsicherheit, ein guter Abschluss aus der zweiten Reihe, seine Passqualität und generell auch seine Wucht. Das sind alles Dinge, die ich auf der Position sehr schätze.

Dennoch konnte sich Jukic nicht wirklich als Stammspieler etablieren und es prasselte zwischendurch einige Kritik auf ihn ein.

Wimmer: Bei Aco Jukic kamen im Laufe der Zeit einige Dinge zusammen, sei es jetzt Verletzungen, die Rote Karte gegen Legia Warschau oder auch anderen Themen. In solchen Situationen muss man als Trainer den jungen Spielern helfen. Noch wichtiger ist jedoch, dass man sich auch als Spieler helfen lässt. Er ist dann auch einige Zeit auf der Bank gesessen und musste sich in der Rangordnung hintenanstellen, speziell auch nach der Partie gegen Legia Warschau und seiner Tätlichkeit im Spiel. Damit hat Aco auch Situationen durchleben müssen, die jetzt wiederum andere Spieler ähnlich durchmachen. Er hat sich da aber wieder herausgezogen, den Kopf nicht hängengelassen und ist jetzt gemeinsam mit Potzmann ein wichtiger Faktor im Zentrum geworden.

Wenn ich auch auf die Statistik blicke, dann hat Jukic aktuell eine Passquote von 80 Prozent, spielt dabei allerdings 75 Prozent dieser Pässe vertikal nach vorne. Das widerlegt dann auch relativ klar die These, er würde vorwiegend Sicherheitspässe spielen. Und was mich besonders freut für ihn, denn das hat er zuvor vielleicht nicht so gehabt, dass er nun auch im Angriffsdrittel präsenter wird. Er hatte jetzt eben gegen Lustenau zwei Abschlüsse gehabt und dazu das Siegestor mit einem Standard vorbereitet, kam aber auch gegen Salzburg zu dem Lattenschuss. Er kommt jetzt also auch in Zonen hinein, wo er mit seinen Qualitäten im Abschluss und aus der zweiten Reihe auch gefährlich werden kann. Das brauchen wir in unserem Spiel, denn wenn beide „Sechser“ im Spiel nur tief verbleiben und keinen Abschluss mitbringen, dann ist das auch nicht optimal. In der Hinsicht ergänzen sich Jukic und Potzmann dann auch gut.

Die Personalie Marvin Potzmann könnte man ja nicht nur im Austria-Kosmos, sondern auch generell als eine der größten Überraschungen der bisherigen Liga-Saison bezeichnen. Jahrelang vorwiegend als Defensivspieler und Außenverteidiger im Einsatz, bekommt er nun unter anderem vor U21-Teamkapitän Braunöder oder einem Routinier wie James Holland den Vorzug. Der Ursprung des Ganzen war ja, wie wir wissen, durch die Ausfälle im Zentrum bedingt. Haben sie diese Variante bereits zuvor ins Auge gefasst?

Wimmer: Bei Marvin Potzmann ist es tatsächlich so, dass ich in der Vorbereitungsphase im Juli nach dem zweiten absolvierten Training diesen Gedanken im Trainerteam ausgesprochen habe. Mein Co-Trainer Ahmet Koc ist da ein totaler Verfechter von allen möglichen Rondo-Formen (in Österreich auch als „Hösche“ bekannt“) und vor allem Rondo mit Zentrumssuche, wo er am liebsten noch selber ständig mitspielen würde (lacht). Dann habe ich ihn näher beobachtet, wie er sich bewegt und habe direkt zu meinem Co-Trainer Koc gesagt: „Das ist doch ein zentraler Mittelfeldspieler!?“. Es gab dann aber auch nicht die Situation zu Beginn, wo das ein Thema hätte werden können. Bedingt durch die frühen englischen Wochen, mussten wir die beide „Schienenspieler“-Positionen doppelt besetzen und Potzmann war hier gefragt. Dazu haben wir ja bereits vier „Sechser“ im Kader und wenn ich ihnen dann den Marvin plötzlich vorziehe, Fragen die mich auch: „Trainer, hast du einen Schlag?“ Da hat es einfach nicht gepasst.

Und dann kam eben das besagte Derby wo ich mir gedacht habe: Jetzt muss Potzmann ins Zentrum rein und hier spielen, da ja kein anderer mehr verfügbar war. Im Spiel darauf gegen Blau-Weiß Linz herrschte ja das gleiche Szenario, da mit Braunöder und Holland zwei „Sechser“ gesperrt waren und mit Fischer der dritte verletzungsbedingt ausfiel. In dem Spiel habe ich dann auch gesehen, dass er einer ist, der die Position ohne weiteres spielen kann. Weil er zum einen ein sehr gutes Verständnis für den Raum hat, er aber auch die Bälle gut antizipiert und weiß, wo die zweiten Bälle herunterfallen und diese dann auch aufklaubt. Gleichzeitig hat er aber auch eine extreme Ruhe am Ball, will immer angespielt werden und versteckt sich auch unter Druck nicht, was ja auf der „Sechserposition“ extrem wichtig ist. Dann hat er es in dem Spiel gut gemacht und ich dachte mir anschließend, dass wir jetzt eine gute zusätzliche Alternative haben.

Es scheint also so zu sein, als hätte sich da im Zentrum und auf der „Sechs“ ein Pärchen gefunden, von dem sie auch recht viel halten.

Wimmer: Jetzt ist es sicherlich so, dass dieses Pärchen bestehend aus Potzmann und Jukic im Zentrum sehr gut funktioniert und sie einen großen Anteil daran haben – gemeinsam mit den restlichen Spielern – dass wir aktuell so eine Serie aufbauen konnten. Aber auch Akteure, die jetzt aktuell hinten dran sind, wie Braunöder oder Holland, haben daran einen nicht unerheblichen Anteil. Sie kratzen und beißen und wollen unbedingt in die Mannschaft, was dementsprechend auch den Konkurrenzkampf anheizt und für die Trainingsqualität sehr förderlich ist. Es ist aber leider im Fußball nun mal so, dass nicht alle spielen und wir auf der Position nur zwei Akteure aufstellen können. Daher muss man nun warten und geduldig sein. Das gehört im Fußball auch dazu, so wie etwa zuvor Aco Jukic lange warten musste oder auch Marvin Potzmann, der ja in den letzten Jahren beim LASK wenig Spielzeit bekommen hat. Wenn etwas funktioniert und erfolgreich ist, hat man ja auch wenig Grund daran etwas zu ändern.

Interessanterweise haben sie ja auch in der bereits angesprochenen Sommer-Vorbereitung einige Varianten ausprobiert und es kam ja auch Marvin Potzmann im Testspiel gegen Limassol in der Schlussviertelstunde im zentralen Mittelfeld zum Einsatz. Mir wäre aber auch damals aufgefallen, dass ihr Potzmann von der Wingback-Position immer wieder ins Zentrum gezogen habt, um im Spielaufbau eine Überzahlsituation zu kreieren. Ist das einfach nur ein Naturell von Potzmann, dass er gerne ins Zentrum zieht oder habt ihr da strategische Überlegungen angestellt, wie ihr seine Fähigkeiten in diesen Räumen nutzen könnt – Stichwort Überladungsversuche?

Wimmer: Ich glaube zum einen ist es sicherlich sein Naturell, dass er gerne ins Zentrum zieht. Zum anderen ist es aber auch so, dass ich meinen Spielern zwar einen Rahmen vorgebe, sie sich aber in diesem Rahmen frei bewegen können. Ich will, dass in unserem Positionsspiel gewisse Räume und Positionen immer besetzt sind. Ob jetzt zum Beispiel auf der rechten Seite Flügelverteidiger Reinhold Ranftl ins Zentrum zieht und dafür Außenstürmer Andreas Gruber die Breite hält oder umgekehrt, ist mir dabei eigentlich ganz egal. Wenn wir aber von der linken auf die rechte Seite kommen möchten und es wären beide in der Breite und niemand im Zentrum positioniert, dann haben sie ein Problem mit mir. Hier kann ich auch laut werden, weil dann die Raumbesetzung nicht passt. Oder ob jetzt hier stattdessen ein Halbverteidiger nach vorne schiebt und die Positionierung innen übernimmt, dagegen habe ich auch nichts einzuwenden.

Gleichzeitig ist es aber auch so, dass es Sinn ergeben muss. Wenn ich jetzt etwa die linke Seite hernehme, würde es nicht wirklich förderlich sein, wenn ich plötzlich den Dominik Fitz konstant von seiner halblinken Position, komplett auf den Flügel rausstelle und stattdessen der Manuel Polster von seiner breiten Positionierung ins Zentrum einrückt. Da fühlen sie sich einfach nicht wohl und das muss man dann natürlich auch berücksichtigen. Deshalb muss ich dann eher schauen, wie bringe ich eben einen Manu Polster in eine Position, wo er sich wohlfühlt und auch seine Stärken ausspielen kann. Aber abgesehen davon lasse ich den Spielern hier viel Freiraum und geht es mir um Prinzipien, wo gewisse Räume schlicht besetzt sein müssen – egal von wem.

Das mündete ja alles in einem starken Auftritt im letzten Heimspiel gegen den amtierenden Meister Red Bull Salzburg, welches wir ebenfalls ausführlich analysierten und als Fazit zogen, dass es wohl eines der besten wenn nicht sogar das beste Spiel unter ihrer Leitung der Austria war. Vor allem die hervorragende Organisation und wie ihr die richtigen Pressingmomente gefunden habt, war ja doch sehr beeindruckend. Würden sie dem zustimmen? Oder muss man das dann doch etwas relativieren und in den Kontext setzten, dass Salzburg aus einigen englischen Wochen und womöglich nicht in dem frischesten körperlichen Zustand angereist kam?

Wimmer: Das sehe ich auch so und stimme eurer Analyse zu, dass es wahrscheinlich das beste Spiel unter meiner Leitung war und als neue Benchmark, angesehen werden kann, wie ich mir unser Spiel vorstelle. Und natürlich, ich war ja auch am Mittwoch zuvor in Salzburg, als sie gegen Inter Mailand gespielt haben und weiß, dass es erstens sehr anstrengend und intensiv für sie war und zweitens wissen wir ja auch, wie fordernd das sein kann, vor allem auch für den Kopf. Wenn du unter der Woche ein internationales Highlight hast und dann am Wochenende den Liga-Alltag bestreiten muss, ist es mental auch nicht immer so einfach und sicherlich eine Herausforderung.

Ich glaube trotzdem, dass es in erster Linie daran lag, wie wir in dieses Spiel hineingegangen sind. Wir haben es geschafft, dass man auf dem Feld gemerkt hat, dass Salzburg unter der Woche gespielt hat. Wenn wir sie nicht entsprechend gefordert und eine unheimliche Intensität an den Tag gelegt hätten, wäre es gar nicht aufgefallen und sie hätten trotz allem gewinnen können, was sie in der Liga ja oftmals tun und in einer gewissen Form auch gewohnt sind.

Die Austria hat ja auch seit 2014 nicht mehr in Wien-Favoriten gegen Salzburg gewinnen können und der letzte Sieg liegt ja auch schon einige Jahre zurück. Für euch ist es also alles andere als einfach, gegen die Bullen bestehen zu können, geschweige denn gute Ergebnisse einzufahren.

Wimmer: Es waren ja auch zuvor schon einige gute Spiele gegen Salzburg dabei, wie etwa das 3:3 auswärts oder das 1:1 im letzten Heimspiel, wo wir in beiden Fällen den Sieg in den Schlussminuten nahe waren. Ich finde aber, dass bei diesem 0:0 zuletzt wesentlich mehr Kontrolle von uns da war. Das 3:3 war ja damals in einer gewissen Form wild und hätte ja auch 4:3 oder 5:5 ausgehen können. Das darauffolgende 1:1 war dann schon ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch hier hatte ich draußen auf der Seitenlinie nicht wirklich das Gefühl, der Punktegewinn wäre garantiert.

Irgendwie hatte ich dann aber wiederum bei diesem 0:0 ab Minute 20 nie das Gefühl, dass wir dieses Spiel verlieren können. Das lag wahrscheinlich auch daran, dass so eine eigenartige Stimmung im Stadion herrschte, mit einer brutal positiven Energie. Ich habe gemerkt, dass die Fans von Minute zu Minute lauter und lauter wurden und eine geile Atmosphäre herrschte, was uns auch sehr viel Kraft gegeben hat.

Wir haben zwar keine Tore gemacht, aber viele Torchancen kreiert, gleichzeitig aber auch defensiv sehr wenig zugelassen und das obwohl wir sehr hoch gestanden sind beziehungsweise aktiv nach vorne verteidigt haben. Exemplarisch war ja eben die Szene, die ihr auch in eurer Analyse hervorgehoben hat, wo unser Innenverteidiger „Joe“ Handl 35 Meter vor dem gegnerischen Tor ins Pressing geht und den Ball erobert, um so eine gefährliche Torchance einzuleiten. Daher war es für mich auch ein Benchmark-Spiel, wo ich persönlich sage – das gefällt mir!

Diese Achterbahn, die sie teilweise beschreiben, spiegelt sich ja auch in der bisherigen Saison wider. Von einer Negativserie von sieben sieglosen Spielen, wo quasi alles hinterfragt wurde, ging es für ihre Mannschaft direkt in einen positiven Lauf mit acht ungeschlagenen Spielen und 795 Minuten ohne Gegentor, womit ihr nun das Team der Stunde seid. Dieses Auf und Ab muss ja selbst für sie als Trainer bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit ihrer Mannschaft herausfordernd sein.

Wimmer: Ich fand, dass in den sieben Spielen, wo wir nicht gewinnen konnten, nicht alles schlecht und auch gute Phasen dabei waren. Da fallen mir etwa die Spiele gegen Hartberg ein, wo die ersten 35 Minuten sehr ordentlich waren, jenes gegen Altach, wo wir die klar bessere Mannschaft waren und nur auf ein Tor gespielt haben, oder auch das Heimspiel gegen Klagenfurt, wo wir super starten und dann aus dem nichts ein „Ping-Pong-Gegentor“ kassieren, was ich in dieser Form auch noch nie gesehen habe. Genauso ist aber auch jetzt, wo wir die acht Spiele ungeschlagen geblieben sind, nicht alles gut. Da denke ich etwa an den 2:0-Sieg bei der WSG vor einigen Wochen, wo der Gegner eine Umstellung zur Halbzeit von einer Mittelfeldraute auf 4-3-3 vornimmt und wir plötzlich weder pressen, noch das Spiel ordentlich aufbauen können. Das war wild und wenn der Gegner nicht die Rote Karte bekommt, weiß ich nicht, ob wir dieses Spiel gewinnen.

Von daher ist glaube ich ein Punkt, der in unserer Entwicklung in der nächsten Zeit und vor allem in den abschließenden Spielen dieses Herbstes entscheidend sein wird, das Thema Konstanz. Das wird das Spannende für mich sein, ob wir es hinkriegen, Konstanz in unser Leistungsvermögen zu bringen – was ja auch eine mentale Komponente ist. Jetzt bist du seit acht Spielen unbesiegt, hast Highlight-Spiele gegen Sturm und Salzburg gezeigt und vier Punkte gegen die beiden besten Teams der Liga gemacht. Bleibst du jetzt in der Spannung drinnen? Weil das macht ja dann große Mannschaften und Spieler aus, die machen trotzdem weiter, egal, ob der Gegner jetzt X oder Y heißt. Die bringen eine Selbstverständlichkeit mit und einen Anspruch, ihr Spiel immer durchdrücken zu wollen und 100 Prozent zu geben, weil sie erfolgreich sein wollen. Und das ist schon etwas, was ich in meiner Zeit hier von verschiedenen Seiten gehört habe, dass es eine „Austria-Krankheit“ gibt, dass man in Momenten wo es gut läuft, sich aus unerklärlichen Gründen einen „Selbstfaller“ leistet und einen Gang zurückschaltet.

Und jetzt ist eben die Frage, ob du das „Mindset“ hast, um zu sagen: Ich schalte nicht zurück, sondern im Gegenteil, stattdessen noch einen Gang hoch. Weil es gibt ja viele Sachen, wo ich sage, dass wir in diesem Bereich besser werden müssen.

Welche Bereiche wären das? Wo sehen sie das Verbesserungspotenzial innerhalb der Mannschaft?

Wimmer: Wo wir schon noch Defizite haben, ist sicherlich in der Restverteidigung nach einem Ballverlust. Dass du da im Ballbesitz schon den Ballverlust besser vorbereitest und wenn das Gegenpressing mal nicht greift und es überspielt wird, dass du da auf der letzten Abwehrlinie eine Überzahl und eine gute Zuordnung hast. Das ist schon etwas, wo wir immer noch Schmerzen haben und wie beim 1:0-Sieg gegen Lustenau Situationen zulassen, die uns sehr wehtun können. Da waren ja auch Situationen in der zweiten Halbzeit dabei, wo der Gegner den Moment nicht gefunden oder ausnutzen konnte, was eine andere Mannschaft in einem selbstbewussteren Zustand eventuell geschafft hätte.

Wo wir auch noch Schmerzen haben ist die offensive Strafraumbesetzung. Ich will da immer mit Minimum drei Spielern in diese Zone und die „Box“ hineinkommen. Da müssen wir schon noch den Spagat und die richtige Mischung finden, zwischen der Kontrolle und der nötigen Durchschlagskraft in der Offensive. Dann haben wir auch noch ein Thema beim Übergang zwischen dem tiefen zum höheren Pressing. An dem arbeiten wir nach wie vor. Das man hier durchschiebt und mutig bleibt, aber auch den richtigen Moment für den Anfang des Pressings findet und hier vor allem selber entscheidet! Es darf nicht sein, dass uns eine Umstellung wie gegen die WSG Tirol völlig aus der Bahn wirft. Hier geht’s dann auch um das Coaching untereinander auf dem Feld.

Also verlangen sie auch mehr Eigeninitiative von den Spielern auf dem Rasen?

Wimmer: Am Ende des Tages gibt es viele Stadien, wo du aufgrund der Lautstärke von der Seitenlinie als Trainer wenig Einfluss auf das Spiel nehmen kannst. Da muss ich auf dem Feld als Spieler erkennen – baut der Gegner jetzt mit zwei oder drei Spielern in der Spieleröffnung auf? Wie reagieren wir hier auf veränderte Umstände? Und das ist schon etwas, wo wir noch viel Potenzial nach oben haben, da uns oft auch Kleinigkeiten zu leicht aus der Bahn werfen. Wir sind zwar zuletzt etwas stabiler geworden, aber in den Wochen zuvor gab es immer wieder Momente, wie etwa mögliche Fehlentscheidungen, Torchancen des Gegners oder auch ein Gegentor, was uns total nervös gemacht hat – oder selbst eigene Tore, wo wir quasi direkt im Anschluss Gegentreffer kassiert haben! Im Cup gegen St.Anna ermöglichen wir dem Gegner nach der eigenen Führung quasi im direkten Gegenzug eine hundertprozentige Torchance auf den Ausgleich.

Da müssen wir einfach lernen, im Spiel zu bleiben, aktiv zu bleiben, sich nicht beirren zu lassen – und das über 90 Minuten hinweg. Eben auch eine Konstanz hineinzubringen. Aber ebenso generell im Ballbesitz sauberer und klarer zu werden. Auch vom Passspiel her. Hier müssen wir noch lernen zu erkennen, wann es Sinn oder keinen Sinn ergibt, in gewisse Räume zu spielen. Also es gibt schon noch viele Themen, an denen wir arbeiten müssen, aber es wäre ja auch irgendwie schade, wenn es nicht so wäre.

Hier findet ihr den dritten und letzten Teil des Interviews, in dem Michael Wimmer unter anderem über die Entwicklung einiger seiner jüngeren Spieler und über seine persönliche Zukunft spricht.

Dalibor Babic