Am 14. Spieltag der österreichischen Bundesliga kam es in Wien-Favoriten zum Spitzenspiel zwischen dem FK Austria Wien und dem amtierenden Meister Red Bull Salzburg.... Analyse: Giftige Austrianer drängen Bullen an den Rand einer Niederlage

Am 14. Spieltag der österreichischen Bundesliga kam es in Wien-Favoriten zum Spitzenspiel zwischen dem FK Austria Wien und dem amtierenden Meister Red Bull Salzburg. Dabei wollten die Violetten ihre imposante Serie weiter ausbauen, war man doch nicht nur seit sechs Pflichtspielen ohne Niederlage, sondern kassierte dabei auch seit über 700 Minuten keinen Gegentreffer mehr. Auf der anderen Seite ging es für die Bullen um die Verteidigung der Tabellenführung, für die man zumindest einen Punktegewinn benötigte.

Offensivpower trifft Abwehrbollwerk

Die Ausgangslage vor diesem Spiel versprach ein hochinteressantes Duell, traf doch die beste Defensive der letzten Wochen auf die torgefährlichste Angriffsreihe der Liga. Doch so richtig überzeugen konnte Red Bull Salzburg in dieser Saison bislang nicht, mischten sich unter Trainer Struber häufig schwache Vorstellungen ein und man hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehr Heimniederlagen, als in jeder der vergangenen Saisonen in der Gesamtabrechnung. In der Champions League zeigte man allerdings unter der Woche gegen Inter Mailand eine gute Leistung und verlor unglücklich nach einem Elfmetertor.

Das Spiel in Wien sollte jedoch eine völlig andere Charakteristik haben und auch aufgrund des physischen Aspekts eine Herausforderung werden. Im Vergleich zum Spiel gegen den italienischen Tabellenführer nahm man drei Veränderungen vor, behielt jedoch die gewohnte 4-1-3-2 Systematik bei, in welcher der Däne Bidstrup auf der „Sechs“ und die Doppelspitze bestehend aus Konate und Ratkov den Vorzug bekam.

Und die Austria? Die hatte nach den erfolgreichen Wochen klarerweise wenig Grund Veränderungen in der Mannschaft vorzunehmen. Einzig Flügelverteidiger Polster ersetzte Guenouche und sollte eine extra Portion Tempo einbringen. Spielmacher Fitz kehrte zwar nach überstandener Krankheit wieder in den Kader zurück, seine Kräfte waren jedoch für diese intensive Partie scheinbar noch nicht ausreichend. Man blieb auch der gewohnten 3-4-3/5-2-3 Grundformation treu und vertraute hier darauf, über die starke Organisation den Gegner einengen zu können.

Von Anfang an sollte sich auch eine intensive Partie entwickeln, in der es vor allem im Mittelfeld heiß herging. Die Gäste legten zunächst einen guten Start in die Begegnung hin, konnte dabei gleich längere Ballbesitzphasen verbuchen und so schnell in den Rhythmus hineinfinden.

Die Violetten starteten zunächst noch etwas verhalten und versuchten, ihren Matchplan umzusetzen, in dem das disziplinierte Verteidigen Vorrang hatte. Klarerweise passte man sich hier auch dem Gegner gezielt an und legte sich eine entsprechende Strategie zurecht. Eine Schlüsselrolle sollte dabei die erste Pressinglinie der „Veilchen“ einnehmen, die den Takt vorgab. Zunächst positionierten sich die Gastgeber gegen den Ball mit der Angriffsreihe auf einer Höhe von rund 30 Metern vor dem gegnerischen Tor und ließen den Spielaufbau bewusst zu. Konkret durften die beiden Innenverteidiger Pavlovic und Baidoo mit Torhüter Schlager den Ball unbedrängt hin- und herspielen – stattdessen wurden die Passwege und Räume nach vorne von den Wienern zugestellt.

Zum Einsatz kam dabei der „Deckungsschatten“ mit dem einerseits Mittelstürmer Asllani den gegnerischen „Sechser“ Bidstrup, andererseits seine Kollegen im Angriff Fischer und Gruber die Halbräume zustellen sollten, wo die „Achter“ Forson und Capaldo lauerten.

Das Ziel war hier ganz klar: Es sollte das Bespielen des Zentrums verhindert werden und die Bullen auf die Flügelzonen gelenkt werden. Keine einfache Aufgabe, mussten diese drei Akteure miteinander nahezu synchron verschieben und ständig über die Schulter blicken, um die eigene Positionierung, jener des Gegners anzupassen. Dieses beschriebene Muster kann man beim nächsten Bild gut erkennen:

Salzburg im Ballbesitz, man baut das Spiel aus der 4-1-3-2 Grundformation auf und die beiden Innenverteidiger haben Zeit sich das Leder zuzuspielen. Die Austria konzentriert sich in der ersten Pressinglinie darauf, die Passwege ins Zentrum mithilfe des „Deckungsschattens“ zuzustellen. Vereinfacht gesagt verdeckt man damit den Gegenspieler und ist dieser damit vertikal nicht anspielbar für den Ballführenden, so wie es Asllani in der Sturmmitte vorzeigt.

Doch dieses Verteidigungsmuster praktizierten die Violetten nicht auf sture Art und Weise, sondern adaptierten ihr Defensivverhalten der Situation entsprechend. Das sah man speziell dann, wenn der Ball zu den Außenverteidigern der Gäste kam. Wenn nämlich diese, wie im ersten Bild, etwas höher standen, fielen sie in den Verantwortungsbereich der violetten Flügelverteidiger und mussten sowohl Ranftl als auch Polster nach dem erfolgten Pass, im Vollsprint herausrücken und sie attackieren. Wenn die Außenverteidiger der Bullen jedoch tiefer verblieben, kamen sie wiederrum in den Verantwortungsbereich der ersten Pressinglinie. In diesem Fall musste dann der Flügelstürmer zuerst den Pass nach Außen erzwingen und diesem dann quasi hinterhersprinten, um den Außenverteidiger zu stellen. Für diese Umsetzung musste ein hohes Maß an Bewusstsein für das Aufgabenfeld und die Kommunikation untereinander herrschen.

Austria setzt Salzburg mit Intensität zu

Durch diese defensive Strategie erzwangen die Gastgeber bereits in der Anfangsphase einige lange Bälle und verhinderten damit ein flaches und geordnetes Übergangsspiel der Salzburger in die gegnerische Hälfte. Diese langen Bälle waren bei der kopfballstarken Innenverteidigung meistens gut aufgehoben, wobei es die Bullen hier natürlich in erster Linie auf den Kampf um den zweiten Ball abzielten.

Durch die drei Spieler in der ersten violetten Pressinglinie, hatten die Salzburger im zentralen Mittelfeld nominell eine Vier-gegen-Zwei-Überzahl, die man versuchte so auszunutzen. Doch da machten die Bullen die Rechnung ohne die beiden „Sechser“ der Austria Jukic und Potzmann, die mit ihrer Dynamik und Aggressivität hier oftmals einen raschen Zugriff auf die zweite Bälle bekamen und immer wieder durch nach vorne schiebende Innenverteidiger unterstützt wurden. So kamen die Wiener auch oftmals in den Ballbesitz und fanden nach fünf bis zehn Minuten in ihren gewohnten Rhythmus hinein.

Einen Anteil daran hatten auch die Salzburger, die in der Anfangsphase zwar versuchten, Angriffspressing zu spielen, jedoch immer wieder Stellungsfehler begingen bzw. Abstimmungsprobleme zu sehen waren. Mal wurde Ranftl komplett freigelassen und Handl konnte so das Pressing mit einem einfachen Pass in die Breite aushebeln, oder sich lösen und eine Spielverlagerung einbauen, mal ließ man dem anderen Halbverteidiger Galvao zu viel Platz und dieser konnte ins Mittelfeld dribbeln. So überbrückten die Gastgeber immer wieder das Pressing der Bullen und kamen damit sauber in die gegnerische Hälfte.

Und wenn dann doch der lange Ball gespielt werden musste, hatte die Austria mit Zielspieler Asllani jemanden, der um die Bälle kämpfte und notfalls aus der Etappe die anderen Spieler im Mittelfeld, die die zweiten Bälle aufsammelten. Egal ob es Jukic, Potzmann, Fischer oder die Halbverteidiger war, man zeigte hier eine hohe Aggressivität und Gier nach dem Ballgewinn.

Dann kam die 14. Spielminute, die diese „Funken“ zu einem violetten „Feuerwerk“ entzünden sollte. In dieser Szene kombinierten sich die Favoritner über mehrere Stationen bis ins letzte Drittel, wo Fischer mit einem tollen Ball Gruber bediente, der mit einem Volley nur knapp das Tor verfehlte. Das sollte der Startschuss sein, von wo an man noch einen Gang höher schaltete. Nun erfolgte auch von Trainer Wimmer das Kommando an die Stürmer, die Lauerstellung nachdem man die Passoptionen zugestellt hat aufzugeben und die Innenverteidiger aus dem Deckungsschatten heraus vorne zu attackieren. Doch auch die restlichen Mannschafsteile sollten noch aggressiver nach vorne rücken und das Risiko erhöhen. Das konnte man wunderbar bei der darauffolgenden Topchance einige Minuten später sehen, bei der Kapitän Fischer viel zu überhastet abschloss und den völlig freistehenden Asllani nicht anspielte:

Salzburg im Spielaufbau, Pavlovic versucht den diagonalen Pass auf Forson zu spielen, der überragende Innenverteidiger Handl (rote Linie) liest die Situation perfekt und sticht 30 (!) Meter vor dem gegnerischen Tor heraus, um den Ball zu erobern und Fischer einzusetzen. Der trifft die falsche Entscheidung und spielt Asllani nicht frei, der alleine vor dem Torhüter gestanden wäre.

Diese Szene stand exemplarisch für die restliche erste Halbzeit und zeigte eine überaus giftige Austria-Mannschaft, die den Bullen immer wieder mit ihrer Intensität und dem Pressing zusetzte und nicht davor zurückschreckte, hoch zu attackieren und mit der Abwehrlinie nachzuschieben. Daraus resultierte speziell im Zentrum ein hoher Druck und viele Ballgewinne – kamen die Gastgeber folglich so auch zu zahlreichen Umschaltsituationen und gefährlichen Aktionen. Fischer, Asllani und mehrmals Gruber hatten hier einige Male die Führung auf dem Fuß und oftmals musste der überragende Teamtorhüter Schlager die Salzburger retten. In diesen Szenen merkte man allgemein, dass die „Veilchen“ spritziger, Gedankenschneller und wesentlich frischer waren.

Man nutzte dies allerdings auch mustergültig aus und ausgestattet mit viel Selbstvertrauen und einer breiten Brust, stellte man den Serienmeister vor enormen Problemen. Wie aggressiv und kompakt die Austrianer agierten, kann man beim nächsten Bild recht gut erkennen:

Salzburg im Spielaufbau, die Austria steht de facto mit der gesamten Mannschaft beinahe in der gegnerischen Hälfte und bildet einen extrem kompakten Block in einem Abstand von 20x20m, der kaum Räume anbietet und aggressiv nach vorne attackiert.

Die Gäste kamen mit dieser Spielweise nicht zurecht und wurden quasi mit den eigenen Mitteln bekämpft. Nur selten schaffte man es sich durchzuspielen oder rutschte ein Ball in die Spitze durch, aber selbst dann waren die überragenden Innenverteidiger der Austria kaum zu überwinden und verteidigten selbst schwierige Situationen auf einem konstant hohen Niveau. Daher konnten die Bullen von Glück reden, dass es mit einem 0:0 in die Halbzeitpause ging.

Austria lässt nicht nach und setzt sich in der gegnerischen Hälfte fest

Nach dem Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit merkte man am Spielfeld sofort, dass die Violetten Lunte gerochen haben und nun alle Zügeln fallenließen. Salzburg wurde fortan von einem situativen aber knackigen Angriffspressing begrüßt und bekam immer weniger Zeit am Spielgerät und teilweise nicht mal mehr die Pässe zwischen Torhüter und Innenverteidiger zugestanden. Dadurch spielte sich beinahe die gesamte zweite Halbzeit in der Spielhälfte der Salzburger ab und konnten sich die Gastgeber oftmals in dieser festsetzen.

Nicht nur das, man eroberte nach wie vor viele Bälle, spielte schnörkellos nach vorne und zog einige schöne Ballstafetten auf. Interessanterweise ließ Salzburg-Trainer seine Innenverteidiger in der Spieleröffnung weiter breit stehen und wurde dadurch fast bestraft, als Asllani durchbrechen konnte und mit einem tollen Schuss den Torhüter zu einer Parade zwang.

In dieser Tonart ging es unaufhörlich weiter und die Schlagzahl der Violetten blieb hoch. Exemplarisch war dann die Szene im Vorfeld zur größten Torchance, die man aus dem Spiel heraus kreierte. Salzburg versuchte den Spielaufbau, die Austria ging ins Angriffspressing und Jukic verfolgte über mehrere Meter im Vollsprint den technisch starken Sucic, erzwang so einen Fehlpass, den Potzmann abfing und direkt zu Fischer weiterspielte. Der legte im Strafraum auf Jukic ab, der die Situation einleitete und fast vollendete – jedoch an der Latte scheiterte. Das kann man beim nächsten Bild erahnen:

Salzburg im Spielaufbau, „Zehner“ Sucic lässt sich fallen um Unterstützung zu leisten, jedoch nimmt Jukic die Verfolgung auf und setzt den Spielmacher unter Druck…

… der einen ungenauen Pass auf Bidstrup spielt, wodurch Potzmann den Ball abfangen kann und direkt auf Fischer weiterspielt, wodurch die Austrianer eine 4-gegen 2-Überzahlsituation vorfinden und Jukic anschließend an der Latte scheitert.

Solche Ballgewinne gab es zuhauf und immer wieder kamen die „Veilchen“ gefährlich ins letzte Drittel und übten so Druck aus, auch wenn nicht jede Aktion sauber fertiggespielt wurde. Ein Treffer lag jedoch in den ersten 15 Minuten nach Wiederanpfiff in der Luft und die Gastgeber hatten zwischenzeitlich 16:3 Abschlüsse, was die Überlegenheit unterstreicht.

Nach und nach spürte man jedoch auch bei den Violetten die schwindenden Kräfte, speziell bei den Offensivspielern, die enorm viel arbeiteten. Dazu nahm Austria-Trainer den überragenden Jukic aus der Partie, vermutlich da dieser gelb verwarnt war, wodurch auch ein kleiner Bruch im Spiel mit einherging.

Durch dessen Herausnahme fehlte der Verbindungsspieler auf der linken Seite und wurde der Rechtsfokus immer stärker, was auf Kosten der Balance im Spiel ging. Dadurch wurde die Schlagzahl an gefährlichen Aktionen im letzten Drittel immer weniger und kamen auch die Salzburger etwas auf, fanden durch den eingewechselten Nene eine gute Gelegenheit vor, die gerade noch abgeblockt werden konnte. Austria-Trainer Wimmer warf in der Schlussphase noch den Goldtorschützen vom letzten Spiel, Stürmer Schmidt ins Spiel und hoffte, dass der Joker erneut zustechen könne. Und beinahe wäre es auch so gekommen, als die Austrianer einen Elfmeter zugesprochen bekamen, nachdem der eingewechselte Simic im Strafraum ungeschickt Martins zu Fall brachte. So bekamen die Gastgeber einen Strafstoß zugesprochen, gleichzeitig aber auch einen Platzverweis, da der Schiedsrichter Martins anschließend eine Tätlichkeit attestierte und folglich ihm die Rote Karte zeigte.

Der eingewechselte Schmidt trat zum Strafstoß an, scheiterte jedoch recht kläglich am überragenden Teamtorhüter Schlager, der seine Mannschaft erneut vor einem Gegentreffer und damit auch der Niederlage bewahrte. Nicht nur, dass die Violetten den Elfmeter vergaben, nun musste man auch in Unterzahl gute zehn Minuten überstehen und plötzlich den Punkt verteidigen. Man stellte auf ein 4-4-1 um und versuchte die Bullen fernzuhalten, was überwiegend auch gelang. Einzig Stürmer Raktov fand eine gute Chance nach einem Freistoß vor, setzte den Volley jedoch über das Tor. Damit blieb es beim 0:0 und teilten sich beide Teams die Punkte.

Fazit

Auch wenn die Begegnung mit einem torlosen Remis endete, so war dieses Spiel zweifellos überaus unterhaltsam und hatte einiges zu bieten. Knackige Zweikämpfe, zwei pressende Teams und viele Strafraumsituation, vorwiegend zugunsten der violetten Gastgeber. Die Austrianer legten sich einen perfekten Matchplan zurecht, zeigten erneut eine starke Organisation und wurden von Minute zu Minute immer mutiger und aktiver, weshalb man sich so viele Torchancen gegen Salzburg erspielte, wie es in der Form schon lange nicht mehr der Fall war.

Die gut getimten Pressingwellen, die Sprintintensität aller Spieler sowie die Aggressivität gepaart mit einer tollen Abwehrlinie, die nahezu fehlerfrei agierte, ermöglichten eine deutliche Überlegenheit, die sich nur nicht im Ergebnis widerspiegelte. Das müssen sich letztlich die Violetten vorwerfen und man im Endeffekt auch den drei Punkten hinterhertrauern, die definitiv in Reichweite waren. Besonders bitter ist dabei, dass man nun das zweite Heimspiel in Folge den Heimsieg gegen den Liga-Krösus in den Schlussminuten auf dem Fuß hatte und den Sack nicht zumachen konnte. Daran wird man arbeiten müssen.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic