Ein Punkt aus den letzten elf Bundesligaduellen: Rapid hat in Red Bull Salzburg in den letzten Jahren wahrlich keine Lieblingsmannschaft gefunden. Doch wieso war... Punkt zum Greifen nahe: Warum es für Rapid in Salzburg wieder nicht klappte

Ein Punkt aus den letzten elf Bundesligaduellen: Rapid hat in Red Bull Salzburg in den letzten Jahren wahrlich keine Lieblingsmannschaft gefunden. Doch wieso war diesmal, beim 1:2 in Salzburg am vergangenen Sonntag, kein Punkt drin?

Da wäre zunächst einmal diese mühevolle erste Halbzeit. Unterm Strich konnte Rapid froh sein, nur mit einem 0:1-Rückstand in die Pause zu gehen. Es ist in der aktuellen Rapid-Mannschaft fast schon üblich, dass man zumindest eine Spielphase verschläft, diesmal war es aber nicht etwa die Zeit nach einem Dämpfer wie einem Gegentreffer, sondern der komplette erste Durchgang.

Neuerliches Zentrumsproblem in der 1. Halbzeit

Qualitätsprobleme wurden einmal mehr in der Zentrale sichtbar. Kapitän Grahovac startete inferior, ließ etwa vor dem Treffer von Luka Sucic den Zwischenlinienraum verwaisen. Auch im Fall seines Nebenmannes Dejan Petrovic wird immer klarer, dass er für einen Legionär nicht gut genug ist und auch die Entwicklungskurve beim 24-Jährigen nicht nach oben zeigt. Darüber kann auch eine gute Partie in Klagenfurt vor drei Wochen nicht hinwegtrösten.

Ljubicic isoliert, Offensive hängt in der Luft

Durch die völlige Indisponiertheit der Doppelsechs/Doppelacht hingen schließlich auch die Vorderleute in der Luft. Robert Ljubicic war ein Opfer des praktisch nicht vorhandenen Kombinationsspiels im Zentrum. Der 22-Jährige sollte der Verbindungsmann zwischen Defensive und Offensive, praktisch der „Übergangsspieler“ sein, kam aber nie in Situationen, in denen er tief spielen konnte, weil schon hinter ihm kaum zwei oder drei progressive Pässe hintereinander funktionierten. Das sorgte dafür, dass die gesamte Rapid-Offensive abgemeldet war bzw. stets in schwierige Duelle nach langen Bällen verwickelt war, die vor allem Solet souverän wegräumte.

Keine Überladungen auf links

Während die Innenverteidigung der Hütteldorfer ihren Job gut erledigte, hatte man Probleme auf den Außenpositionen. Dem 20-jährigen Martin Moormann sah man auf der linken Abwehrseite zunächst seine Defensivlastigkeit an. So kann er zwar gegen einen starken Gegner seinen Vordermann Marco Grüll absichern und schnelle Gegenstöße dank seiner Physis und tieferen Position verhindern, gleichzeitig musste Grüll aber praktisch immer das Eins-gegen-Eins suchen, weil er nie hinterlaufen wurde und Rapid so keine Flügelüberladungen herstellen konnte. Grundsätzlich eine legitime Herangehensweise um nicht ins offene Messer zu laufen, aber andererseits werden so kaum Salzburg-Spieler gebunden und in Defensivaufgaben gezwungen, weshalb diese recht unbekümmert und mit großem Offensivfokus agieren konnten.

Stojkovic-Ausfall schmerzt, Jaissle lässt Schicks Seite bespielen

Auf der anderen Seite der Viererkette sorgte ein Ausfall für den wohl größten Qualitäts- und Mentalitätsunterschied auf einer „Doppelbesetzung“ in Rapids Kader. Wenn Thorsten Schick statt Filip Stojkovic aufläuft bedeutet das gerade in Spitzenspielen nichts Gutes. Rapid ist aufgrund der allgemeinen Mentalitätsmängel auf die Abgebrühtheit des Montenegriners angewiesen wie auf einen Bissen Brot. Gegen kleinere Gegner wäre das kein Problem, aber in der Meistergruppe und speziell in Salzburg braucht es Mätzchen, das nötige Feuer und gut ausbalancierte Passmuster – eben einen Führungsspieler. Schick bringt seit geraumer Zeit leider nichts davon auf den Platz und so war es wenig verwunderlich, dass Matthias Jaissle besonders seine Seite bespielen ließ.

Rapid agiert gegen Salzburg meistens „anders“

Rapid war in der ersten Hälfte also praktisch nicht vorhanden. Man hatte wie so oft das Gefühl, dass die einfachsten Pässe gegen Salzburg schwerer vom Fuß gehen. Einerseits wegen des erhöhten Tempos, das Rapid aber durchaus gehen kann, wie man es schon mehrfach bewies. Andererseits sicher wegen der Unserie gegen die Mozartstädter. Es wirkt nicht selten so, als würde Rapid mit der Niederlagenserie im Hinterkopf ängstlich in die Duelle mit Salzburg gehen, was in den letzten Jahren auch die eine oder andere Klatsche zur Folge hatte. Die blieb diesmal auch wegen der Ineffizienz der Salzburger und leichter Mängel in den Passmustern in der Mittelfeldzentrale (speziell Capaldo) aus.

Erstes echtes „Hinterlaufen“ bringt Rapid den Ausgleich

Und so bekam Rapid eine Galgenfrist und hatte die Chance es in der zweiten Halbzeit besser zu machen. Mit Knasmüllner statt des leider richtig schlechten Petrovic und damit einer klaren 6-8-10-Staffelung im Zentrum. Auch wenn die erste große Chance Adamu vorfand, bei der der erneut souveräne Hedl einen starken Reflex auspackte, war es Rapid, das ins Spiel zurückfand. Erstmalig aufgrund einer Flügelüberladung, die Salzburg nach hinten drängte. Es brauchte nur einen intensiven Lauf von Marco Grüll und – endlich – das Hinterlaufen von Moormann, das Salzburg plötzlich in eine fast ungewohnte Situation brachte, sowie ein wenig Ballglück nach dessen Flanke, um auf 1:1 zu stellen. Natürlich war dies kein wie auf dem Faden gezogener Spielzug, aber es war die erste mutige Aktion der Wiener, die schließlich auch belohnt wurde.

Rapid gestaltet das Spiel offen und stabilisiert sich

Mit dem Ausgleich im Rücken wurde Rapid sicherer, hielt die Salzburger auch weitgehend gut vom eigenen Tor fern, weil die Innenverteidigung mit Aiwu und Wimmer gut stand und auch andere Spieler – vor allem die auf links und halblinks – sich langsam stabilisierten. Bei einem „Hunderter“ durch Capaldo hatte Rapid Glück, aber auch die Salzburger wackelten phasenweise, wie etwa nach einem guten Konter, bei dem Ulmer knapp vor Druijf rettete oder einem missglückten Abschlag von Köhn.

Salzburg packt den Kader aus

Hier hätte das Spiel durchaus kippen können, aber dann packte Salzburg den wohl größten Vorteil zur gesamten Konkurrenz aus: Die enorme Kaderdichte. Während bei Rapid nur noch U21-Spieler auf der Bank saßen, konnte Jaissle mit Adeyemi, Kjaergaard, Sesko und Junuzovic im Laufe der zweiten Halbzeit vier Spieler bringen, die bei jedem anderen Klub der Liga absolute Leistungsträger wären.

Salzburg bespielt Rapids Schwächen – und trifft.

Ein Punkt wäre zumindest ein wenig Balsam auf Rapids „Salzburg-Wunden“ gewesen und der war zum Greifen nahe, doch in der 94. Minute hatte einmal mehr Zlatko Junuzovic etwas dagegen. Sein glücklicher Siegtreffer legte noch einmal alle personellen Grundprobleme Rapids offen. Zunächst bekam Ulmer im Zentrum keinen Gegnerdruck, weil bei Rapid die meisten Spieler auf den eigenen Strafraum konzentriert waren. Sein einfacher Pass fand Karim Adeyemi, der sich weit nach links fallen ließ – natürlich um Schick zu bespielen. Der verfolgte den flinken Deutschen aber nur sehr passiv und ließ ihn einen scharfen Stanglpass zur Mitte spielen. Aus dem daraus folgenden Gestocher passierte Rapids neuerlicher Todesstoß in der Red Bull Arena.

Probleme im Sechserraum und das „Duell mit Ansage“

In der ersten Halbzeit fehlte vieles. Im Laufe der zweiten Halbzeit fehlte auch noch so manches, aber deutlich weniger und Rapid rüttelte zumindest ein wenig an der Sensation oder zumindest einem Punktgewinn. Im Finish fehlte aber Physis im Mittelfeldzentrum, mit der man nicht nur defensiv mehr entgegensetzen könnte, sondern auch so viel Kontrolle über einzelne Aktionen bekommen könnte, um zielgerichtet kontern zu können. Und schließlich war auch das Duell Adeyemi-Schick wieder ein Musterbeispiel für Rapids langwährendes Mentalitätsproblem. Dass Salzburg seine letzte Chance genau über dieses Duell suchen würde, kam praktisch mit Ansage…

Stojkovic-Ausfall ein möglicherweise entscheidender Nachteil

Man ist fast versucht zu behaupten, dass dieser Gegentreffer mit Stojkovic auf der Rechtsverteidigerposition in dieser Phase des Spiels nicht passiert wäre. Tatsächlich wäre das Spiel mit dem routinierten Montenegriner aber ohnehin völlig anders verlaufen. Etwa weil Salzburgs Mittelfeldmetronom Mohamed Camara bereits nach 15 Minuten Gelb sah und Stojkovic vermutlich alles versucht hätte, um den Malier zu einem Platzverweis zu „zwingen“. Eben solche Dinge, die sich die Rapid-Fans in einem heißen Spitzenspiel – oder wie auch immer man diese Begegnung im Jahr 2022 nennen möchte – erhoffen würden. Stattdessen war Rapid als Mannschaft aber insgesamt nicht ausbalanciert genug, um noch mehr Nadelstiche zu setzen, wenngleich die zweite Halbzeit natürlich positiv bewertet werden kann.

Positive Erkenntnisse

Die Lichtblicke des Spiels: Torhüter Hedl, die Innenverteidiger Aiwu und Wimmer und schließlich auch Torschütze Ferdy Druijf, der enorm viel arbeitete und immer besser das Spiel verlagert. Im Laufe der zweiten Halbzeit wurden auch Moormann, Grahovac und Ljubicic besser, aber um in Salzburg zu punkten braucht es dennoch mehr Konstanz und Balance in der mannschaftlichen und auch gruppentaktischen Gesamtleistung. Die war einmal mehr nicht gegeben, aber Rapid sah auch, dass es mit etwas mehr Mut zum Risiko durchaus mal wieder möglich wäre, die wenigen Schwachstellen der Roten Bullen erfolgreich zu bespielen. Dieses Selbstverständnis ist wohl das Erste, was Rapid wiederfinden muss, will man wieder einmal gegen den Serienmeister punkten.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen