Es hätte ein großer Showdown werden sollen, nach dem Rapid in der Tabelle mit Red Bull Salzburg gleichziehen sollte. So zumindest das Wunschdenken und... Rapids Grenzen und das „Platz-3-Paradoxon“

Es hätte ein großer Showdown werden sollen, nach dem Rapid in der Tabelle mit Red Bull Salzburg gleichziehen sollte. So zumindest das Wunschdenken und die Träume mancher Fans. Nun ist die Ausgangslage vor dem Heimspiel Rapids gegen Salzburg aber eine andere, was im Großen und Ganzen letztlich doch nicht verwunderlich und vielleicht auf lange Sicht auch „sinnvoll“ ist.

Salzburg holte in zwei Spielen gegen den WAC nur zwei Punkte, Rapid schüttete gleichzeitig im Heimspiel gegen Hartberg aus, das auch sein drittes Auswärtsspiel in der Meistergruppe gewann. Der Rückstand der Hütteldorfer auf den Tabellenführer beträgt nun bei klar schlechterem Torverhältnis sechs Punkte und das Primärziel im heutigen Abendspiel der Bundesliga ist, den Salzburgern nicht die Möglichkeit zu geben, den praktisch fixen Meistertitel im leeren Weststadion feiern zu dürfen.

Zunächst „gutes Gefühl“ gegen Hartberg

Dabei begann auch gegen Hartberg alles vielversprechend. Yusuf Demir gab sein Startelfdebüt und war gleich in den ersten Minuten an mehreren gefährlichen Szenen beteiligt bzw. leitete mehrere gute Torchancen ein. Wenn Taxiarchis Fountas verletzt fehlt, herrscht bei Rapid allerdings Ladehemmung. Christoph Knasmüllner läuft weiterhin seiner Form nach, Ercan Kara ist als Starter noch nicht ideal eingebunden, in der zweiten Halbzeit agierte Koya Kitagawa einmal mehr unglücklich.

Aber die Oststeirer präsentieren sich supereffizient

Hartberg kam zur rechten Zeit aus der Umklammerung, nützte einen Fehler von Maximilian Ullmann eiskalt aus. Medial wurde hauptsächlich von einem „Ullmann-Blackout“ gesprochen und der Linzer erwischte tatsächlich keinen idealen Tag. Das Gegentor gehört aber nicht Ullmann alleine, denn vor seinem Katastrophenrückpass in die Beine des späteren Assistgebers Lukas Gabbichler sah man auch auf den Fernsehbildern eindeutig, dass Ullmann eine Anspielstation forderte, während sich Knasmüllner weit von ihm wegbewegte, anstatt zu antizipieren.

Antizipations- und Bindungsprobleme

Diese fehlerhaften Tiefenbewegungen – speziell von Knasmüllner, aber beispielsweise auch von Demir in der zweiten Halbzeit – ziehen sich trotz der guten Ergebnisse wie ein roter Faden durch die Meistergruppenauftritte Rapids. Die Bindung zwischen den Mannschaftsteilen ist im Spielaufbau der Hütteldorfer noch lange nicht so gut, wie sie scheint. Besser sah man immer dann aus, wenn man bei guter Staffelung und Mittelfeldpressing kontern konnte und die Passwege quasi vorgezeichnet waren. Wenn der Gegner aber bei grün-weißem Spielaufbau die ballnahe Seite überlud, tat man sich aufgrund ebendieser Laufwege schwer, was zum Teil auch schon in der zweiten Halbzeit gegen den WAC zum Problem wurde.

Rapid noch nicht dominant genug für eine Defensivschlacht des Gegners

Ein größeres Problem in der gruppentaktischen Anbindung, gepaart mit einem schrecklichen Fehlpass, der aber nur das Ergebnis des anderen Problems war, führte also zum Führungstreffer für Hartberg durch Dario Tadic. Und danach sah man – zumindest über weite Strecken – was bei Rapid eben noch lange nicht meisterlich ist. Hartberg war die erste Mannschaft seit langer Zeit, die Rapid in Führung liegend mit einer extrem tiefen und kompakten Ausrichtung begegnete. Die Wiener hatten durchaus Chancen diese Kompaktheit zu brechen, etwa mit Demirs Großchance unmittelbar nach der Pause, der ein sauberer Spielzug Rapids voranging.

Situations-, aber auch materialbedingt

Wenn man den Gegner allerdings dauerhaft unter Druck setzen muss, anstatt ihn im eigenen Aufbau in etwas tieferen Zonen zu pressen und dann Gegenangriffe zu starten, ist Rapid zu harmlos. Das liegt einerseits am Spielermaterial, das gegen sehr tief agierende Gegner weder für extrem dynamische Tiefenläufe, noch für „Brechermentalität“ geeignet ist, andererseits aber auch an der gesamten Corona-Situation, die nun bereits eindeutig an die Substanz geht.

Debütant Savic als möglicher Tiefengeber

Kühbauer wollte entgegenwirken, brachte mit dem jungen Dragoljub Savic einen Spieler, der ebendiesen Tiefgang mitbringen könnte. Der junge Serbe präsentierte sich unbekümmert, allerdings zeigte die Einwechslung auch, wie es mittlerweile um die Personaldecke Rapids bestellt ist. Probieren musste Kühbauer es allerdings und in der einen oder anderen Situation hätte sich Savic‘ Einwechslung auch beinahe ausgezahlt.

Letzte Wechsel bringen keine Stabilität mehr

Die letzten Wechsel der Partie waren allerdings weniger logisch: Stephan Auer kam für Filip Stojkovic und zeigte fortan eine eigentlich Auer-untypische, blutleere Darbietung. Dass Innenverteidiger Paul Gobara anstelle von Yusuf Demir kam, um Dejan Ljubicic bedenkenlos auf die Sechs/Acht vorzuziehen, tat dem mittlerweile zerfahrenen Spiel auch nicht gut. Rapid gingen nach und nach die Ideen aus, die hohe körperliche Belastung wurde auch zum Konzentrations- und Präzisionsfaktor, weshalb unterm Strich die 0:1-Niederlage stand, die Rapid dort hinterlässt, wo man qualitativ hingehört – nämlich im Kampf um die Plätze 2 bis 4.

Gegen Salzburg wieder mit Beton

Gegen Salzburg steht nun eine völlig andere Partie an und Rapid wird mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem 3-4-2-1/3-4-1-2-System herausagieren. Zentrale Fragen in der offensiven Ausrichtung betreffen den Fitnesszustand von Fountas und Arase. Dass Rapid sein offensives Glück über schnelle Konterspieler, nicht aber Prellböcke wie etwa Kara suchen wird, scheint hier klar. Defensiv wird wieder eine kompakte Dreierkette mit Ljubicic als innerem Innenverteidiger aufgeboten werden, dazu Ullmann und Stojkovic außen, um situativ eine pendelnde Viererkette bilden zu können. In der Mittelfeldzentrale ist die ultradefensive Variante mit Grahovac, Petrovic und Schwab, dafür ohne Knasmüllner denkbar. Wenn Fountas oder Arase ausfallen, könnte das System eher einem 3-4-2-1 mit Schwab und Demir als leicht versetzten, zentralen Offensivspielern gleichen.

Das Platz-3-Paradoxon

Wenn Rapid Salzburg nicht schlägt, könnte man nach dem Einspruch des LASK, der nun zwei von sechs Minuspunkten zurückbekam, bereits Dritter sein. Und das spiegelt aktuell auch die wahren Kräfteverhältnisse in der Liga wider. Das große Paradoxon ist, dass gerade in der prekären Lage Rapids im Zuge der Corona-Krise eigentlich eher der dritte, als der zweite Platz das Ziel sein muss. Vor allem vor dem Hintergrund, dass es für ganz oben eben noch nicht reicht. Platz 3 brächte eine fixe Teilnahme an der Europa-League-Gruppenphase und damit Planungssicherheit. Platz 2 bedeutet Champions-League-Qualifikation, die Möglichkeit auf einen warmen Geldregen bei Erreichen des Playoffs (oder gar der Gruppenphase), aber auch die Gefahr nach nur einem Spiel aus der Champions-League- und einem weiteren aus der Europa-League-Qualifikation rauszufliegen und mit leeren Händen dazustehen. Das steht in paradoxem Widerspruch dazu, dass man immer gewinnen will – aber angesichts der äußerst seltsamen Europacupmodi könnte das 0:1 gegen Hartberg am Ende sogar einen tieferen Sinn gehabt haben. Denn auch wenn man hier einen Dreier eingefahren hätte: Salzburg würde sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dennoch nicht mehr überholen lassen und für die junge, weiterhin im Aufbau befindliche Rapid-Truppe wäre die Qualifikation zur Königsklasse ein größeres Risiko, als für den weitgehend gefestigteren LASK.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen