Im Spiel der 27. Runde der österreichischen Bundesliga kam es im Topspiel der Runde zum Duell von Meister Red Bull Salzburg und der Wiener... Salzburg für die Austria im „Pressing-Duell“ eine Nummer zu groß

Im Spiel der 27. Runde der österreichischen Bundesliga kam es im Topspiel der Runde zum Duell von Meister Red Bull Salzburg und der Wiener Austria, die in Wals-Siezenheim gastierte. Dabei trafen die Wiener auf eine Mannschaft, die auf einer regelrechten Erfolgswelle schwebt und von einem Highlight zum nächsten marschiert. Nach dem überzeugenden Weiterkommen gegen das europäisches Schwergewicht aus Dortmund wartete nun wieder das tägliche Brot in der Liga und es galt nach dem Sieg von Sturm wieder nachzuziehen und den Abstand wieder zu vergrößern. Die Austria hingegen stand nach den Siegen der Konkurrenz arg unter Zugzwang und war gegen den starken Gegner quasi zum Siegen gezwungen.

Systemumstellungen hüben wie drüben

Nachdem mit Thomas Letsch ein jahrelanger Mitarbeiter des Red-Bull-Konzerns in die Mozartstadt zurückkehrte, war man durchaus gespannt, ob dieser den „RB-Code“ knacken und den Bullen das Leben schwer machen könne. Dafür bedarf es jedoch einiges an Denkarbeit, da sich die beiden Trainer Letsch und Rose sehr gut kennen und auch gut miteinander zurechtkamen in ihrer gemeinsamen Zeit bei Salzburg. Der Trainer der Veilchen hat sich für dieses Spiel auch was ganz Besonderes überlegt und mit seiner Formation nicht nur bei seinem Trainerkollegen für Überraschung gesorgt, sondern eine Praxis gewählt, die auch die Salzburger im ersten Spiel zu Beginn gegen Dortmund praktizierten. Man entschied sich für ein 5-2-3/3-4-3 System und einer pendelnden Fünferkette, in der die Flügelverteidiger immer wieder die gegnerischen Außenverteidiger attackierten und die eigene Abwehr so in der Restverteidigung hie und da zur Viererkette wurde. Mit dieser Anordnung wollte man also nicht nur tief stehen und klassisch den Beton anrühren, sondern wollte trotz der Fünferkette Druck nach vorne ausüben und nicht passiv werden.

Das zeigte sich dann auch vor allem in der eigenen strategischen Ausrichtung. Von Anfang an machte man keine Anstalten tief zu stehen, sondern lief den gegnerischen Spielaufbau bereits frühzeitig an und rückte mit der gesamten Formation weit auf. Dabei hatte er auch eine Anordnung im Anlaufen gewählt, die jener der Salzburger durchaus ähnelte. Dadurch standen die Veilchen immer wieder in der vordersten Reihe in einer 2-1 Anordnung, in der sich Venuto und Pires an den beiden Innenverteidigern orientierten, während Monschein ein Stück tiefer stand und den Sechser Samassekou verfolgte. Mit diesem Kniff deckte man einerseits den vertikalen Passweg ins Mittelfeld für die beiden Innenverteidiger der Salzburger ab, während Monschein ebenso den Sechser zustellte. Darüber hinaus rückte auch ein  Sechser auf und sollte den ballnahen zentralen Mittelfeldspieler im Halbraum der Bullen in Deckung nehmen, um auch diese Räume abzudecken. Damit wollte man das Aufbauspiel der Bullen durch das Zentrum relativ früh unterbinden und sie auf die Flügel leiten. Sobald dann der Ball auf die Seite zu den Außenverteidigern gespielt wurde, sollten Stangl & Klein einerseits diesen Pass belauern und andererseits dann auch sofort Druck ausüben und die Gastgeber zum Rückpass zwingen.

Dass dieser Plan durchaus aufging, konnte man nicht nur bei den Ballbesitzzahlen im ersten Durchgang sehen (56 zu 44 für die Austria), sondern auch anhand der Passmap der beiden Innenverteidiger Ramalho und Pongracic, die überwiegend in die Breite spielten oder zum langen Ball nach vorne griffen – dadurch nur selten einen vertikalen Flachpass ins Zentrum spielen konnten. Daher waren auch die beiden Außenverteidiger der Bullen jene Spieler mit den meisten Ballaktionen innerhalb des eigenen Teams. Den gegnerischen Aufbau konnte man also gut unterbinden, hatte aber bei der eigenen Spieleröffnung ebenfalls mit Problemen zu kämpfen. Schwierigkeiten hatte man ab und zu auch in tieferen Zonen und vor allem bei „Longline-Bällen“, da die Flügelverteidiger mit Fortdauer der Partie vor Orientierungsprobleme gestellt wurden und die Salzburger entweder mit einem Achter oder Stürmer verstärkt auf die Seite auswichen, um mit dem eigenen Außenverteidiger Überzahl auf der Seite herzustellen und die Räume hinter den Flügelverteidigern der Wiener gezielt zu attackieren.

Dass die Formation von der Austria für Marco Rose jedoch nicht gänzlich unerwartet kam, konnte man anhand seiner Anpassungen am eigenen System gleich erahnen. Die Salzburger, die gewöhnlich in einem 4-3-1-2 und einer Raute im Mittelfeld auflaufen, veränderten die eigene Grundordnung etwas und liefen in einem „Tannenbaum-System“ auf, also in einem 4-3-2-1. Mit dieser Formation wollte man besseren Zugriff auf die Dreierkette beim gegnerischen Aufbauspiel gewährleisten und quasi „Gleichzahl“ herstellen. So war Stürmer Gulbrandsen die vorderste Spitze und lief meist den zentralen Mann in der Abwehr Madl an, während die Halbstürmer Wolf und Minamino sich an den beiden Halbverteidigern orientierten. Durch diese Anpassung wurden Pässe ins Zentrum quasi unterbunden, da die Stürmer zumeist die vertikalen Passwege ins Zentrum versperrten und oft von innen nach außen auf die Verteidiger zuliefen. Dadurch mussten die Veilchen relativ früh über den Flügel das Spiel aufbauen, was der Pressingauslöser wiederum für die Salzburger war. Sofort rückten in dem Fall zwei bis drei Spieler auf den Außenverteidiger der Austria drauf und setzen diesen unter Druck, weshalb es da meist kein Durchkommen nach vorne gab. Exemplarisch dafür war die erste Torchance in diesem Spiel von Minamino, als sich Stangl unter Druck auf ein Dribbling einließ und prompt den Ball verlor. Dadurch war es für die Veilchen äußerst schwierig, spielerisch nach vorne zu kommen und man griff daher meist zu langen Bällen.

Einzig Abwehrmann Michael Madl vermochte es hie und da selbst kleinste Passfenster anzuspielen und so das Zentrum zu bespielen, aber aufdrehen konnten die Passempfänger im Zentrum nur sehr selten und wurden oft sofort von hinten unter Druck gesetzt. Vor allem bei Pässen ins Zentrum zeigte sich die strategische Klasse, die die Salzburger unter Trainer Rose auszeichnet. Sobald nämlich ein Pass ins Zentrum vom Gegner gespielt wurde, zog sich ein Netz aus Spielern so eng zusammen, weshalb der Terminus „Druck“ dafür nicht mehr wirklich ausreicht, um diesen Zustand zu beschreiben. Von allen Seiten wurde der zentrale Mittelfeldspieler in dem Fall attackiert, von vorne, von hinten, von der Seite – also quasi aus allen Himmelsrichtungen. Da zeigten vor allem die Angreifer der Bullen ihre Laufbereitschaft, indem sie immer wieder ins Rückwärtspressing gingen und ständig aktiv waren bzw. sich keine Pausen gönnten. Diese beschriebenen strategischen Kniffe sind der wesentliche Grund dafür, warum die Salzburger unter Marco Rose so unangenehm zu bespielen und zu knacken sind, wie erst kürzlich das Team aus Dortmund mit vielen individuellen Ausnahmespielern leidvoll zur Kenntnis nehmen musste. In jeder Situation wissen die Salzburger ganz genau, was zu tun ist.

So entwickelte sich ein Spiel mit einer durchaus hohen Intensität, in der beide Mannschaften sich ständig gegenseitig anpressten und unter Druck setzten, was zu vielen Zweikämpfen und einem hin und her führte. Die Austria versuchte dabei etwas mehr eine spielerische Linie zu forcieren und flache Lösungen zu finden, während Salzburg meist darauf verzichtete und relativ zügig zum langen Ball griff, was auch die höhere Ballbesitzwerte auf Seiten der violetten Gäste erklärt. Die Bullen hatten mit den giftigen Wienern in der ersten Halbzeit durchaus zu kämpfen und taten sich spielerisch ungewohnt schwer, was sich auch in den mangelnden qualitativen Torchancen ausdrückte. So war es dann einer Standardsituation vorbehalten, für den Führungstreffer zu sorgen. Nach einem Freistoß von Yabo köpfelte Ramalho unbedrängt den Ball über Torhüter Pentz hinweg ins Tor zum 1:0. Mit der Führung im Rücken konnten sich die Gastgeber etwas zurücklehnen und die Austria kommen lassen, um dann zu kontern. Die Veilchen fanden kaum Lösungen gegen die stabile Defensive der Salzburger und liefen sich meist auf dem Flügel fest. Auch die beiden Flügelangreifer Pires und vor allem Venuto kamen kaum ins Spiel, auch wenn sie viel auswichen und sich gegenseitig suchten, da sie mit der Enge im Zentrum nicht wirklich zurechtkamen. Da wäre im Vorfeld wohl die Option Dominik Prokop wesentlich interessanter gewesen, da dieser das Potenzial als „Nadelspieler“ besitzt. Das bedeutet, dass er auch auf engstem Raum die Übersicht behält und das Potenzial besitzt diese Situationen auflösen zu können, was eine hohe technische Qualität erfordert. So gaben die Wiener aufgrund der lahmenden Offensive erst kurz vor der Pause den ersten Torschuss in Richtung Kasten von Walke ab, was durchaus Bände spricht.

Erneute Umstellung von Letsch und ein nachziehender Rose

Nachdem man mit einem Rückstand in die Halbzeitpause ging und offensiv kaum zur Geltung kam, musste der Trainer der Veilchen auf diese Umstände reagieren und nahm auch direkt einige Anpassungen vor. Das 3-4-3/5-2-3 System wurde aufgelöst und man kehrte wieder zum 4-1-4-1/4-3-3 zurück, weshalb auch der eben erwähnte Prokop zur Pause eingewechselt wurde und auf die rechte Halbposition im Zentrum positioniert wurde. Diese Umstellungen wirkten sich auch positiv auf das Offensivspiel der Austria aus und belebten es prompt. Vor allem der Youngstar Dominik Prokop brachte viel frischen Wind hinein und konnte dank seiner Dribblings immer wieder enge Situationen auflösen und auch in höheren Zonen die Bälle sichern. Man hatte nun auch einen Mann mehr in der Offensive, was das eigene Angriffsspiel auch merklich erleichterte. So kamen die Veilchen auch gleich zu zwei guten Gelegenheiten auf den Ausgleich durch Stangl und Prokop, die beide knapp das gegnerische Gehäuse verfehlten.

Die offensivere Ausrichtung auf der einen Seite bedeutete natürlich auch mehr Räume zum Kontern auf der anderen Seite. Das zeigte sich auch bei jener Szene, als Stürmer Gulbrandsen alleine auf das gegnerische Tor zulief, da die Austria-Abwehr scheinbar noch im Modus der Fünferkette eingestellt war und Torhüter Pentz in höchster Not klären musste. Bereits zuvor ließ sich auch der Trainer auf der Bank der Gastgeber nicht lumpen und reagierte prompt auf die Umstellung seines Gegenübers. Marco Rose stellte wieder auf das bewährte 4-3-1-2 um, da drei Spieler im Anlaufen des Gegners durch die Viererkette des Gegners nicht mehr nötig waren. Stattdessen orientierten sich wie gewohnt die beiden Stürmer auf die gegnerischen Innenverteidiger und Minamino sicherte dahinter ab und behielt den Sechser Serbest im Auge. Diese Maßnahme hatte zwar nicht wirklich Auswirkungen auf das Spiel gegen den Ball, da man nach wie vor meist einen guten Zugriff auf den Gegner hatte, aber umso mehr auf das eigene Ballbesitzspiel. Nun hatte man wieder die gewohnten Verbindungen untereinander und konnte vor allem das Zentrum wesentlich besser bespielen, da man dieses nun speziell vor der Abwehr stärker besetzte und die Austria mit ihrem 4-1-4-1 viele Räume neben Sechser Serbest offenbarte und es an der passenden Staffelung im Mittelfeld mangelte. Das zeigte sich vor allem beim Treffer zum 3:0 und 4:0, als man nahezu beispielhaft die Vorzüge der eigenen Anordnung offenbarte und die Schwachstellen der Violetten gezielt bespielte.

So sorgte Minamino mit einem Doppelpack für die komfortable 3:0 Führung, als in beiden Situationen die Wiener zu weit vom Gegner standen und keinen Zugriff bekamen. Die beste Chance im Spiel und auf den Anschlusstreffer beim Stand von 2:0 hatte noch Kapitän Holzhauser, der eine Vorlage von Prokop jedoch freistehend aus wenigen Metern nicht aufs Tor brachte. Der Trainer der Bullen Marco Rose hatte dann noch Spieler wie Dabbur und Hwang, die er einwechseln konnte und dies auch tat, was im Lager der Austria wohl bereits die Angst vor einem Debakel aufkommen ließ. So kam es dann auch, indem Klein ein unglückliches Eigentor beisteuerte und kurz vor Abpfiff der zuvor eingewechselte Onguene völlig freistehend den 5:0 Endstand besorgte.

Fazit

Wie so oft in der Vergangenheit setzte es auch in diesem Spiel für die Austria gegen den Angstgegner Salzburg ein Debakel und man ging letztlich mit 5:0 unter. Allerdings spiegelte das Ergebnis nicht wirklich das Kräfteverhältnis über weite Strecken der Partie wieder, denn die Veilchen agierten 60-65 Minuten lang recht ordentlich und konnten auch mit dem eigenen Pressing die Offensive der Bullen ins Stocken bringen. Jedoch zeigte sich auch in diesem Spiel die Schwierigkeit, gegen den Meister aus der Mozartstadt antreten zu müssen und die richtige Balance zu finden. Während man in der ersten Halbzeit wenig zuließ, aber zu keiner nennenswerten Torchance kam, änderte sich das im zweiten Durchgang und man kam zu einigen Möglichkeiten auf einen Treffer, offenbarte aber auch in der Defensive für den Gegner wesentlich mehr Räume. Das bestraften natürlich Spieler mit reichlich Qualität sofort und dem hatten die Wiener letztlich zu wenig entgegenzusetzen. Dennoch war es vor allem in taktischer Hinsicht ein interessantes Spiel, mit vielen Anpassungen der beiden Trainer, die jeweils versuchten, den Kollegen gegenüber auszumanövrieren und sich einen Vorteil zu verschaffen. Für die Austria war der Gegner letztlich eine Nummer zu groß und man konnte für keine Überraschung sorgen und das Team der Stunde knacken. Daher startet man mit neun Punkten Rückstand auf einen internationalen Startplatz in das letzte Meisterschaftsviertel und die Aufgabe wird nun von Woche zu Woche schwieriger, weshalb man selber durchgehend zum Siegen verdammt ist. Jedes Spiel wird also damit quasi zum „Endspiel“ für die Veilchen.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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