Das Topspiel der 16. Runde zwischen Rapid Wien und Red Bull Salzburg wurde seinem Namen absolut gerecht. Nicht nur in Bezug auf Emotionalität und... Analyse: Salzburger gewinnen Spitzenspiel mit vielen taktischen Facetten

Das Topspiel der 16. Runde zwischen Rapid Wien und Red Bull Salzburg wurde seinem Namen absolut gerecht. Nicht nur in Bezug auf Emotionalität und Intensität hatte diese Begegnung einiges zu bieten, sondern auch im strategisch-taktischen Bereich waren von beiden Mannschaften viele interessante Aspekte dabei, die es wert sind, etwas genauer betrachtet zu werden. So packte Marco Rose zum ersten Mal in dieser Saison eine Fünferkette aus und Goran Djuricin hat bewiesen, dass er Spielerollen und Spielertypen innerhalb seiner Grundordnung sehr gut dem Gegner anpassen kann. Schlussendlich reichten den Salzburgern drei perfekt herausgespielte und eiskalt verwertete Angriffe, um nach sehr intensiven Spielen in den letzten Wochen auch aus Wien drei Punkte mitnehmen zu können.

Grundordnungen und Personal

Beide Trainer überraschten bereits vor Spielbeginn mit ihrer Personalwahl und den taktischen Grundordnungen für ihre Mannschaften, Marco Rose dabei noch etwas mehr als sein Gegenüber Goran Djuricin.

Djuricin schickte seine Mannschaft in einer 4-1-4-1 Grundordnung in das Spiel gegen den Meister. Vor Torhüter Strebinger bestand die Viererkette in der Abwehr aus den beiden Innenverteidigern Galvao und Hofmann sowie den Außenverteidigern Auer auf rechts und Bolingoli auf der linken Seite. Die alleinige Sechserposition vor der Abwehr (vor allem im Spiel gegen den Ball) übernahm Dejan Ljubicic, der nach einer sehr starken Vorstellung in der Halbzeit durch Petsos ersetzt werden musste.

Vor Ljubicic spielten Schwab und Joelinton auf den Achterpositionen, wobei beide im eigenen Ballbesitzspiel ziemlich konträre, aber durchaus passende Aufgaben zu erfüllen hatten. Auch im Spiel gegen den Ball hatten beide wichtige Rollen zu übernehmen. Die Außenpositionen im Mittelfeld-Band von Rapid bekleideten Murg auf der rechten Seite und Keles auf links. Schobesberger kam im Sturmzentrum zum Zug und sollte mit seiner Schnelligkeit in Umschaltsituationen die Schnittstellen der Salzburger Abwehr attackieren, so der Plan von Goran Djuricin.

Marco Rose hatte ebenfalls ein paar Überraschungen mit nach Wien gebracht. Für die meisten Experten (und Fernsehstationen) war vor Spielbeginn die Grundordnung ein flaches 4-4-2 mit Pongracic auf der Sechs neben Schlager. Aber eigentlich war es ziemlich klar, dass Rose mit drei Innenverteidigern und zwei Wing-Backs beginnen wird und diese auch so auf dem Feld positionieren wird. Deshalb war es kein 4-4-2, sondern ein recht klares 3-4-3 bzw. im Spiel gegen den Ball ein 5-4-1 / 5-2-3. Der Bullen Coach argumentierte dies damit, dass er seinen Spielern nach den anstrengenden Spielen in den letzten Wochen entgegenkommen wollte und dafür mehr Breite im Spiel schaffen wollte. Damit könnte er vor allem die Laufwege seiner Spieler im Pressing gemeint haben. Vor allem die Achter haben in seiner bisher genutzten 4-1-3-2 Grundordnung weite und hochintensive Wege abzuspulen, sollen sie doch auf die Flügel herausrücken und den gegnerischen Außenverteidiger attackieren. Aber auch der Rest der Mannschaft muss durch die Mittelfeld-Raute konstant hohen Laufaufwand erbringen, um zur Ballseite zu verschieben und dort Überzahlsituationen herstellen zu können. Mit der 5-4-1 Ordnung im Spiel gegen den Ball verfügten die Bullen über wesentlich mehr Breite und damit einhergehend über kürzere (hochintensive) Laufwege für die einzelnen Spieler im Pressing. Wie wir aber später noch sehen werden, konnten die Salzburger aus dieser Grundordnung heraus situativ immer wieder in ihr gewohntes Angriffspressing switchen, wobei wir diese Phasen gegen Rapid wesentlich seltener gesehen haben als gewöhnlich.

Das Zentrum der Fünferkette bildeten dafür die drei Innenverteidiger Caleta-Car auf der halblinken Position, Pongracic im Zentrum und Miranda auf halbrechts. Interessanter Nebenaspekt war dabei, dass Miranda in der ersten Viertelstunde im Zentrum gespielt hat und Pongracic auf halbrechts. Vielleicht war die frühe gelbe Karte von Miranda mit ein Grund für diesen Wechsel, um ihn weniger in direkte Laufduelle mit Schobesberger zu verwickeln. Der Stabilität der Salzburger Abwehr hat es aber auf alle Fälle nicht geschadet.
Die Flügelverteidigerpositionen wurden von Andreas Ulmer auf links und Stefan Lainer auf rechts besetzt. Dabei zeigten beide wenig bis gar keine Anpassungsprobleme und vor allem Ulmer hat von dieser Position aus, so wie eigentlich immer, starke Akzente nach vorne setzen können. Das zentrale Mittelfeld bestand aus Valon Berisha und Xaver Schlager, flankiert wurden die beiden von Yabo und Minamino. Hee-Chan Hwang gab die alleinige Sturmspitze.

Rapids Matchplan war eine runde Sache

Goran Djuricin schickte seine Mannschaft mit einem gut strukturierten und homogenen Matchplan in die Partie gegen Salzburg, sowohl bei eigenem als auch bei gegnerischem Ballbesitz. Ein Ziel davon war, das Spiel aktiv zu gestalten und das Heft des Handels in die eigene Hand zu nehmen. Dies ist gelungen, sowohl mit als auch gegen den Ball.

Im Spiel gegen den Ball positionierten sich die Rapidler in einem hohen Mittelfeldpressing. Es wurde dabei nicht wie zu Saisonbeginn wild drauf los attackiert, sondern konsequent die eigene Ordnung hergestellt und gehalten und aus dieser Ordnung bei geeigneten Pressingauslösern immer wieder aktiv nach vorne verteidigt. Philipp Schobesberger war dabei entscheidend. Beim Spielaufbau der Salzburger positionierte er sich zu Beginn zentral im gegnerischen Sechserraum und konzentrierte sich auf das Verstellen von Passoptionen in diese Zonen. Aus dieser Position ging er situativ immer wieder ins aktive Pressing über und trennte dank bogenartigen Laufwegen die Passwege der drei Salzburger Aufbauspieler. Vor allem Pässe auf die Halbverteidiger nutzte Schobesberger, um Druck auf den ballführenden Spieler zu machen und das Pressingsignal für die restliche Mannschaft zu geben.

Schobesberger war ein Faktor für das stabile Pressing der Rapidler, eine Linie dahinter die Achter ein weiterer. Joelinton und Schwab schoben gut nach und hielten somit die Kompaktheit und den Zugriff hoch. Dabei orientierten sie sich immer wieder an den Salzburger Sechsern Schlager und Berisha und nahmen ihnen dadurch Raum und Zeit im Spielaufbau. Ein Aufdrehen war sowohl für Berisha als auch für Schlager dadurch äußerst selten möglich. Überwiegend zu Spielbeginn schob Joelinton situativ noch eine Linie nach vorne neben Schobesberger und attackierte Caleta-Car, dadurch entstand hin und wieder ein 4-4-2 im Spiel gegen den Ball von Rapid. Ansonsten erledigte Joelinton seine ungewohnte Aufgabe über weite Strecken sehr solide und taktisch diszipliniert, schließlich war sein Gegenspieler niemand geringerer als Valon Berisha.

In der Grafik erkennt man die Struktur samt Mannorientierungen von Rapid im Spiel gegen den Ball sowie das Aufbauspiel der Salzburger aus dem 3-4-3.

Die beiden Außenspieler Murg und Keles hatten innerhalb der 4-1-4-1 Ordnung den wohl größten Aktionsradius im Spiel gegen den Ball. Sie orientierten sich meist relativ klar an den Wing-Backs der Salzburger und mussten dementsprechend weite Wege mit nach hinten gehen. Die Wing-Backs konnten nicht übergeben werden, weil sich auch die beiden Außenverteidiger Bolingoli und Auer an ihren Gegenspielern Yabo und Minamino orientierten und mit diesen mitgingen. Dadurch waren die beiden Außenverteidiger von Rapid meist weit eingerückt und die Flügelzonen wurden offen gelassen. Bei einem Vorstoß der Wing-Backs in diesen offenen Raum mussten deshalb die Außenspieler mit ihnen mitgehen und kurzzeitig de facto als Außenverteidiger agieren, weil die eigentlichen Außenverteidiger nach wie vor im Zentrum zu finden waren. Dies bedeutet natürlich einen enormen Laufaufwand für die betroffenen Spieler und gleichzeitig führen diese Mechanismen auf den Flügeln immer wieder zu Instabilitäten und Übergabeprobleme. Dass solche Mannorientierungen auf den Flügeln in der Bundesliga noch weit verbreitet sind, haben wir bereits mehrfach angesprochen. Vor allem bei Mannschaften mit einer Viererkette in der Abwehr ist dies häufig der Fall.

Gleichzeitig sollten die Flügelspieler aber nicht nur die Räume hinter ihnen schließen, sondern situativ im Angriffspressing immer wieder Druck nach vorne machen. Meist allerdings waren es statische Situationen wie Abstöße, wo sie sich auf einer Linie neben Schobesberger positionierten und Pässe auf die Salzburger Halbverteidiger zustellten. In solchen Szenen entstand bei Rapid ein 4-3-3. Ein kleiner Rythmusbrecher waren diese kurzen aber effektiven Pressingsituationen aber alle Mal.

Variabilität und Pressingresistenz in Rapids Ballbesitzspiel

Die angesprochene Aktivität strahlten die Rapidler auch im eigenen Ballbesitzspiel aus, etwas bedingt natürlich durch die tiefere Ausrichtung der Salzburger.
Wie bereits in der Einleitung angesprochen waren dabei die Rollenverteilungen der Achter taktisch interessant. Stefan Schwab war dabei natürlich derjenige, der tiefer agierte und sich oft auf einer Höhe mit Ljubicic die Bälle von den Innenverteidigern abholte. Von dort konnte er das Spiel ankurbeln und immer wieder seine guten Spielverlagerungen einstreuen.
Joelinton positionierte sich derweilen im Aufbauspiel höher und fungierte hauptsächlich als Zielspieler für lange Bälle der Innenverteidiger, sollten diese durch das Pressing der Salzburger unter Druck geraten. Vor allem in der ersten Halbzeit hätten die Rapidler wohl selbst mehr mit solchen Bällen gerechnet als tatsächlich der Fall war. Um Joelinton herum war reichlich Platz für Kreativität und Variabilität. Die Außenspieler Murg und Keles pendelten zwischen breiten Positionen am Flügel und eingerückten Positionen im Zentrum und in den Halbräumen. Vor allem Auer auf rechts balancierte diese Flexibilität gut und passte seine Position immer wieder jener von Murg an.

Dabei war die Ordnung im Aufbauspiel wieder mehr ein 4-2-3-1 als das 4-1-4-1 gegen den Ball, allerdings ist diese Zahlenspielerei ja sowieso von untergeordneter Bedeutung. Vor allem Mitte der ersten Halbzeit konnten die Hütteldorfer schöne Kombinationen gegen das Pressing der Bullen durchbringen und effektiv vor das Tor kommen. In dieser Phase gab es auch die Chancen durch Murg und Keles.

Bezugnehmend auf das Spiel gegen Salzburg ist eindeutig eine positive Entwicklung von Rapid im Aufbau- und Kombinationsspiel festzustellen. Dieser Aspekt ist bei Rapid seit dem Abgang von Zoki Barisic doch erheblich vernachlässig worden und bereitete den Rapidlern vor allem zu Saisonbeginn noch große Probleme. Die Richtung stimmt jetzt wieder, nur muss an der Konstanz über 90 Minuten gearbeitet werden.

Belastungssteuerung mittels verschiedenen Grundordnungen?

Dies ist tatsächlich eine hochinteressante Frage und Marco Rose hat den Eindruck gemacht, dass er dies mit seiner Systemumstellung tatsächlich vorhatte. Er reagierte auf die vielen englischen Runden in den letzten Wochen mit mehr Breite innerhalb seiner Grundordnung und mit damit kürzeren Laufwegen für die Spieler im Pressing. Deren Belastungsspitzen sollten dadurch etwas reduziert werden. Passend zu dieser „moderateren“ Ausrichtung war die tiefere Pressinghöhe. Im 5-4-1 Block zogen sich die Salzburger in ein Mittelfeldpressing zurück und liefen die gegnerischen Innenverteidiger nicht wie normal üblich aggressiv an.

In der untenstehenden Grafik sieht man die Struktur von Salzburg im Spiel gegen den Ball:

Minamino und Yabo standen dabei häufig nicht auf einer Linie mit den beiden zentralen Mittelfeldspielern sondern immer etwas höher und hielten so den Zugriff zu den gegnerischen Innenverteidigern. Aus dieser Position konnten sie je nach Situation nach vorne schieben und Hwang unterstützen, wenn man sich auf ein aktiveres Pressing verständigte. Vor allem zu Spielbeginn war dies noch häufiger zu sehen. Gegen Spielende war dies schlichtweg durch die körperliche Verfassung nicht mehr möglich.

Fortsetzung der obigen Grundsituation. Hofmann spielt hier den Querpass auf Galvao. Yabo rückt bereits während (!) der Ball unterwegs ist auf Galvao vor und attackiert diesen bei der Ballannahme. Um den Druck hoch zu halten und den Laufweg von Yabo nicht ins Leere laufen zu lassen rückt Lainer von der Fünferkette weit heraus und verschiebt in Richtung Bolingoli. Miranda schiebt ebenfalls nach und übernimmt Keles. Gefährlich dabei ist, wenn die Schnittstellen zwischen den drei Verteidigern zu groß werden. Gesehen hat man dies zum Beispiel bei den beiden Durchbrüchen von Schobesberger, wo er zweimal nur mehr mit einem Foul zu stoppen war.

Erwähnen in dieser Analyse muss man noch, dass Salzburg in den starken zehn Minuten nach der Halbzeitpause den Druck und die Aggressivität im Pressing noch einmal wesentlich erhöhte. Wurde in der ersten Halbzeit doch meist recht passiv zum Ball hin verschoben und der ballführende Gegner nur gestellt, gingen die Bullen in dieser Phase aggressiv durch und erkämpften sich dadurch einige Ballgewinne nach engen Zweikämpfen. Dies war mit Sicherheit ein Grund dafür, warum die Salzburger allgemein besser im Spiel waren und diese gute Phase auch zu zwei Toren nutzen konnten.

Fazit

Es war ein richtig gutes Bundesligaspiel mit vielen kleinen taktischen Facetten. Marco Roses Gedanke, seinem etwas müden Team eine andere, breitere und damit belastungsschonendere Grundordnung zur Verfügung zu stellen, war in jedem Fall eine sehr starke Idee. Grundordnungen bekommen dadurch eine neue, bis jetzt ziemlich unbekannte Rolle. Der Weg, den Rose und sein Trainerteam diesbezüglich verfolgen, bleibt extrem spannend zu verfolgen. Der Sieg von Salzburg war natürlich etwas glücklich, aber auch nicht ganz unverdient. Rapid kontrollierte gegen den Meister aus Salzburg über weite Strecken das Spiel und überzeugte mit gefälligen Kombinationen und einem homogenen Pressing. Vorwerfen müssen sie sich eventuell lassen, dass sie in den letzten zehn Minuten gegen einen angeschlagenen Gegner nicht mehr rausgeholt haben. Den Salzburgern reichten tatsächlich 15 bis 20 bärenstarke Minuten, in denen sie das Spiel in die gewünschte Richtung lenken konnten. Vermutlich ist auch das ein Zeichen von Qualität, glaubt man den gängigen Phrasen…

Sebastian Ungerank, abseits.at

Sebastian Ungerank

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