Der FC Red Bull Salzburg konnte am Sonntag das „Sandwich-Spiel“ zwischen den beiden Europa-League Spielen gegen Viitorul mit 5:1 gegen den Tabellenletzten aus St.... Analyse: RB Salzburgs Kantersieg gegen St. Pölten

Der FC Red Bull Salzburg konnte am Sonntag das „Sandwich-Spiel“ zwischen den beiden Europa-League Spielen gegen Viitorul mit 5:1 gegen den Tabellenletzten aus St. Pölten für sich entscheiden. Dabei war das Spiel selbst lange nicht so klar und eindeutig wie vielleicht das Ergebnis vermuten lässt.

Vor allem mit den guten Anpassungen im Spiel gegen den Ball von St. Pölten taten sich die Salzburger lange Zeit schwer, das Spiel zu kontrollieren und den Spielrhythmus zu bestimmen.
Erst nach einer halben Stunde und dem erlösenden 1:0 von Dabbur fanden die Bullen besser die Räume im Defensivkonzept der Niederösterreicher, welche dann in der zweiten Halbzeit mit dem Vertikalspiel der Salzburger auch schlichtweg überfordert waren und überhaupt nichts mehr entgegensetzen konnten.

Grundordnungen und Personal

Marco Rose schickte seine Mannschaft erneut in der gewohnten 4-3-1-2 Grundordnung auf das Feld. Es scheint so, als ob er damit seine Stamm-Grundordnung für diese Mannschaft gefunden hat, schließlich ließ er auch in den Testspielen in der Vorbereitung mit dieser Struktur spielen. Auch sein letztjähriges U-18 Team bzw. die Youth-League Mannschaft von Red Bull feierte darin große Erfolge.

Während sich an der Grundordnung nichts änderte gab es im personellen Bereich einige Wechsel. Bedingt durch die vielen englischen Wochen gab er einigen Spielern eine Pause und schickte im Vergleich zum letzten Spiel gegen Viitorul sieben neue Akteure auf den Platz.
Vor Cican Stankovic bestand die Viererkette aus den beiden jungen Innenverteidigern Caleta-Car und Pongracic sowie den Außenverteidigern Farkas auf links und Lainer auf der rechten Seite. Die Sechser-Position in der Mittelfeld-Raute wurde dieses Mal von Christoph Leitgeb besetzt, etwas vor bzw. neben ihm spielten Haidara und Yabo auf den Achter-Positionen. Die Zehn hinter den beiden Stürmern Dabbur und Gulbrandsen besetzte Takumi Minamino, der allerdings bereits in der ersten Halbzeit verletzungsbedingt durch Hannes Wolf ersetzt werden musste.

Jochen Fallmann setzte bereits in den vergangenen Spielen vermehrt auf Dreier- bzw. Fünferketten-Varianten. Auch gegen Salzburg schickte er seine Mannschaft in einer 3-4-1-2 Grundordnung auf das Feld, wodurch vor allem der Zugriff im Pressing hergestellt werden sollte. Kapitän Lukas Thürauer kam dabei auf der geschaffenen Zehner-Position zum Einsatz, wo er zum einen als Verbindungsspieler fungierten und zum anderen aus zentralen Positionen zum Abschluss kommen sollte, vor allem aus größeren Distanzen.

St. Pöltens Pressing nimmt Salzburg den Pass-Rhythmus

Der erstaunlichste Aspekt in dieser Bundesliga-Partei war wohl, wie hoch St. Pölten verteidigte und das Spiel gegen den Ball anlegte. Nicht wenige hätten sich vermutlich ein passiveres und engmaschiges Abwehrpressing mit einer Fünferkette erwartet. Gekommen ist es in den ersten 30 Minuten aber genau anders. St. Pölten positionierte sich hoch im Spielfeld und versuchte durch ein aktives Angriffspressing mit vielen lokalen Mannorientierungen den flachen Spielaufbau von Salzburg zu unterbinden. Interessant waren dabei die Mechanismen im Anlaufverhalten, mit denen sie versuchten den Salzburger Innenverteidigern die umliegenden Optionen zu nehmen.

Will man die Struktur in Zahlen ausdrücken, könnte man von einem 5-2-3 System sprechen, welches die Niederösterreicher praktizierten. Das war aber nicht der Punkt, entscheidend waren die individuellen Rollen und Aufgaben der jeweiligen Spieler im Spiel gegen den Ball.
Vor allem zu Beginn des Spiels liefen die Stürmer Parker und Riski aggressiv die Innenverteidiger von Salzburg an. Dies war sozusagen der Pressingauslöser und setzte die Bullen bereits in deren ersten Aufbaulinie zeitlich und räumlich unter Druck.

Damit das Anlaufverhalten der beiden Stürmer nicht ins Leere ging, stellte Lukas Thürauer Christoph Leitgeb mannorientiert zu und verhinderte damit vertikale Pässe der Innenverteidiger in den Sechserraum. Dadurch konnte der Druck aufrechterhalten bzw. sogar erhöht werden. Die Sechser Rasner und Ambichl agierten ähnlich mannorientiert und orientierten sich an den Bewegungen der Achter Haidara und Yabo.
In Folge dessen waren häufig für die Salzburger alle Optionen im Zentrum zugestellt und es blieb nur der Pass auf die Außenverteidiger offen. Hatten diese den Ball erhalten, wurden sie ebenfalls sehr aggressiv von den vorrückenden Flügelverteidigern Stec und Mehmedovic attackiert.

Von dieser aktiven Spielweise im Pressing waren die Salzburger wohl auch etwas überrascht und fanden ca. 25 Minuten lang nicht in ihren Rhythmus und fanden durch die vielen Mannorientierungen auch nicht die passenden Positionen und Räume im Aufbauspiel.

Eine große Schwachstelle hatte das Defensivkonzept der St. Pöltener aber: die offenen Räume neben den Sechsern Ambichl und Rasner. Die mussten praktisch zu zweit das Zentrum sowie die Halbräume abdecken, was gegen Salzburg natürlich sehr gefährlich werden kann. Solange die Intensität in der ersten Pressinglinie hoch gehalten werden konnte und der Zugriff bestehen blieb, konnte die Truppe von Jochen Fallmann diese Schwachstellen noch gut kaschieren. Schlichtweg dadurch, weil Salzburg nicht kontrolliert in diese Räume vorstoßen konnte. Allerdings entstanden bereits nach dem 1:0 von Dabbur gefährliche Kombinationen und Überzahlsituationen durch das Zentrum, hauptsächlich über Haidara nach kurzen diagonalen Verlagerungen oder nach flachen Diagonalpässen vom Flügel in die Halbräume mit anschließenden Ablagen und Vertikalpässen. Nach der Pause sollte dies dann das Spiel vorzeitig entscheiden.

St. Pöltens Aufbauversuche schmierten Roses Pressingmaschine

St. Pölten überraschte auch im eigenen Aufbauspiel. Sie spielten nicht nur auf die zweiten Bälle sondern versuchten das Spiel flach von hinten vorzutragen. Teilweise sah dies auch gar nicht so schlecht aus und die Staffelungen dazu waren passend. Die Spieler der Dreierkette fächerten auf und präsentierten sich allesamt ruhig und übersichtlich am Ball. Die Flügelverteidiger schoben auf Höhe der Sechser vor, welche sich ebenfalls aktiv für kurze Zuspiele anboten. Wie bereits weiter oben beschrieben konnte sich Thürauer relativ frei über den Platz bewegen und bot sich auch häufig als zusätzliche Anspieloption für die Sechser und Flügelverteidiger an. Die Stürmer Parker und Riski bewegten sich ebenfalls sehr ausweichend und liefen häufig in die Schnittstellen zwischen Innen- und Außenverteidiger der Salzburger.

Alles in allem konnten dadurch einige Drucksituationen im Mittelfeld spielerisch aufgelöst werden und das Pressing / Gegenpressing von Salzburg durchbrochen werden. Vor allem nach anschließenden weiten Spielverlagerungen entstanden in den ersten 45 Minuten auch zwei gute Torchancen.

Auf der anderen Seite gab der flache Spielaufbau von St. Pölten uns die Gelegenheit, das Pressing der Salzburger genauer anzuschauen, denn in den meisten Spielen sind solche Szenen ja äußerst selten bzw. nur von kurzer Dauer.
Meistens ließen sie aus der 4-3-1-2 Initial-Grundordnung den Pass des Torhüters auf einen der drei Verteidiger zu. Auch Querpässe zwischen diesen drei Spielern veranlasste sie häufig nicht dazu, aktiv zu werden und zu attackieren.

In dieser ersten Phase wird das Zentrum zugestellt. Dafür positioniert sich der Zehner im Sechserraum des Gegners etwas hinter den beiden Stürmern, welche breit stehen und die defensiven Halbräume des Gegners zustellen. In den ersten Spielen unter Rose konnte man bei den Positionen dieser zwei Stürmer im Pressing immer wieder kleine Anpassungen feststellen. Im Testspiel gegen Achmat Grosny (welche ebenfalls mit einer Dreierkette spielten) zum Beispiel positionierten sich die Stürmer sehr breit zwischen den Halbverteidigern und Flügelverteidigern des Gegners. Aus dieser tiefen und breiten Position heraus liefen sie dann die Halbverteidiger an und kappten mit ihren Deckungsschatten die Passverbindungen zu den Flügelverteidigern. Eine äußerst interessante Variante. Es bleibt also spannend zu beobachten, wie Rose diese Varianten weiter einsetzt. Effektive Gegneranpassungen (Pressingopfer, Pressingfallen, Lenken usw.) sind dadurch gut umsetzbar.

Aber zurück zum Spiel gegen St. Pölten. Christoph Leitgeb fungierte als Sechser in diesem Konstrukt als Art „Unterstützungsspieler“. Gegebenenfalls rückte er weit vor und stellte den zweiten Sechser von St. Pölten zu, um das Zentrum weiter nicht bespielbar zu machen.
Platz entstand dadurch für den Gegner auf den Flügeln. Häufig kamen auch die Pässe der Halbverteidiger auf die Flügelverteidiger Stec und Mehmedovic. Bei solchen Spielsituationen waren dann die Achter von Salzburg gefordert. Sie schoben von den Halbräumen auf die Flügel durch und stellten den ballführenden Gegenspieler. Auch die restlichen Spieler schoben ballorientiert nach und stellten alle umliegenden Optionen für den Gegner zu. Gelang kein langer Wechselpass, waren die Angriffe von St. Pölten meistens hier zu Ende. Die Mannschaft von Marco Rose zeigte sich kompakt und griffig im Spiel gegen den Ball, vor allem die erste Pressingphase wirkt schon sehr stabil. Es bleibt allerdings noch abzuwarten, wie das gegen einen wirklich spielstarken Gegner aussieht.

Salzburgs Dreierpack beendet vorzeitig das Spiel

St. Pölten konnte diese Intensität im Pressing eigentlich nur 30 Minuten aufrechterhalten. Danach schwanden vor allem in der ersten Pressingreihe die sauberen Zuordnungen immer mehr und dadurch waren für die Salzburger die Räume im Zentrum einfacher zu bespielen. Nach der Halbzeit machte dann Salzburg kurzen Prozess. Mit wunderschönen Kombinationen durch den Zwischenlinienraum erzielten sie tolle Tore (drei Spieler mussten überhaupt nur mehr in das leere Tor einschieben) und machten so den Sieg relativ früh klar.

Ab der 60. Minute erkannte Jochen Fallmann dann die Zeichen der Zeit und stellte auf ein 5-4-1 Abwehrpressing um. Dadurch konnte der Schwung etwas aus dem Spiel genommen werden und vermutlich eine noch höhere Niederlage abgewendet werden.
Salzburg zeigte aber nach wie vor viele kreative Lösungen im dritten Drittel und hatte in dieser Phase maximalen Zugriff im Gegenpressing. Diese Spielphase hat auch gezeigt, dass Red Bull gegen einen tiefstehenden Gegner mittlerweile viele Lösungsmöglichkeiten im Repertoire hat.

Fazit

St. Pölten hat sowohl mit als auch gegen den Ball Mut bewiesen und konnten dadurch das Spiel eine Zeit lang offen gestalten. Allerdings hätte es vor allem im Pressing noch ein oder zwei Varianten mehr im Matchplan von Jochen Fallmann gebraucht, denn diese Spielweise 90 Minuten gegen Salzburg durchzuhalten ist wohl ein bisschen naiv.

Salzburg hingegen zeigte sich geduldig und spielstark. Die schwierige Anfangsphase hatten sie durchgestanden und fanden dann im Laufe des Spiels immer mehr ihren Rhythmus und ihre Kombinationsstärke. Nächste Woche wartet in der Liga gegen Sturm Graz das erste richtige Schlagerspiel. Gegen die euphorisierten Grazer könnte das Spiel ein richtiger Gradmesser werden.

Sebastian Ungerank, abseits.at

Sebastian Ungerank

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