Nach über zehn Jahren verlässt Louis Schaub, einst zum Jahrhunderttalent auserkoren, den SK Rapid und wechselt nach Köln. Was das für die Geißböcke, den... Warum Köln mit Louis Schaub einen guten Fang machte

Nach über zehn Jahren verlässt Louis Schaub, einst zum Jahrhunderttalent auserkoren, den SK Rapid und wechselt nach Köln. Was das für die Geißböcke, den SK Rapid und Schaub selbst bedeutet, analysieren wir hier im Detail.

Rapid und die Jahrhunderttalente. Nicht selten verpasste man Kickern, die den Übergang vom „Kinderfußball“ zum Erwachsenenfußball noch nicht mal in Angriff nahmen, dieses hohe Prädikat. Jelenko, Sandic und Co. verschwanden aber in der Versenkung, ohne Erfahrungen in Rapids Kampfmannschaft gesammelt zu haben.

Mit 16 im Cup den Bundesligaklub kalt erwischt

Schaub war da anders. Noch vor seinen ersten Einsätzen für Rapids „Erste“ ging sein Stern an einem September-Abend im ÖFB-Cup auf. Seine Top-Leistung für die Amateure gegen den Wolfsberger AC krönte er mit zwei Toren. Dobras und Grozurek komplettierten den 4:2-Sieg und den Aufstieg der jungen Hütteldorfer. Nach Schaubs Tor zum 4:1 erinnerte der Stadionsprecher das Publikum, dass der Junge erst 16 Jahre alt ist.

Gute Erstsaison mit Doppelpack zum Abschluss

Das ist jetzt 6 ½ Jahre her. Elf Monate nach dem 4:2 der Amateure gegen den WAC debütierte Schaub für Rapids Kampfmannschaft und machte eine gute Figur, spielte allgemein eine passable Erstsaison. Die Feinspitze erinnern sich wohl auch seine ersten Bundesligatore: Es war ein Doppelpack gegen die SV Ried in der letzten Runde der Meisterschaft. Das verhieß natürlich Gutes für die Jahre, die da noch kommen mögen. Rapid hatte einen würdigen Kavlak-Nachfolger herangezüchtet – aus den eigenen Reihen.

Grüße an den Vater

203 Spiele absolvierte der heute 23-Jährige für Rapid. Viele seiner 45 Treffer und 30 Assists waren von der wichtigen Sorte. Die zwei Zeigefinger gen Himmel, die Schaub über die Jahre zu seinem Markenzeichen machte, um seinen verstorbenen Vater Fred Schaub – einst selbst Profi bei der Admira – zu grüßen, bedeuteten stets Erfolg für Rapid. Als sein Vater 2003 mit dem Auto verunglückte saß der 8-jährige Louis auf der Rückbank und wurde schwer verletzt.

Viel Erfahrung für einen 23-Jährigen

Für sein junges Alter hat Schaub schon viel mitgemacht, allerdings noch nichts gewonnen. In seiner Zeit bei Rapid lernte er punktuell mit Erfolgen umzugehen, aber auch was es bedeutet, für einen ungeduldigen, heißen Verein zu spielen. Das Ende der Ära Schöttel mit katastrophalen Mannschaftsleistungen, die Engagements von Büskens und Canadi inklusive Abstiegskampf und auch das teils umstrittene Ballbesitzspiel unter Barisic, das ihm nicht immer ideal entgegenkam.

Eine starke Elf ist mit Schaub noch stärker

Schaub war bei Rapid selten einer, der die Mannschaft aus einer heiklen Situation befreite und das Heft in die Hand nahm, wenn es brenzlig wurde. Schaub war eher der, der eine starke Mannschaft noch besser machte. Als er mit seinem Doppelpack die gesamte Amsterdam Arena mundtot machte, sah man ihn von seiner besten Seite. Als er unter Canadi keine seiner zahlreichen Rollen befriedigend ausfüllte, sah man die andere.

Vom klassischen Spielmacher zum inversen Winger

Dabei wäre es oft so einfach gewesen, die Stärken des Offensivmannes richtig einzusetzen. Schaub ist ursprünglich ein Zehner klassischer Prägung, der später nach rechts wanderte und aufgrund seines starken linken Fußes zum inversen Winger umfunktioniert wurde. Auf lange Distanzen ist er nicht unbedingt die größte Sprintrakete, dafür aber sehr konkret auf den ersten Metern und an guten Tagen perfekt in Ballführung und –behandlung. Kurze, schnelle Aktionen, Doppelpässe, Läufe in Schnittstellen oder hinter die Abwehr. Sowohl aktiv, als auch als Passgeber kann Schaub aus derartigen Situationen tolle Dinge kreieren.

Wichtig ist Bewegung im gruppentaktischen Bereich

Wichtig ist nur, dass er und seine Kollegen in Bewegung sind. Denn auch wenn Schaub in den letzten Jahren körperlich zulegte und sogar da und dort seine Kopfballstärke unter Beweis stellte, bekommt er Probleme, wenn ihn ein um 20cm größerer Innenverteidiger des Gegners stellt. Zu hohe Feldpositionen, aber auch die teils getestete Variante als falsche Neun bzw. hängende Spitze funktionierten schlichtweg nicht. Dafür war Schaub ohne Ball nicht explosiv genug, ein Spieler vom Typus Schobesberger besser geeignet. Dass Canadi Schaub im unrühmlichen 3-5-2 als Zweitspitze neben Joelinton oder Kvilitaia stellte, war kein unwesentlicher Faktor, dass das Experiment Canadi floppte.

Nicht zu hoch und flexibel in der Breite

Schaub ist am Stärksten, wenn er das Spiel vor oder neben sich, sowie horizontale Ausweichmöglichkeiten hat. Klar sucht er da und dort die Outlinie, um Gegner zu verschleppen oder Mitspieler nachrücken zu lassen, aber die Option mit einer schnellen Aktion wieder nach innen zu ziehen muss gegeben sein, um sein Leistungsoptimum abzurufen. Auch empfiehlt es sich, diese inversen Läufe nicht zu hoch zu starten, da er sich hierbei manchmal verzettelt und einen Haken zu viel ansetzt. Der Übergang vom zweiten ins dritte Drittel ist Schaubs Idealnaturell, wo er mit seiner feinen Technik am meisten ausrichten kann. Mit mannorientierten Deckungsmustern kann man Schaub aus dem Spiel nehmen, allerdings hat er gleichzeitig die Fähigkeit, die gegnerische Raumdeckung in ihren Schnittstellen zu beschädigen.

Schaub passt in mehrere Systeme

Da man mit Markus Anfang einen Trainer verpflichtete, der bevorzugt das 4-1-4-1 oder das 4-2-3-1 spielen lässt, hat man mit Schaub einen idealen Transfer getätigt. Ob als klassischer Zehner, alternativ rechts in einer Mittelfeldraute bzw. der Halbposition, als Rechtsaußen oder – wenn der Fokus mal die Grundlinie sein soll – auch als Linksaußen ist Schaub vielseitig einsetzbar. Wichtig sind lediglich die Optionen zu pendeln und/oder abzukippen, sodass er seine Übersicht bestmöglich nützen kann. Varianten als zweite Spitze oder gar falsche Neun waren bei Rapid nicht unbedingt von Erfolg gekrönt, wobei sich das in einem anderen Team natürlich ändern kann, wie es schon die Ex-Rapidler Burgstaller und Sabitzer eindrucksvoll unter Beweis stellten.

Verletzungsteufel

Die Ablösesumme betrug aufgrund einer Ausstiegsklausel 3,5 Millionen Euro, wobei Rapid wegen diverser Beteiligungen nicht einmal die Hälfte des Betrags zugutekommt. Die Möglichkeit Schaub deutlich teurer zu verkaufen war natürlich gegeben und geisterte über die Jahre als finanzielle Lebensversicherung für Rapid durch Hütteldorf. Der Hauptgrund warum es dazu nie kam, waren Verletzungen zu ungünstigen Zeitpunkten. Immer wieder wurde Schaub zurückgeworfen, sei es von einem Muskelriss in der Wade, einem Mittelfußbruch, einem Bänderriss im Sprunggelenk oder einem hartnäckigen Muskelfasereinriss. In knapp sechs Jahren Kampfmannschaft fehlte Schaub insgesamt neun Monate lang und hatte mit vielen Aufbautrainingseinheiten zu kämpfen. In seinem Rhythmus störte ihn das, allerdings nutzte er diese Phasen auch um an einem kräftigeren Oberkörper zu arbeiten.

Der Euro- und August-Louis

Zwei Klischees baute Schaub in seiner Zeit bei Rapid ebenfalls auf. Einerseits das des Euro-Louis, der stets für die richtig wichtigen internationalen Tore gut war. 16 Europacup-Tore in 30 Spielen sprechen eine deutliche Sprache. Andererseits haftete auch ein wenig der Ruf des Schönwetterkickers an ihm, zumal der August sein absoluter Lieblingsmonat ist. Unglaubliche 20 von 45 Toren für Rapid erzielte er im August. Das ist allerdings weniger dem schönen Wetter geschuldet, sondern eher der Tatsache, dass Schaub in den Monaten der Sommervorbereitungen nie Verletzungssorgen hatte und somit immer topfit in die Saisonen ging. Wehwehchen und größere Verletzungen brachten ihn erst später im Jahr aus dem Tritt.

Klares Potential zum Leistungsträger

Rapid verliert einen seiner besten Techniker und einen Garanten für sehenswerte und wichtige Tore. Der 1.FC Köln machte mit der Verpflichtung Schaubs alles richtig und es muss schon mit sehr viel Pech zugehen, wenn der achtfache ÖFB-Teamspieler bei den Geißböcken keinen Stammplatz erkämpfen kann. Sofern Schaub verletzungsfrei bleibt und die Kölner ihren Vorschusslorbeeren als Aufstiegskandidat Nummer Eins gerecht werden können, ist der 23-Jährige kommende Saison für zehn bis zwanzig Scorerpunkte in Deutschlands zweiter Bundesliga gut.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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