Die mit Spannung und bisweilen viel Kritik verfolgte Suche nach einem neuen Teamchef des österreichischen Nationalteam fand nun ein überraschendes Ende. Dem ÖFB gelang... Kommentar: Ein ÖFB-Coup mit Reibungsfläche

Die mit Spannung und bisweilen viel Kritik verfolgte Suche nach einem neuen Teamchef des österreichischen Nationalteam fand nun ein überraschendes Ende. Dem ÖFB gelang es, den renommierten Fachmann und aktuellen Trainer von Manchester United, Ralf Rangnick, vom Amt als Nationaltrainer zu überzeugen und die Nachfolge von Franco Foda anzutreten. Damit tritt der Deutsche eine Rolle an, die ihm viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet, aber auch für ein hohes Frustrationslevel sorgen könnte, wo auch gewisse Spannungen unumgänglich sein könnten.

Ausweg aus der Identitätssuche?

Keine Frage, die Teamchefsuche des ÖFB hat in den vergangenen Wochen die Medienlandschaft polarisiert und vielfach wurde die Frage gestellt, nach welchem Profil die Suche vorangetrieben wird. Viele Namen mit unterschiedlichen Spielstilen wurden in den Raum geworfen und der Verband bzw. das Umfeld befand sich augenscheinlich in einer Identitätssuche, die man zugespitzt auch als Identitätskrise betiteln könnte. Diese äußerte sich auch in der „RB-Schule“ vs. „Ballbesitzspieler“ Debatte, die diese Identitätssuche symbolisieren sollte – auf eine besonders spaltende Art und Weise.

Letztlich fiel die Wahl also auf Ralf Rangnick, den man etwas überraschend für dieses Projekt überzeugen konnte. Neckisch könnte man konstatieren, dass sich die „RB-Schule“ durchgesetzt hat, aber das wäre natürlich viel zu kurz gegriffen und eine Differenzierung zwischen Pressing- und Ballbesitzspiel, die es so nicht gibt. In erster Linie geht es darum, einen Übungsleiter zu finden, welcher der Mannschaft eine klare Struktur und einen stimmigen Plan in die Hand gibt, den sie auch umsetzen kann. Ex-Teamchef Franco Foda vermochte dies schon lange nicht mehr und das Frustrationslevel im Umfeld und selbst unter den Spielern war hoch – aufgrund der Sturheit und mangelnden taktischen Flexibilität des Deutschen.

Hier hat man zweifellos einen großen Coup gelandet, gehört doch Ralf Rangnick zweifellos zu einer Riege der klügsten und renommiertesten Fußballdenker im aktuellen Fußball. Sei es in seiner Zeit in Deutschland, wo er der Titel als „Fußballprofessor“ verliehen bekam, oder dem Aufbau des RB-Imperium, welches er als „Mastermind“ federführend vorantrieb, über die fachlichen Qualitäten des Deutschen gibt es keine zwei Meinungen. Dementsprechend bekommt der ÖFB auch einen Trainer, mit einer enormen strategischen Tiefe, worauf sich vor allem die Spieler freuen können.

Entfaltungsmöglichkeiten für einen talentierten Kader?

Hier stellt sich natürlich die Frage, was man in Zukunft vom österreichischen Nationalteam in punkto Spielphilosophie zu erwarten hat. Der erste Gedanke wäre klarerweise ein ähnlicher Stil, wie man es in Österreich von Red Bull Salzburg kennt: Hohe Intensität, starke Pressingwellen in höheren Zonen des Spielfelds und der Fokus darauf, schnell und direkt vor das gegnerische Tor zu kommen. Doch man würde Rangnick unrecht tun, wenn man ihn nur auf diese Philosophie reduzieren würde. Natürlich hat der Deutsche seine Idealvorstellung, wie seine Mannschaft auf dem Feld agieren soll und welche Prinzipien einen hohen Stellenwert haben. Allerdings ist der 63-Jährige auch nicht so stur, etwas umsetzen zu wollen, was die Mannschaft und die Spieler schlicht nicht hergeben.

Das zeigt sich vor allem in seiner aktuellen Rolle als Trainer von Manchester United, welche selbst oberflächlich betrachtet, wenig Gemeinsamkeiten mit dem „RB-Stil“ aufweist. Das liegt daran, dass Rangnick in Manchester nicht die Möglichkeiten im Kader hat, diese Philosophie und diesen Spielstil zu praktizieren und demnach gewisse Kompromisse eingehen muss. Das zeichnet gute Trainer jedoch aus, dass man eine Philosophie und entsprechende Vorstellungen hat, diese aber auch an das vorhandene Spielermaterial anpasst und es darauf ausrichtet. Will man erfolgreich sein, bedingt das eine das andere und umgekehrt.

Als österreichischer Teamchef greift Rangnick nun auf einen Pool an Spielern zurück, der 30 bis 40 Akteure beinhaltet. Hier hat man sicherlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten, sich seinen Kader zusammenzubasteln und nach den eigenen Vorstellungen auszurichten. Entscheidend wird natürlich sein, den Kern der Mannschaft optimal zur Geltung zu bringen – mit Spielern wie Alaba, Laimer, Schlager, Grillitsch oder Sabitzer. Diese wären natürlich prädestiniert für einen „RB-Stil“ und wären zweifellos in der Lage, einen hochintensiven Spielstil auf dem Feld umzusetzen.

Ob dies auch beim Nationalteam Einzug halten wird? Das wird sich zeigen. Gemeinhin ist ja bereits bekannt, dass Nationalmannschaften wesentlich schwieriger zu leiten sind, als Vereinsmannschaften. Der Faktor „Zeit“ ist ein sehr großer Aspekt, den man berücksichtigen muss. Als Vereinstrainer hat man die Mannschaft quasi jeden Tag bei sich und kann Woche für Woche mit viel Detailarbeit eine Struktur entwickeln. Als Nationaltrainer hat man die Mannschaft vielleicht vier bis fünf Mal im Jahr für ein paar Tage zusammen, muss dabei auch aber noch die Regeneration und die Gegnervorbereitung im Auge behalten.

Daher ist es auch schwierig, ausgereifte und komplexe Spielphilosophien umzusetzen.Diesen Spagat hinzubekommen und Kompromisse zu finden, um die Mannschaft nicht zu überfordern und seine Inhalte in kürzester Zeit zu vermitteln wird auch die größte Herausforderung für Ralf Rangnick sein. Wie diese aussehen werden, das wird die große Frage sein und es gilt die ersten Team-Lehrgänge abzuwarten, ehe man schlauer wird, wie die Ausrichtung des österreichischen Nationalteams in Zukunft genau aussehen könnte.

Wie viel Macht bekommt Rangnick im ÖFB?

Ein weiterer spannender Aspekt ist die Frage, wie viele Gestaltungsmöglichkeiten Ralf Rangnick beim ÖFB bekommt. Die Probleme im Verband sind weitgehend bekannt und ein schwacher Sportdirektor ist den „Landesfürsten“ bislang nicht unrecht gewesen – Stichwort Machtsicherung. Mit Rangnick bekommt es der ÖFB jedoch mit jemanden zu tun, der nicht nur genaue Vorstellung hat, wie der sportliche Bereich ablaufen sollte, sondern auch sehr meinungsstark ist und sich nicht gerne in seine Arbeit reinreden lässt. Rangnick scheut auch keine Konflikte und geht auf Konfrontationskurs, wenn ihm etwas nicht in den Kram passt.

So bekam er auch den Ruf, im Umgang nicht die einfachste Persönlichkeit zu sein. Dadurch wird der eine oder andere sicherlich vor den Kopf gestoßen werden und es könnte im Hintergrund einige Reibereien geben. In weiterer Folge könnte hier der Stuhl von Rangnick recht rasch angesägt werden und es könnten Machtkämpfe entstehen. Man muss hier die aktuellen Verhältnisse und die Stimmung im ÖFB berücksichtigen, die für einen Charakter wie Rangnick nicht gerade optimal ist.

Ein weiterer interessanter Punkt ist die zukünftige Rolle von Sportdirektor Peter Schöttel. Es mehrten sich in den letzten Tagen die Stimmen, die davon berichten, dass Rangnick nicht der Wunschkandidat von Schöttel war, sondern von ÖFB-Präsident Miletich. Dass das nicht ganz abwegig erscheint, dafür braucht es keine allzu große Fantasie. Ralf Rangnick ist dafür bekannt, dass alle sportlichen Entscheidungen am besten über seinen Schreibtisch laufen sollten und in der Vergangenheit bekleidete er schon mehrmals eine „Doppelrolle“ als Trainer und Sportdirektor. Hier wären die Befürchtungen von Peter Schöttel, in seiner ohnehin schon schwachen Rolle noch zusätzlich marginalisiert zu werden, nicht unbegründet und dies könnte ebenfalls zu zukünftigen Spannungen führen.

Vieles wird auch davon abhängig sein, wie rasch sich der Erfolg in der Amtszeit von Ralf Rangnick einstellen kann. Schafft es dieser, schnell eine Mannschaft zu formen, mit einer klaren Handschrift und die ihr Potenzial nutzt, wird man dem Deutschen auch gewisse Freiheiten und Gestaltungsmöglichkeiten zugestehen. Sollte dies nicht der Fall sein und sich die Negativspirale fortsetzen, drohen im Hintergrund die nächsten Machtkämpfe, die ja beim ÖFB bereits seit Jahren am Köcheln sind. Mit Ralf Rangnick hat man wohl keinen Teamchef gewonnen, der diplomatisch zwischen den Fronten vermitteln kann und gewillt ist, Kompromisse einzugehen, sondern von sich und seinem Weg überzeugt ist. Ob sich der ÖFB damit arrangieren kann, werden die nächsten Monate zeigen.

(Dalibor Babic)

Dalibor Babic