Immer wieder, immer wieder Córdoba: Selbst in dieser Serie wurde bereits über das legendäre Spiel zwischen Österreich und Deutschland bei der WM 1978 in... Anekdote zum Sonntag (192) – Hochmut kommt vor dem Fall

Immer wieder, immer wieder Córdoba: Selbst in dieser Serie wurde bereits über das legendäre Spiel zwischen Österreich und Deutschland bei der WM 1978 in Argentinien berichtet. Heute wollen wir aus der Perspektive von Robert Sara, dem Rekordspieler der Wiener Austria, von jenem sagenhaften 3:2-Sieg erzählen. Für Sara war das Turnier jedenfalls ein Erfolg, denn Pelé stellte ihn auf die rechte Verteidigerposition in seiner persönlichen Weltauswahl. Kein kleiner Erfolg für den Kicker, der damals als Kapitän die ÖFB-Elf bei dieser Endrunde anführte.

Geboren wurde Sara 1946 im niederösterreichischen Waldviertel, wuchs aber in Kaisermühlen im 22. Wiener Gemeindebezirk auf. Dort, beim SV Donau, begann er auch mit dem Kicken und schlich sich dafür so manches Mal heimlich davon: „Meine Mutter wollte immer, dass ich nachmittags Hausübungen mache. Ich habe dann manchmal den Schlüssel für das WC am Gang genommen und gesagt, dass ich nur noch kurz aufs Klo gehe. Dabei habe ich den Schlüssel heimlich wieder aufs Fensterbrett gelegt und bin zum Fußballspielen abgehaut.“ Als 17-jähriger wechselte Sara zur Austria, wo er zwanzig Jahre lang bleiben sollte und – alle Spiele miteinbezogen – über 1000 Matches für die Veilchen bestritt. Ende der 60er-Jahre formte Austria-Legende Ernst Ocwirk aus dem Verteidiger – ganz nach dem neuesten italienischen Fußballtrend – einen Außenbahnspieler mit Offensivdrang: „Ocwirk sagte zu mir, wenn du über die Mittelauflage kommst, spielst du wie ein Stürmer. Was hinten passiert, ist mir egal.“ Ein bisschen im Schatten von Robert stand sein kleiner Bruder Josef, genannt „Sepperl“, obwohl auch er seine Karriere der Austria verschrieb und es auf ein Länderspiel für Österreich bringen sollte. Der ältere Sara trug dagegen 55-mal das rot-weiß-rote Trikot, gemeinsam standen die Brüder jedoch 1978 im Europacupfinale. In seinen Jahren bei den Veilchen holte Robert Sara neun Meistertitel und sechs Cupsiege und blieb nach seiner aktiven Karriere dem Klub lange Zeit als Co-Trainer erhalten.

Sein Teamdebüt feierte Sara 1965 gemeinsam mit Rapids Toni Fritsch beim überraschenden 3:2‑Auswärtssieg über England. Damals unterliefen dem Jungspund noch einige Schnitzer; bei der Endrunde 1978 in Argentinien war Sara dann Leistungsträger. Schon Edi Finger sen. wollte ihn für seine Performance im Gruppenspiel gegen Spanien küssen: „Bravo, Sara, Bussi, Sara!“. Der frischgebackene 32-jährige spielte eine Bomben-WM und Österreich wurde nach Siegen über Spanien und Schweden Gruppenerster der Vorrunde. In der Zwischenrunde traf man schließlich auf die DFB-Elf, die überzeugt war ihre Nachbarn mit einer echten „Schraub’n“ heimzuschicken: In Deutschland prophezeite ein bekanntes Boulevard-Blatt gar einen 11:0-Sieg. Dieser Meinung war auch Rüdiger „Abi“ Abramczik, der damals für Schalke und Deutschland stürmte.

Im Match wurde Abramczik von Außenverteidiger Robert Sara bewacht. Nach dem 1:0 für die Deutschen durch Rummenigge fand der Gelsenkirchner, es sei an der Zeit seinen Gegenspieler zu häkerln. „Abi“ wähnte den prophezeiten Kantersieg kommen, obwohl noch 70 Minuten zu spielen waren. „Verdienst du in D‑Mark oder ist der Schilling auch etwas wert?“, fragte er den verdutzten Sara mit einem Grinsen. Sara ignorierte ihn. „Abi“ ließ jedoch nicht locker und forderte den ÖFB-Kapitän mit ähnlich überheblichen Gags weiter heraus. Der Austrianer jedoch blieb ruhig, er sammelte seine Kraft lieber für jene Balleroberung zwei Minuten vor Schluss und die darauffolgende Flanke, die er beinahe über das ganze Spielfeld schlug: Rüssmann verschätzte sich, Krankl eroberte den Ball, drang in den Strafraum vor und schoss das Siegestor. Edi Finger sen. brüllte ins Mikrofon und fiel seinen Kollegen, deren Titel er für das Radiopublikum nicht aufzuzählen vergaß, um den Hals. Das 3:2 unter der Sonne Córdobas ist ein Stück österreichische Fußballgeschichte.

Ausgerechnet der vorlaute Rüdiger Abramczik hätte der ÖFB-Elf die Suppe noch versalzen können: Sein Schuss strich als letzte Torchance nur wenige Zentimeter an der linken Stange vorbei. Dann erfolgte der Schlusspfiff und Willi Kreuz stemmte den glücklichen Krankl in die Luft. Die Deutschen waren blamiert, die Österreicher jubelten: Zwar waren auch sie aus dem Turnier geflogen, die DFB-Elf musste nach dieser Niederlage aber ebenso die Koffer packen.

Nun ließ es sich Robert Sara nicht nehmen mit Abramczik ein ernstes Wörtchen zu reden. Er lief am schmähstaden „Abi“ vorbei und teilte ihm mit: „Jetzt kannst heimfliegen. Zusammen mit deinen D-Mark.“ Abramczik machte Augen wie ein Autobus; der Frechdachs hatte sich zu früh gefreut. Es sollte jedoch nicht das letzte Zusammentreffen der beiden Kicker sein.

Tatsächlich erfuhren die Mannschaften erst nach dem Match, dass sie im selben Flugzeug zurück nach Europa reisen würden. Die deutschen Teamspieler plünderten während des Fluges die Bar und versuchten ihren Frust in Alkohol zu ertränken, während bei Prohaska und Co. gute Stimmung herrschte. Als Robert Sara erneut Abramczik über den Weg lief, konnte er sich einen weiteren Schmäh zum D-Mark-Sager des Schalke-Kickers nicht verkneifen: Wer zuletzt lacht, lacht eben am besten. Tatsächlich war der spätere Austria-Rekordspieler auch in seiner Ehre gekränkt: Während einige seiner Teamkameraden mit den Besiegten nach dem Abpfiff Trikots getauscht hatten, hatte Sara den Gegnern sein Leiberl verweigert. Später erklärte er dies folgendermaßen: „Die Deutschen waren vor dem Match so überheblich. Da muss man Haltung zeigen.

Marie Samstag