Beim Champions-League-Finalturnier geht es nun Schlag auf Schlag, denn kaum wurde das Viertelfinale verarbeitet, folgte bereits wenige Tage später das Halbfinale. Den Auftakt in... Analyse: PSG zieht in das Champions-League-Finale ein

Beim Champions-League-Finalturnier geht es nun Schlag auf Schlag, denn kaum wurde das Viertelfinale verarbeitet, folgte bereits wenige Tage später das Halbfinale. Den Auftakt in die beiden Halbfinalduelle machten dabei die Teams von Paris Saint-Germain und RB Leipzig, die die Klingen miteinander kreuzten. Dabei kam es auch zum Duell zweier deutscher Trainer, die eine gemeinsame Vergangenheit verbindet, was die Begegnung noch spezieller machte. Während der Einzug ins Halbfinale für Leipzig bereits der größte Erfolg der noch jungen Vereinsgeschichte ist, war PSG nach langer Zeit erstmals wieder kurz vor einem Einzug in das Finale.

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Leipzig verändert eigene Spielanlage

Dabei musste Paris im Viertelfinale gegen Atalanta Bergamo richtiggehend leiden und durch ein Wellental der Gefühle gehen. Nachdem man lange Zeit beinahe verzweifelte und mit allen Mitteln versuchte, die Italiener zu knacken, sorgte ein Doppelschlag in der Nachspielzeit für den Sieg und den Einzug in das Halbfinale. Auch wenn die Leistung nicht berauschend war, zählte letztlich nur das Weiterkommen, weshalb man nun nur noch einen Schritt vom Finale entfernt war. Klar war aber, dass gegen Leipzig eine deutliche Leistungssteigerung hermusste, denn der Bundesligist bewies gegen Atletico seine Gefährlichkeit und dass man gegen sie sehr konzentriert zu Werke gehen musste. Glücklicherweise aus Sicht von PSG, kehrten mit Superstar Mbappe und Di Maria zwei Schlüsselspieler zurück in die Startelf, was den Franzosen klarerweise einen Schub verleihen sollte.

Auf der anderen Seite vertraute Trainer Julian Nagelsmann nahezu auf das idente Personal wie im Viertelfinale. Einzig Mukiele rutschte für Halstenberg in die Abwehr hinein. Gespannt war man bei den Deutschen, ob man wie gegen Atletico erneut auf ein „Hybrid-System“ setzen würde. Gegen die Spanier zeigte die Leipziger jeweils zwei klar verschiedene Formationen, abhängig davon ob man im Ballbesitz war oder nicht. Gegen den Ball setzte man dabei auf eine Viererkette, während man mit dem Ball sich in der Abwehr zu einer Dreierkette formierte. Dieses Grundprinzip behielt man auch gegen PSG bei, wobei man klarerweise gegnerspezifische Anpassungen einstreute. Speziell gegen den Ball veränderte man nicht nur das System, sondern auch das allgemeine Verhalten doch recht deutlich.

Man formierte sich nun zu einem klaren 4-1-4-1, wobei Sabitzer und Olmo als „Achter“ aufgeboten wurden, während Laimer und Nkokou die Flügel besetzten. Damit spiegelte man mehr oder weniger das System der Franzosen, agiert doch PSG meist mit einem 4-3-3. Interessant war dabei vor allem die Vorgehensweise und die Kernpunkte im Matchplan. Grundsätzlich verzichtete Leipzig untypischerweise auf ein Angriffspressing und überließ bereitwillig PSG den Spielaufbau. Stattdessen sollten in erster Linie die Räume eng gehalten und die Passwege nach vorne verschlossen werden, weshalb man auf ein lokales Mittelfeldpressing setzte. Der Plan von Leipzig sah nämlich vor, dass Mittelfeldzentrum des Gegners so gut es geht lahmzulegen.

Die übliche Vorgehensweise sah dann so aus, dass Stürmer Poulsen den Passweg zum „Ankersechser“ Marquinhos verschloss, während die beiden Achter dahinter, Olmo und Sabitzer, auf die gegnerischen Halbspieler im Mittelfeld herausrückten, sobald diese im seitlichen Zentrum angespielt wurden. Damit sollte gewährleistet werden, dass sobald ein französischer Mittelfeldspieler den Ball erhielt, sofort ein Leipziger Druck machte und in seinem Gesichtsfeld stand, damit eine Vorwärtsprogression verhindert wurde. Als Rettungsanker stand dann auch noch Sechser Kampl bereit, der seine Vorderleute absichern und sofern das Zustellen nicht klappte, die Löcher im Zentrum stopfen sollte. Mit dieser Vorgehensweise sollte Paris schlicht im Ballbesitz in keinen Rhythmus gelangen und zu vielen Rückpässen gezwungen werden – ungefähr so, wie es gegen Atalanta der Fall war.

Sofern dann ein Ballverlust bei PSG erfolgte, sollte die Post nach vorne abgehen und so schnell und direkt wie möglich das letzte Drittel anvisiert werden. Das klappte in den Anfangsminuten der Partie gar nicht so schlecht und dank einiger guter Balleroberungen, kam man vor das gegnerische Tor, auch wenn keine klare Chance dabei heraussprang.

PSG lässt individuelle Klasse aufblitzen

Paris musste daher Geduld in der Ballzirkulation aufbringen und den tiefstehenden Block der Leipziger in Bewegung bringen. Man versuchte trotz der zentralen Barrieren, die die Deutschen aufstellten, diesen Bereich anzuvisieren und sich nicht von der üblichen Spielanlage zu verabschieden. Die Franzosen setzten wie bereits erwähnt wie meist üblich auf ein 4-3-3, wobei man erneut die Variante mit der „falschen Neun“ praktizierte. Gegen Atalanta agierte der brasilianische Superstar Neymar in dieser Rolle und fungierte als „Manndeckungslöser“, um die Struktur der Italiener zu destabilisieren. Ähnliches sollte nun gegen Leipzig auch praktiziert werden, wobei hier schlicht nur der Zwischenlinienraum das Objekt der Begierde aus Sicht der Pariser war. Dort tummelten sich oftmals die beiden Starspieler Mbappe und eben Neymar, die auf Bälle aus dem Mittelfeldzentrum lauerten.

Ihre Gefährlichkeit demonstrierten die beiden dann auch ebenfalls nach wenigen Minuten, als nach einer Balleroberung Mbappe seitlich freigespielt wurde und wunderbar auf Neymar durchsteckte, der mit seinem Abschluss an der Stange scheiterte. Das war der Startschuss dafür, dass PSG immer besser in die Gänge kam und recht bald den Führungstreffer folgen ließ. Nach einem wunderbar getretenen Freistoß von Di Maria, war Sechser Marquinhos per Kopf zur Stelle und brachte seine Mannschaft mit 1:0 in Front. Dieser Führungstreffer wirkte sich auf das gesamte Auftreten von Paris positiv aus, denn nun strahlte man immer mehr Dominanz aus und fand gegen den defensiven Block des Gegners beständig Lösungen.

Man baute nicht nur mit verschiedenen Staffelungen auf und forderte so die Zuordnung von Leipzig heraus, speziell mit kleinräumigen Kombinationen gelang es oft, kleine Lücken bei den Deutschen zu öffnen und diese dann mit scharfen Vertikalbällen in den Zwischenlinienraum zu bespielen. Sobald es PSG nämlich in den Zwischenlinienraum schaffte, bekamen die Kreativspieler aufgrund der raumorientierten Spielweise der Leipziger viel Raum und konnten dynamisch ins letzte Drittel vorpreschen. Gegen Spieler wie Neymar und Mbappe natürlich hochproblematisch, weshalb Leipzig einige gefährliche Momente überstehen musste.

Doch nicht nur das Defensivspiel war bei Leipzig mit Problemen behaftet, auch in der Paradedisziplin – dem Ballbesitzspiel – wirkte man nicht so gefestigt wie gewohnt. Paris versuchte situativ höher zu pressen oder die Ost-Deutschen zumindest zuzustellen, was oftmals bereits ausreichte, um RB zu Fehler zu zwingen. Meist saubere Akteure wie Torhüter Gulasci und Kampl leisteten sich einige Unachtsamkeiten, die teils zu schwereren Ballverlusten führten. Daher bekam Leipzig auch nicht wirklich einen Fuß mehr in dieser Partie und der Zugriff fehlte in jeglichen Phasen. Torhüter Gulasci war es dann auch, der PSG mit einem Fehlpass zum nächsten Treffer einlud und es den Franzosen ermöglichte, das Ergebnis kurz vor der Pause auf 2:0 zu stellen. Damit gingen die Leipziger mit einem doch recht deutlichen Rückstand in die Kabine.

Leipzig setzt alles auf eine Karte

Nach dem überwiegend schlechten Auftritt im ersten Durchgang, musste Leipzig klarerweise eine Reaktion zeigen, sofern man noch eine Chance auf das Weiterkommen wahren wollte. Trainer Nagelsmann versuchte daher von der Seitenlinie den Umschwung einzuleiten und nahm einige Veränderungen vor. So kamen mit Schick und Forsberg nicht nur zwei neue Offensivspieler auf das Feld, sondern wurde auch das System durch die Einwechslung einer zweiten Spitze angepasst. Mit dem Ball bekam man nun ein 3-4-3 System zu sehen, während in der Defensive man zu einem 4-1-3-2 wechselte. Doch nicht nur das System änderte sich bei den Leipzigern, sondern auch das Pressingverhalten. Statt dem eher abwartenden Mittelfeldpressing, wurde nun das übliche konsequente Angriffspressing praktiziert und PSG ohne große Verzögerung vorne aggressiv angelaufen. Auch mit dem Ball versuchte man nun noch mutiger zu agieren, das Spielgerät länger in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen und der Dominanz von PSG Einhalt zu gebieten.

Und tatsächlich, die Anfangsminuten im zweiten Durchgang sahen aus Sicht der Leipziger sehr vielversprechend aus. Man drückte PSG weit nach hinten zurück, bekam wesentlich mehr Ballbesitz ab und konnte den Franzosen mittels Gegenpressing zusetzen, wodurch man viele Balleroberungen verbuchte. Dadurch konnte man sich in der gegnerischen Hälfte festbeißen und damit eine passende Reaktion auf die schlechte erste Halbzeit zeigen. Man schien am Drücker zu sein und langsam endlich in das Spiel zu finden. Bevor man jedoch auch Kapital aus dieser guten Phase herausschlagen konnte, schlug PSG im Stile einer Klassemannschaft zu. Maßgeblich beteiligt waren dabei erneut die Leipziger, die den Ball vor dem eigenen Tor verloren, ehe Di Maria Linksverteidiger Bernat mit einer Flanke bediente und dieser zum 3:0 einköpfen konnte. Das war natürlich ein Nackenschlag auf die Drangphase der Deutschen, deren Hoffnungen dadurch kräftig gedämpft wurden. Damit war auch letztlich klar, dass der Weg für die Bullen an dieser Stelle zu Ende gehen würde.

Trainer Nagelsmann versuchte dann eine Balance zu finden, zwischen weiterhin offensiv zu agieren, gleichzeitig aber in kein Debakel zu rennen. Das System wurde dann ein weiteres Mal auf ein 5-3-2/3-4-1-2 geändert und an der Balance geschraubt. Dadurch konnte man die Mehrheit an Ballbesitz weiterhin sichern und sich gleichzeitig gegen die Konterangriffe wappnen, die man zwar nicht alle unterbinden, allerdings zumindest weitere Gegentreffer verhindern konnte. So blieb es letztlich bei der 0:3-Pleite und PSG zog in das Finale ein.

Fazit

Paris Saint-Germain hat es also vollbracht, nach hunderten von Millionen Euro an Investitionen, gelang endlich der Sprung in das Finale der Champions League, womit man nur noch einen Schritt vom europäischen Thron entfernt ist. Ausschlaggebend für den Erfolg war mal wieder die individuelle Klasse in der Offensive, die Leipzig nicht in den Griff bekam. Doch es wäre falsch, den Erfolg nur auf die Ausnahmekönner zu reduzieren, auch in der Arbeit gegen den Ball und allgemein in Sachen Einsatzbereitschaft, sah man eine engagierte und giftige Pariser Mannschaft, die diesen Erfolg unbedingt erringen wollte. Das ist zweifellos ein Verdienst von Trainer Thomas Tuchel, der ein stimmiges Gebilde formen konnte. Nun bekommt man am kommenden Sonntag die Chance, die Fans mit einem Titel zu beglücken und sich in den Geschichtsbüchern zu verewigen.

Auf der anderen Seite geht die beachtliche Reise von RB Leipzig zu Ende. Letztlich muss man konstatieren, dass der qualitative Unterschied zu PSG doch recht groß war und man diesen nicht wettmachen konnte. Sofern alles gepasst hätte und der Spielverlauf ähnlich wie im Viertelfinale verlaufen wäre, wäre die Möglichkeit zumindest da gewesen, für eine kleine Sensation zu sorgen. Allerdings war speziell in der ersten Halbzeit zu nervös und nicht klar genug in den Aktionen, weshalb PSG relativ leichtes Spiel hatte. Dennoch ist die Leistung der Leipziger beachtlich und ein Einzug in das Halbfinale der Königsklasse ein Erfolg, auf den man ruhig auch stolz sein kann.

Dalibor Babic