Die Bayern mussten mit einer enorm schwierigen Ausgangslage ins Rückspiel vor heimischem Publikum gehen. Durch das 0:1 in Madrid hatten sie kein Auswärtstor, mussten... Die Gründe der 0:4-Niederlage des FC Bayern München gegen Real Madrid

Sergio RamosDie Bayern mussten mit einer enorm schwierigen Ausgangslage ins Rückspiel vor heimischem Publikum gehen. Durch das 0:1 in Madrid hatten sie kein Auswärtstor, mussten mit zwei Toren Unterschied gewinnen und durften eigentlich keines zulassen, um sich eine reelle Chance auf das Weiterkommen zu wahren.

Gegen die individuelle Stärke Reals und deren Fähigkeiten im Konterspiel eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Dafür bedürfte es schon einer herausragenden Anpassung und taktischen Ausrichtung sowie Tagesform – Dinge, die den Bayern trotz durchaus vielversprechender Ansätze zu Beginn fehlten.

Guardiola sucht die Mischung aus Strafraumpräsenz, Tiqui Taca und Flügelspiel

Die Münchner versuchten in ihrer Personalwahl und taktischen Aufstellung möglichst viel Variabilität in puncto Spielermaterial zu haben. Dafür stellte Guardiola im 4-2-3-1 auf. Kroos und Schweinsteiger agierten als Doppelsechs, bauten das Spiel auf und sollten sich um die Ballzirkulation kümmern. Davor gab es viele freie Bewegungen: Robben und Ribéry rückten teilweise weit in die Mitte ein oder versuchten vom Flügel aus in das Zentrum zu ziehen und abzuschließen, Mandzukic als vorderster Akteur hatte seine üblichen ausweichenden Bewegungen oder besetzte für Flanken das Sturmzentrum, während Thomas Müller in der Linie dahinter selbiges im Wechsel tat.

Besonders Müllers pendelnde Bewegungen und Diagonalläufe von der Mitte auf die Seiten sorgten zu Beginn durchaus für interessante und vielversprechende Staffelungen. Das Problem jedoch war die grundlegende Spielweise der Münchner. War sie im Hinspiel und nach der Anfangsphase viel zu langsam in der Zirkulation gewesen, so schienen die Bayern in der Anfangsphase fast schon überhastet; die Pässe wurden zu schnell gespielt, waren schwierig zu verarbeiten, ungenau und zerstörten einige vielversprechende Angriffe selbst. Besonders Mandzukic hatte mit der Verarbeitung solcher Anspiele Probleme.

Doch das Gegenpressing der Bayern war abermals nicht gut genug, um Madrids Konter aufzuhalten, dazu kam eine schwache Verteidigung eines nahezu perfekten Standards, der zum 1:0 führte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war die Paarung endgültig vorbei. Real nutzte die Führung perfekt aus.

Zwei schnelle Tore und das rhythmische Pressing danach

Nach dem ersten Treffer nach dem Standard vergingen  – wie Kollege Tobias Escher in seiner Analyse auf Spielverlagerung nachgerechnet hat – zwar vier Minuten, die Nettospielzeit lag durch viele Unterbrechungen und ähnliches bei unter 45 Sekunden. Somit ließ Real Bayern nach dem Treffer gar nicht ins Spiel und versuchte sofort nachzulegen, was ihnen mit einem weiteren Standard gelang.

Danach ging diese Mischung aus hervorragender Taktik, psychologischen Maßnahmen und ihrer taktikpsychologischen Verkettung weiter. Schon im Vorbericht hier auf abseits.at ging es um die Möglichkeit, dass ein flexibles, sich veränderndes und rhythmisch wechselndes Pressing Reals dieses Spiel entscheiden könnte:

Zwischen sehr tiefer und strafraumorientierter Verteidigung, einem hohen Angriffspressing und einem passiven Mittelfeldpressing zu wechseln könnte für große Instabilität bei den Bayern und ein mögliches Auswärtstor der Madrilenen sorgen; stellen sie sich dann so effektiv wie im Hinspiel hinten rein, dann wäre der Drops wohl gelutscht.

Dieses rhythmische Pressing war im Verbund mit den enormen individuellen und kollektiven Qualitäten im Defensiv- wie Konterspiel der relevanteste Faktor bei diesem 0:4-Erfolg der Königlichen in der Allianz Arena. Nach der Führung hatten sie zwar immer wieder Phasen, wo sie sich tief am eigenen Strafraum positionierten, aber versuchten dann auch weiter vorne und höher zu stören, damit die Bayern nicht in den Spielrhythmus kamen.

Bei einigen Abstößen der Münchner stellten sie beispielsweise die Bayern schon an deren Strafraum zu. In diesen Situationen wurde das  4-4-2 in der Defensive bei Real sogar wieder zum 4-3-3, in welchem Bale und Cristiano sich zwischen den gegnerischen Innen- und Außenverteidigern positionierten, während Benzema zwischen den Innenverteidigern stand und sich zusätzlich noch Modric an den Münchner Akteuren im gegnerischen Sechserraum orientierte.

Ansonsten gab es das wie erwähnte 4-4-2 im Mittelfeldpressing mit Cristiano Ronaldo und Benzema vorne oder eine sehr tiefe Ausrichtung nahe am eigenen Strafraum. Bayerns Ansätze verblassten im weiteren Spielverlauf. Sie fanden nie in ihren Rhythmus, hatten nicht die passenden Abläufe gegen Reals Pressing und Staffelungen, wodurch sich der Titelverteidiger selbst durch mangelnde Gefahr ins Ausscheiden manövrierte. Doch nicht nur Bayerns offensive Probleme und Reals Defensivstärke waren relevante Faktoren bei diesem Spiel.

Luka Modric und die Stürmer enorm wichtig im Umschaltspiel

Das Konterspiel sorgte für die Standards und für Torchancen durch direkte Abschlüsse dieser Konterangriffe. Entscheidend war Modrics zentrale Rolle beim Einleiten dieser Angriffe. Nach Ballgewinnen ging es entweder über die schnellen Außenverteidiger nach vorne oder eben über direkte Pässe Modrics und der Flügelspieler. Modric spielte aber die meisten und schwierigsten davon mit beinahe unglaublicher Präzision und aus den engsten Situationen.

Jegliche Gegenpressingversuche der Bayern scheiterten, wenn sie auf Modric gerichtet waren, der mehrmals an einem oder mehreren Gegenspielern vorbeispazierte und dann gefährliche Angriffe mit seinen tollen Pässen einleitete. Im Verbund mit seiner tollen Defensivleistung machte ihn dies wohl zum klar besten Spieler dieser Paarung in beiden Partien.

Wichtig waren natürlich auch die Rollen der Flügelstürmer und Mittelstürmer. Cristiano Ronaldo fungierte als Zielspieler, der zwar von Boateng beim Zurückfallen einige Male effektiv gestört wurde, aber durch seine Athletik und Läufe immer wieder für Probleme sorgte. Benzema konnte ebenfalls viele schwierige Anspiele verarbeiten, den Ball behaupten und weiterleiten. Dazu kamen noch die extrem schnellen Vorstöße Di Marias und Bales über die Seiten, die den Kontern noch mehr Dynamik und Breite gaben.

Di Maria und Bale waren außerdem sehr wichtig im Defensivspiel. Wie erwähnt spielte Real Madrid bei tieferem Pressing mit einem 4-4-2. Bayern versuchte mit Robben und Ribéry (und vereinzelt auch mit den Außenverteidigern) die Mitte und die Halbräume zu besetzen, was von Reals Flügelpärchen gut gelöst wurde. Meistens blieben die Außenverteidiger tiefer und breiter, während die Flügelstürmer in die Mitte gingen.

Dadurch agierten die Blancos dann mit einer engeren Mittelfeldkette, hatten enorme Kompaktheit in der Mitte und drückten die Bayern auf die Außen. Dank des starken Verschiebens der gesamten Mannschaft auf die Flügel wurde Bayern dort isoliert, die Flügelstürmer gedoppelt und getrippelt, wodurch letztlich fast sämtliche Offensivgefahr von Reals Raumverknappung neutralisiert wurde.

Fazit

Eine herausragende Leistung der Madrilenen und eine schwache Leistung der Bayern, die gut begannen und stark nachließen. Das 0:2 hatte einen eindeutigen psychologischen Effekt, dazu kam noch die taktikpsychologische Wirkung von Reals rhythmische Pressing und die herausragende taktische Spielweise Reals im Verbund mit ihren Einzelspielern.

Dennoch sollte man keine Grundsatzdebatte über Ballbesitzfußball anstoßen; einerseits lag dieses Debakel vorrangig an der Hinspielniederlage, andererseits spielten die Bayern in der Anfangsphase des Rückspiels keinen Ballbesitz-Fußball nach Laiendefinition, sondern einen überaus dynamischen Fußball, der ebenso instabil war wie die Spielweise im ersten Aufeinandertreffen.  Es ist eher so, dass Guardiola und Bayern Probleme in der Umsetzung in beiden Partien hatten, während Real die eigene Spielweise perfekt auf den Platz brachte.

Guardiola darf sich dennoch Kritik gefallen lassen, weil die Aufstellung und Anpassung an den Gegner nicht ideal war. Vor dem Spiel schrieb ich von einem 3-2-2-3 mit Pizarro, Götze, Müller, Robben und Ribéry vor einer Doppelsechs aus Martinez und Lahm, die vor einer Dreierkette aus Boateng, Alaba und Dante gespielt hätten. Ob das wirklich schwächer und instabiler gewesen wäre?

Dennoch sollte man sich mit Kritik zurückhalten. Im Nachhinein sieht natürlich alles einfacher und logischer aus. Außerdem sollte man die menschliche Komponente berücksichtigen; inwieweit eine optimale Gegnervorbereitung für Guardiola und sein Trainerteam nach dem tragischen Ableben seines langjährigen Co-Trainers und Freundes Tito Vilanova möglich war, ist nicht zu sagen.

René Maric. www.abseits.at

Rene Maric

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