Am sechsten und letzten Spieltag der Europa League Gruppenphase empfing der SK Rapid den norwegischen Vertreter Molde FK. Es war das direkte Duell um... Taktikanalyse: Unentschieden gegen Molde für Rapid zu wenig

Am sechsten und letzten Spieltag der Europa League Gruppenphase empfing der SK Rapid den norwegischen Vertreter Molde FK. Es war das direkte Duell um den zweiten Tabellenrang in Gruppe B. Das Hinspiel am Kunstrasen von Molde konnten die Norweger dank einer starken spielerischen Leistung mit 1:0 für sich entscheiden. Rapid brannte auf Revanche, mit der man gleichzeitig den Aufstieg erreichen wollte. Es war also alles angerichtet für ein echtes Endspiel.

Die Ausgangslage

Zur Erinnerung: Vor dem Spiel lag Rapid drei Punkte hinter Molde auf dem dritten Tabellenplatz. Aufgrund der gleichen Tordifferenz hätte den Hütteldorfern ein 1:0-Sieg in diesem Duell genügt. Sollte Molde ein Tor erzielen hätte Rapid aufgrund der Auswärtstorregel im direkten Vergleich mit mindestens zwei Toren Unterschied gewinnen müssen. So oder so, Rapid war auf jeden Fall gefordert das Heft in die Hand zu nehmen.

Spielverlauf kommt Moldes Matchplan entgegen

Die Ausgangslage spiegelte sich auch in der strategischen Herangehensweise der Norweger wider. Die eigentlich als spielstarke Mannschaft bekannten Gäste konzentrierten sich in erster Linie auf das Verteidigen und überließen den Heimischen über weite Strecken des Spiels den Ball. Am Ende stand ein Ballbesitzwert von rund 60% pro Rapid zu Buche. Die Hütteldorfer spielten über die gesamte Spielzeit insgesamt 636 Pässe, wogegen Molde nur 346 Zuspiele zu verbuchen hatte. Diese Statistiken untermauern das Bild, welches das Spiel bot: Rapid mit viel Ballbesitz, allerdings vorrangig im Mitteldrittel, sprich einer ungefährlichen Zone.

Im Gegensatz zum Spiel gegen Arsenal am vergangenen Spieltag konnte Rapid das Geschehen diesmal hauptsächlich in die gegnerische Hälfte verlagern.

Die Spieleröffnung Moldes erfolgte zu einem hohen Anteil durch lange Bälle auf Zielspieler Leke James, gefolgt vom Spiel auf den zweiten Ball. Das Angriffsmuster der Gäste sah vor, mittels Ablage des Zielspielers die nachrückenden Akteure im zentralen Mittelfeld ins Spiel zu bekommen. Diese sollten dann mit Chipbällen hinter die gegnerische Abwehrkette die schnellen Flügelspieler Brynhildsen und Hestad einsetzen. Prinzipiell haperte es hier aber an der Umsetzung, da der erste Ball von James oft nicht erreicht oder nur Richtung Rapid-Tor verlängert werden konnte. Dies ermöglichte es den Hütteldorfern, den Ball aufzunehmen und selbst einen Angriff zu initiieren.

In der 12. Minute war es allerdings ein solches Muster, welches den Führungstreffer für Molde ermöglichte. Der lange Ball von Keeper Linde auf James wurde auf die rechte Abwehrseite Rapids verlängert, die durch das starke Einrücken von Stojkovic und Schick verwaist war. So fand Molde-Linksverteidiger Risa einen großen Raum vor, konnte erneut James an der letzten Linie in Szene setzen. Dieser leitete das Spielgerät auf Spielmacher Magnus Wolff Eikrem weiter. Der Kapitän der Gäste vollendete nach einer Körpertäuschung, mit der er beide gegnerischen Innenverteidiger aussteigen ließ zum 0:1.

Der Matchplan von Molde überraschte, wenngleich er aufgrund der Ausgangslage legitim erschien. Der frühe Führungstreffer markierte den perfekten Start für die Gäste. Sie legten den Fokus nun verstärkt auf die Defensive. Rapid war jetzt noch mehr gefordert, denn es mussten bereits drei Tore her, um den Aufstieg ins Sechzehntelfinale realisieren zu können.

Rapid mit schlechter Staffelung im Zentrum

Im Spielaufbau agierte Rapid primär mit der zu erwartenden Asymmetrie in der Viererkette. Stojkovic rückte in den Halbraum ein und positionierte sich auf der gleichen Höhe wie die Innenverteidiger Hofmann und Barac. Der nominelle Linksverteidiger Ullmann hingegen nahm eine höhere sowie breitere Position ein. Er fungierte als alleiniger Breitengeber am linken Flügel, da Arase dauerhaft im Halbraum an der letzten gegnerischen Verteidigungslinie agierte, um mit Tiefenläufen Räume zu schaffen. Das Pendant zu Ullmann auf der rechten Seite war Thorsten Schick.

Rapid hatte also einen hohen Ballbesitzanteil, konnte aber kaum in die gefährlichen Zonen eindringen. Hauptgrund dafür war die schlechte Staffelung im zentralen Mittelfeld in Halbzeit eins. Die beiden Sechser Ritzmaier und Grahovac positionierten sich hinter der ersten Pressinglinie der Norweger, die gegen den Ball in einem 4-2-3-1/4-4-2 agierten. Zehner Knasmüllner agierte sehr hoch, wodurch keine Bindung zu den Sechsern hergestellt werden konnte.

Ein Beispiel der Staffelung der zentralen Mittelfeldspieler Rapids. Der ballnahe Sechser Ritzmaier ist durch die Mannorientierung des direkten Gegenspielers nicht anspielbar. Grahovac und Knasmüllner können aufgrund der großen Abstände zueinander ebenfalls nicht ins Aufbauspiel eingebunden werden.

Die horizontalen Abstände zwischen Grahovac und Ritzmaier waren im ersten Durchgang ebenfalls viel zu groß. Hintergedanke dabei könnte gewesen sein, dass man so die beiden gegnerischen Sechser auseinanderzieht, um den zentralen Passkorridor auf Zehner Knasmüllner oder Stürmer Kara für die drei Aufbauspieler öffnen zu können. Ellingsen und Aursnes, die beiden Sechser der Norweger, hielten allerdings stets geringe horizontale Abstände zueinander bzw. sicherten sich gegenseitig gut ab. Wenn dieser Abstand in einzelnen Situationen einmal zu groß wurde, stellten die beiden Spieler der ersten Pressinglinie besagten Passweg zu.

Zu wenig Dynamik über die Flügel

Aufgrund der großen Abstände zwischen den zentralen Mittelfeldspielern sahen sich Barac, Hofmann und Stojkovic gezwungen, das Spiel primär über die Flügel zu eröffnen, indem sie den Ball direkt auf einen der beiden Breitengeber weiterleiteten. Dort ging die Dynamik des Angriffs allerdings oft verloren, da man sich in den meisten Fällen festlief. Von den Flügelpositionen aus wollte man mit Flanken auf den kopfballstarken Ercan Kara zum Erfolg kommen. Die beiden größten Möglichkeiten in der ersten Halbzeit hatte der Angreifer auch per Kopf, diese konnte er aber nicht nutzen. Über weite Strecken war er allerdings bei den langen Innenverteidigern Gregersen und Sinyan bestens aufgehoben. Die Flügellastigkeit in Rapids Offensivspiel wird durch den Blick auf die Anzahl der geschlagenen Flanken untermauert. Am Ende waren es 29 Hereingaben an der Zahl. Dagegen stehen 11 Stück auf Seiten der Gäste.

Rapid konnte sich in den ersten 45 Minuten also äußerst selten in den kompakten Defensivblock der Gäste kombinieren bzw. Unordnung in diesem stiften. Dies hatte unter anderem auch mit der zu geringen Breite in der ersten Aufbaulinie zu tun, speziell im linken Halbraum. Wenn Barac sich einmal etwas breiter positionierte und der Weg für die beiden Angreifer Moldes zu weit war, um Druck zu erzeugen konnte man den gegnerischen Flügelspieler ins Pressing locken. Dieser versuchte dann Barac bogenförmig von außen nach innen anzulaufen, um Außenverteidiger Ullmann in den Deckungsschatten zu stellen. In der einen oder anderen Szene konnte man mittels Spiel über den dritten Ullmann in solchen Situationen problemlos freispielen. Der Linksverteidiger der Wiener fand anschließend viel Raum für ein Dribbling vor. Dieser Lösungsansatz im Spielaufbau wäre öfter möglich gewesen und man hätte die Gäste so defensiv vor Probleme stellen können.

Durch die breitere Positionierung Barac‘ wird der gegnerische Flügelspieler Hestad (#19) ins Pressing gelockt, wodurch Breitengeber Ullmann frei wird. Mithilfe des entgegenkommenden Sechsers Ritzmaier kann Ullmann mittels Spiel über den dritten in Szene gesetzt werden. Der Außenverteidiger findet viel Raum für ein progressives Dribbling vor und kann somit den Gegner vor Probleme in der Defensive stellen.

Rapid adaptiert – Blitztor nach Seitenwechsel als Stimmungskiller

Rapid kam durch einen Distanzschuss von Marcel Ritzmaier kurz vor dem Ende der ersten Halbzeit zum Ausgleich. Dass der Torerfolg mittels eines Abschlusses aus der zweiten Reihe gelang ist symptomatisch für das Spiel Rapids in den ersten 45 Minuten. Wenn man gefährlich wurde, dann entweder durch Kopfbälle von Kara nach Halbfeldflanken oder durch Schüsse außerhalb des Sechzehners. Der Ausgleichstreffer war jedenfalls Gold wert für die Hütteldorfer, da man dadurch neue Kraft schöpfen konnte.

Trainer Kühbauer reagierte auch dementsprechend und brachte zur zweiten Halbzeit mit Fountas und Demir statt Arase und Knasmüllner zwei neue Offensivkräfte in die Partie. Mit diesen Wechseln wollte man ein klares Zeichen setzen und den Schwung, den der Ausgleichstreffer kurz vor der Pause mit sich brachte, in Zählbares ummünzen.

Die Heimischen hatten sich viel für die zweite Halbzeit vorgenommen – der Plan wurde jedoch bereits nach 20 Sekunden durchkreuzt. Kapitän Eikrem konnte sein zweites Tor an diesem Abend erzielen und Molde somit mit 2:1 in Führung bringen. Ausgangspunkt war erneut ein langer Ball sowie die Behauptung des zweiten und dritten Balls, indem die Norweger zwei entscheidende Zweikämpfe im Zentrum für sich entscheiden konnten. Danach wurde Stürmer James erneut in Szene gesetzt, dieser konnte Hofmanns und Barac‘ Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Über den nachrückenden Sechser Aursnes kam der Ball zu Eikrem, der eine Lücke zwischen Stojkovic und Hofmann zum Treffer nutzen konnte.

Mit den beiden Wechseln zur Pause ging auch eine Änderung in der Grundformation Rapids einher. Im Ballbesitz agierte man nun in einem klaren 3-4-1-2. Kühbauer reagierte so auf die unzureichende Staffelung im Zentrum und sorgte dafür, dass dieser Bereich des Spielfeldes nun überladen wurde. Die beiden Sechser blieben auf ihren Positionen und versuchten engere horizontale Abstände zueinander zu halten, um die Aufmerksamkeit ihrer Pendants auf der Gegenseite auf sich zu lenken. Der freiwerdende Raum hinter den gegnerischen Sechsern sollte von einem der beiden Stürmer besetzt werden, damit die Halbverteidiger im Aufbau idealerweise den Vertikalball direkt in Richtung der Angreifer spielen konnten. In weiterer Folge sollte dann mittels Direktablage Yusuf Demir auf der Zehnerposition in Szene gesetzt werden.

Generell brachte der junge Mittefeldspieler mit seiner Einwechslung ein neues Element in Rapids Angriffsspiel – mit seinen Dribblings konnte er Lücken in die Defensivformation der Norweger reißen. Als Alternative dazu blieb ihm nach wie vor die Möglichkeit, das Spiel auf den Flügel zu verlagern, was er auch primär tat. Durch die vorhergehende ‚Pass-Klatsch‘-Kombination sowie die anschließende schnelle Verlagerung auf den Flügel wollte man mehr Dynamik in die eigenen Angriffe bekommen und verhindern, dass man sich auf den Flügeln festlief und der gesamte Ballvortrag dadurch zum Stehen kam – so wie das in der ersten Halbzeit oft der Fall war.

Sechser Ritzmaier rückt etwas weiter ein, um den Passweg Barac-Fountas zu öffnen. Der Grieche lässt dann auf Zehner Demir klatschen, der entweder ins Dribbling geht oder das Spiel auf die Flügel verlagert.

Molde reagiert auf Rapids Anpassungen

Durch den frühen Treffer der Norweger ergab sich in der zweiten Halbzeit ein nahezu identes Bild wie im ersten Durchgang – Rapid mit viel Ballbesitz, Molde fokussiert sich auf das Herstellen eines kompakten Defensivblocks. Das oben genannte Angriffsmuster der Hütteldorfer brachte auch im Ansatz den gewünschten Effekt – speziell über die Flügel kam man nun mit viel mehr Dynamik als in der ersten Halbzeit. Doch Molde-Trainer Erling Moe sollte auf die Anpassungen Rapids reagieren. In der 57. Minute brachte er Etzaz Hussain für Eikrem. Der neue Mann ist von Grund auf defensiver orientiert als der Molde-Kapitän. So switchten die Gäste von ihrer 4-2-3-1-Grundformation in ein 4-5-1 mit einer flachen Fünferreihe im Mittelfeld.

Diese Maßnahme hatte zur Folge, dass die Gäste nun sowohl das Zentrum als auch die Halbräume besser zustellen konnten, ohne das Risiko von vergrößerten horizontalen Abständen zueinander eingehen zu müssen. Somit sahen sich die Halbverteidiger Rapids erneut gezwungen das Spiel über die Flügel zu eröffnen. Wie schon im ersten Durchgang hatte dies zur Folge, dass man sich eben dort festlief und keinerlei Dynamik im Angriff aufbauen konnte. Es ergaben sich handballartige Szenen – die Hütteldorfer kombinierten sich von Flügel zu Flügel um den Sechzehner bzw. die gegnerische Defensivformation herum. Mit der Einwechslung eines zweiten Stürmers hatte Rapid zwar nominell eine größere Strafraumpräsenz, die beiden Innenverteidiger Moldes konnten jedoch nahezu alle Flanken wegverteidigen.

Je länger das Spiel dauerte desto tiefer verteidigten die Norweger. Rapid tat sich immer schwerer Chancen zu kreieren. So war es der eingewechselte Melih Ibrahimoglu, der in der Nachspielzeit zum 2:2 ausgleichen konnte – erneut per Distanzschuss. Kurz keimte so etwas wie Hoffnung auf, zumal Fountas nach einer Ecke noch eine Riesenchance vorfand. Doch im Endeffekt reichte die Zeit nicht mehr, um zwei weitere Tore zu erzielen, die den Aufstieg in die K.O.-Phase bedeutet hätten.

Fazit

Rapid muss sich also mit einem 2:2-Unentschieden begnügen und scheidet somit aus der Europa League aus. Der abwartende Matchplan der Norweger kam zwar überraschend, war aber legitim. So überließ man Rapid über weite Strecken den Ball. Vor allem die schlechte Besetzung der zentralen Räume in Halbzeit eins ließ keinerlei Dynamik im Angriffsspiel der Hütteldorfer aufkommen. Die jeweils frühen Treffer zu Beginn der beiden Halbzeiten spielten den Gästen in die Karten und erwiesen sich als Sargnagel Rapids.

Mario Töpel, abseits.at

Mario Töpel

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