Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (32): Lieber Michael Krammer!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir Abschiedsgrüße an den scheidenden Rapidpräsidenten …

Lieber Michael Krammer!

Es ist fast geschafft: In wenigen Tagen wirst du ein Rapid-Match als normaler Zuschauer ohne die Last des Präsidenten, des Letztverantwortlichen tragen zu müssen, verfolgen können. Das freut mich ehrlich für dich, auch wenn ich weiß, wie großartig es war sechs Jahre lang der oberste Grün-Weiße gewesen zu sein. Ich möchte dir zu deiner Amtszeit gratulieren! Du hast viel weitergebracht und das nützt Rapid und dem österreichischen Fußball. Das werden alle Fußballinteressierten dieses Landes anerkennen können. Infrastrukturell, wirtschaftlich, gesellschaftlich hast du Rapid besser gemacht. Die Hütteldorfer stehen auf diesen Ebenen wahrscheinlich so gut da, wie in ihrer 120-jährigen Vereinsgeschichte noch nie zuvor. Aber da ist ja noch des Pudels wahrer Kern. Die Hauptsache. Nämlich der sportliche Erfolg.

In deiner Abschiedspressekonferenz hast du dein Fazit des fußballerischen Abschneidens damit eingeleitet, dass man das Glas halbvoll oder halbleer sehen könne. Deine Analyse ist klar. Schuld an den mangelnden Erfolgen war der Trainerwechsel unter Sportdirektor Müller. Damit habe man den kontinuierlichen Weg der harten Arbeit verlassen, weil man dachte, so ginge es schneller. Jetzt sei man wieder auf den richtigen Zug aufgesprungen. Es werde eh. Wie ein Politiker am Wahltag hast du dabei geklungen. Der sichere, eloquente, und überzeugende Top-Manager. Der starke Mann am grün-weißen Dampfer.

Aber, weißt du, Michael, das hat mich ein bisserl enttäuscht. Ich hätte es passender gefunden, wenn du das Nicht-Erreichen deiner sportlichen Versprechen – in zehn Jahren ist Rapid unter den Top 50 Europas und hat drei Titel eingeheimst – anders gerechtfertigt hättest. Nur wenige Menschen kapieren, dass Ziele und Träume keine in Stein gemeißelten Vorhersagen sind. Es sind keine Vorgaben, sondern Vorstellungen. Ziele sind auch dazu da, um an ihnen zu scheitern. Da kann man sich das Tralala vom Semi-Glas schenken, auch wenn ich natürlich die Intention dahinter verstehen kann.

Rapid hat es nicht geschafft und aus. Es geht weiter, weil es immer weitergeht. Weil es weitergehen muss. Das muss man Spöttern vor Augen halten.

Lieber Michael, du warst das erste Mal Rapid-Präsident und um es mit deinem Vorgänger Rudi Edlinger, der frei nach Goethe zitierte, zu sagen: „So lang der Mensch handelt, irrt er.“ Nur Leute, die nichts machen, machen auch keine Fehler. Es ist jetzt wirklich egal, ob es der als Abkürzung getarnte Holzweg war, der dazu führte, dass aus deinen hehren Plänen für die Hütteldorfer auf sportlicher Ebene nichts wurde. Es ist, wie es ist. Dein Nachfolger wird sich an seinen eigenen Versprechen messen lassen müssen. Nur Mut, denn erst wenn der verloren ist, ist alles verloren. Sagt auch Goethe.

Alles Gute für die Zukunft wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag