Am ersten Spieltag der Meisterrunde empfing der FK Austria Wien den Konkurrenten LASK zu einem enorm wichtigen Duell für beide Teams. Für die Violetten... Analyse: Balanceprobleme und Erschöpfung verhindern Austria-Sieg gegen den LASK

Am ersten Spieltag der Meisterrunde empfing der FK Austria Wien den Konkurrenten LASK zu einem enorm wichtigen Duell für beide Teams. Für die Violetten bestand die Möglichkeit, mit einem Sieg an den Oberösterreichern vorbeizuziehen und auf den dritten Tabellenrang zu springen. Auf der anderen Seite hatte der LASK die große Chance, mit einem Sieg den Polster auf die Austria auf sechs Zähler anwachsen zu lassen und damit die Wiener auf Distanz zu halten. Die Ausgangssituation versprach also Spannung und auch das Spiel sollte nicht enttäuschen.

Individuell stark besetzter LASK zeigt seine Muskeln

Bedingt durch die Länderspielpause, konnte die Euphorie und Hochstimmung über den Derbysieg bei den „Veilchen“ nicht konserviert werden, auch wenn man dennoch mit einer breiten Brust in das Spiel gegen den LASK gehen konnte. Austria-Trainer Wimmer hatte nach dem 2:0-Derbyerfolg auch wenig Grund, Veränderungen in seiner Startelf vorzunehmen und einzig Flügelverteidiger Ranftl kehrte nach seiner Sperre wieder zurück in die Startelf. Dadurch rutschte Martins wieder in die Rolle des Abwehrchefs, während Kapitän Mühl und Handl die Halbverteidiger gaben. Somit lief man auch mit dem mittlerweile etablierten 3-4-3/5-2-3 auf und wollte klarerweise wie im Derby von Anfang an zeigen, wer vor eigenem Publikum das sagen hat.

Gegen den Ball versuchte man rasch eine hohe Intensität auf das Feld zu bringen und lief den LASK mit einem aggressiven 3-4-3 an. Die drei Stürmer formierten die erste Pressinglinie, die sich um die beiden Innenverteidiger und den mitspielenden LASK-Torhüter Schlager kümmern sollten, während die Flügelverteidiger Ranftl und Leidner ebenfalls weit nach vorne schoben und die gegnerischen Außenverteidiger attackierten.

Der LASK lief nämlich mit einem sehr breit angelegten 4-2-3-1/4-3-3 auf und baute von hinten interessanterweise mit einer recht flachen Viererkette auf, wo die eigenen Außenverteidiger nicht sonderlich weit nach vorne schoben. Diese beiden Aspekte wählte man klarerweise nicht ohne Grund und zielten explizit auf die Pressingabläufe der Violetten ab.

Durch das breit angelegte 4-2-3-1 fächerten die Linzer mit der eigenen Formation weit auf und versuchte, das Feld maximal zu strecken bzw. in die Breite zu ziehen. Damit sollten die Wege für die Gastgeber größer werden, da die Wiener bekanntlich auf ein mannorientiertes Pressing setzen. Als weiteren Kniff blieben noch dazu eben die eigenen Außenverteidiger etwas tiefer im Aufbauspiel, womit die Wege im Herausrücken für die Flügelverteidiger der Austria größer wurden und diese mehr Meter abspulen mussten. Wie man erahnen kann, wollten die die Oberösterreicher das Pressing der Gastgeber herausfordern und sahen hier Möglichkeiten, den Wienern wehzutun.

Allerdings nicht unbedingt um sich spielerisch von hinten zu lösen, sondern den Gegner zu zwingen, weite Wege im Anlaufen zu gehen und den Gastgeber nach vorne zu locken, um dann in weiterer Folge die Räume hinter dem Pressing zu bespielen. Einen ähnlichen Ansatz wählte auch Sturm Graz vor einigen Wochen, womit man der Austria Probleme bereiten konnte. Und auch in diesem Spiel sollte das zunächst zu einigen Schwierigkeiten für die Favoritner führen.

Violette Zugriffsprobleme und leere Kilometer

Daher sah die Anfangsphase meist so aus, dass der LASK das Spiel mit sechs Spielern aufbaute, nämlich der Viererkette und den beiden tiefstehenden Sechser. Diese sechs Spieler der Linzer waren aber de facto nur die Lockvögel und der Fokus lag eigentlich auf der offensiven Viererreihe des LASK, wo man mit Nakamura, Uzor, Zulj und Ljubicic viel Qualität zur Verfügung hat und die auch freispielen wollte.

Lockvögel waren sie deshalb, weil die Austria im Pressing sehr weit nach vorne schiebt und dadurch die eigenen Innenverteidiger nicht nur viel Raum abdecken, sondern auch riskant Mann gegen Mann verteidigen müssen. Die drei violetten Stürmer attackieren die beiden Innenverteidiger, die Flügelverteidiger gehen auf die Außenverteidiger und die beiden Austria-Sechser Jukic und Braunöder rücken ebenfalls weit auf und stellen Michorl und Horvath zu. Somit haben die „Veilchen“ nummerisch sieben eigene Feldspieler tief in der Hälfte des Gegners und dahinter entstehen klarerweise Räume.

Und genau hier tappten die Violetten in die Falle des LASK. Die Gäste spielten die ersten Pässe in die Breite, ehe Linksverteidiger Renner oder Torhüter Schlager das Pressing anlockten, um dann Chipbälle hinter die violetten Pressinglinien zu spielen. Hier lauerte speziell der physisch starke Zulj als Zielspieler auf diese Chipbälle, der sich mit Ljubicic in dieser Rolle abwechselte.

Hier gab es zwei große Problemstellungen für die Austria, wobei das eine das andere bedingte: Da man mit drei Stürmern gegen zwei Innenverteidiger anlief, verschenkte man de facto einen Pressingspieler und geriet dadurch in eine nummerische Dysbalance. So fehlte schlicht ein Spieler in der Absicherung weiter hinten, wodurch Martins ab und an mit Zulj und Ljubicic gleich zwei direkte Gegenspieler hatte, da sich Mühl um Usor und Handl um Nakamura kümmern musste.

Wie man erahnen kann, eine strategisch äußerst ungemütliche Situation für die Austria, die viel Gefahrenpotenzial bot. So gab es notgedrungen auch immer wieder gefährliche Herausrückmanöver der violetten Innenverteidiger zu sehen und sie hatten in diesem Spiel den mit Abstand anspruchsvollsten Job zu erledigen, der viel Konzentration und perfektes Timing erforderte.

Vorab kann man sagen, dass sie es aber überwiegend gut lösten. So groß nämlich dieser strategische Nachteil eigentlich war, so sah das Spielgeschehen auf dem Feld nicht ganz so deutlich aus. Das lag daran, dass die Austrianer dank einer enormen Laufbereitschaft und dem guten Timing der Verteidiger viele brenzlige Situationen bereinigen konnten. Jedoch gelang dies nicht immer und hier und da wurde das Pressing auch ausgehebelt und man musste in weiterer Folge schmerzhafte, weite Wege gehen.

So erarbeitete sich der LASK leichte Feldvorteile und war die etwas konkretere Mannschaft, was auch damit zusammenhing, dass das violette Ballbesitzspiel an diesem Nachmittag mit einigen Problemen zu kämpfen hatte. Vor allem das Aufbauspiel enttäuschte in vielerlei Hinsicht und es gelang zu selten, das Pressing und die Linien des LASK zu überspielen.

Das fing schon beim Abstoß an, wo man inklusive des Tormanns gleich vier (!) Spieler auf einer Linie positionierte und mit einer fast eigenartigen Raumaufteilung agierte, in der sich die Spieler quasi auf den Füßen standen. So konnte der LASK mit dem 4-3-3 und der ersten Pressinglinie mit den drei Stürmern vier Spieler beschäftigen/binden, um meist den langen Ball nach vorne zu erzwingen.

Hier war der formstarke Zielspieler Tabakovic allerdings in guten Händen, da sich der deutsche Abwehrchef Zierreis um ihn kümmerte und quasi ständig auf seinen Füßen stand. Der LASK wusste aber im Ballbesitz auch nicht wirklich zu überzeugen und überspielte die Linien des Gegners meist mit langen Bällen oder Chipbällen, wodurch man den strategischen Vorteil etwas verspielte und die Fehlerquote dadurch klarerweise höher war, als wenn man sich mit flachen Zuspielen sauber aus dem gegnerischen Pressing herauskombiniert hätte. Dennoch hatte man mit zwei Abseitstoren und einem Stangenschuss von Zulj einige gute Offensivsituationen und strahlte Gefahr aus.

Die Austria hatte allerdings auch einige gute Ballgewinne und Umschaltsituationen, wobei man im letzten Drittel häufig die falschen Entscheidungen traf oder der LASK die Situationen bereinigen konnte. Einige violette Akteure erwischten auch nicht ihren besten Tag und speziell Derbyheld Doron Leidner wirkte nach seiner Länderspielreise sichtlich ermüdet und nicht spritzig genug.

Trainer Michael Wimmer reagierte dann auch auf diese strategische Dysbalance in seinem Team und zog quasi die Notbremse in Form einer Systemumstellung nach ca. 30 Minuten. So wurde Offensivspieler Fischer ins zentrale Mittelfeld zurückgezogen und die Anordnung zu einem 5-3-2, um die nummerische Unterlegenheit in der Defensive auszugleichen und die Kompaktheit im Zentrum zu stärken. Das sollte auch kurzfristig für Entlastung sorgen und die Austria bekam einen besseren Zugriff, wodurch speziell LASK-Spieler Zulj nicht mehr so große Freiheiten hatte. So ging es mit einem 0:0 in die Halbzeitpause.

Die „Veilchen“ kehren dank Systemumstellung gestärkt zurück

Mit der ersten Halbzeit konnte der Austria-Trainer Michael Wimmer sicherlich nicht zufrieden sein und es mussten zwingend einige Adaptionen vorgenommen werden. Eine personelle gab es auch prompt, indem mit Polster ein neuer Flügelverteidiger ins Spiel kam und den müden Leidner ersetzte.

Aber auch gruppentaktisch setzte man einige neue Akzente und baute auf die Anpassungen auf, die man im Laufe des ersten Durchgangs bereits tätigte. Mit der Umstellung auf ein 5-3-2/5-1-2-2 wollte man die strategische Schieflage ausgleichen. Das war auch in der Pressingformation gleich zu sehen, wenn die beiden Stürmer die beiden Innenverteidiger des LASK deckten, die eigenen Flügelverteidiger die Außenverteidiger der Gäste und speziell Fischer und Braunöder sich um Horvath und Michorl kümmern sollten. Das ermöglichte es zudem nun, einen zusätzlichen Mittelfeldspieler in der Absicherung zu haben. Aco Jukic kümmerte sich fortan als „Sechser“ um Zulj und nahm diesen quasi in Manndeckung, während Fischer und Braunöder die Halbpositionen bekleideten. Die Wahl fiel auch deshalb auf Jukic, da dieser mit seiner Physis und Größe am ehesten noch Zulj Paroli bieten konnte.

Und diese Adaptionen sollten sich auch als goldrichtig erweisen. Durch die verbesserte Struktur im Anlaufen bekam man sofort einen besseren Zugriff im Pressing und der LASK konnte nicht mehr so einfach freie Spieler finden. Wenn die Gäste es dann mit Chipbällen versuchten, war speziell Jukic eng an Zulj dran und konnte diesen oftmals entscheidend stören. Das führte im Spiel gegen den Ball zu mehr Stabilität und sorgte dafür, dass der LASK sich schwerer tat, über das bisherige Übergangsspiel ins letzte Drittel zu kommen.

In der Offensive zeigten sich die Austrianer effizient und gingen mit der ersten Torchance im zweiten Durchgang in Führung. Eigentlich war dies nicht mal eine gute Möglichkeit, doch U21-Teamkapitän Braunöder traf eine „Bogenlampe“ mit seinem schwächeren Fuß perfekt und setzte den Ball per Volley ins lange Eck – Marke Tor des Jahres! Dieses 1:0 gab den Violetten einen kräftigen Schub und setzte Energie frei, wodurch man wenige Augenblicke später die große Möglichkeit auf das 2:0 vergab. Fischer übersah allerdings den völlig freistehenden Fitz und schloss stattdessen selber überhastet ab.

Doch keine drei Minuten später war es dann soweit und die Gastgeber legten nochmal nach. Nach einem hohen Ballgewinn im Pressing, kam der Ball zum aufgerückten Ranftl, der ebenfalls mit seinem schwächeren Fuß von der Strafraumgrenze ins Kreuzeck traf und das nächste Traumtor folgen ließ. Die violette Arena wurde folglich zu einem Tollhaus und mit einem Doppelschlag schienen die Austrianer auf der Siegerstraße angelangt zu sein. Die Minuten danach schien man auch alles im Griff zu haben und der LASK wartete weiterhin auf seine erste Torchance im zweiten Durchgang.

In der 73. Minute verteilten die Gastgeber dann jedoch ein dickes Geschenk, als nach einem einfachen Abstoß von Schlager, Innenverteidiger Handl übermotiviert ins Kopfballduell ging und dieses verlor, womit er seinen Raum öffnete und Flügelspieler Nakamura freie Bahn hatte. Der japanische Teamspieler ließ sich im Eins-gegen-Eins diese Chance nicht entgehen und markierte den 2:1-Anschlusstreffer. Nun sollte die Schlussviertelstunde für die Austrianer erneut zum Kampf werden und kam hier zum Vorschein, dass man aufgrund der strategischen Probleme im ersten Durchgang weite Wege und viele leere Kilometer abspulte. So musste selbst Dauerläufer Braunöder mit Krämpfen ausgewechselt werden – der Mittelfeldspieler war offensichtlich körperlich bereits am Limit.

Dadurch konnte der LASK nochmal Druck aufbauen und warf in weiterer Folge alles nach vorne. Speziell über die linke Seite konnten die Linzer mit Renner, Horvath und Nakamura ein Dreieck aufziehen, mit dem die Austria große Schwierigkeiten hatte und man es verabsäumte, auf diese Problematik zu reagieren, da man hier immer wieder in Unterzahl agierte. Das sollte sich dann auch rächen und den Gastgebern teuer zu stehen kommen, denn über diese Seite spielte man dann Renner frei, der alle Zeit der Welt hatte eine Flanke zu schlagen, die der eingewechselte Flecker per Kopf zum 2:2 in der 90. Spielminute im Tor unterbrachte. Das sollte dann auch schlussendlich der Endstand in dieser Partie sein.

Fazit

Zum dritten Mal in dieser Saison trennten sich die beiden Teams mit einem Unentschieden voneinander und jeweils waren späte Treffer der Grund dafür. In einem taktisch hochinteressanten Spiel konnte sich der LASK im ersten Durchgang Feldvorteile erarbeiten, da man das Pressing der Austria gut bespielte und sich so eine nummerische Überlegenheit sicherte, um sich dem Zugriff der Gastgeber zu entziehen. Hier verabsäumten es die Linzer jedoch, noch mehr Kapital daraus zu schlagen und in Führung zu gehen, da selbst die hohe individuelle Qualität die strukturellen Defizite nicht immer kaschieren konnte. Hier hätte es speziell im Spielaufbau mehr klare Muster gebraucht, um sich spielerisch lösen zu können.

Die Austrianer zogen jedoch die richtigen Schlüsse aus den Problemfeldern und Trainer Wimmer fand passende Lösungen, mit denen man die nummerische Dysbalance anhand einer Systemumstellung egalisierte und dadurch dank eines verbesserten Zugriffs eine Leistungssteigerung hinlegte. Aufgrund zweier Traumtore kam man sogar auf die Siegerstraße und es schien so, als würde man alles unter Kontrolle haben, um sich dann doch noch die Butter vom Brot nehmen zu lassen. In der Schlussphase agierte man im Defensiverhalten einige Male nicht gut und man musste augenscheinlich der hohen Laufleistung Tribut zollen, wodurch der Ausgleich in der Luft lag und letztlich auch fiel. Aufgrund des Zeitpunkts ist dieser Punkteverlust für die Violetten sehr bitter, doch insgesamt geht die Punkteteilung durchaus in Ordnung und ist sicherlich auch leistungsgerecht.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic