Auswärts bei einem Aufsteiger ist selten eine einfache Aufgabe – und so eine hätte dem SV Ried beim Wolfsberger AC bevorstehen sollen. Es kam... Erstes Gegentor als taktisches Symbol: Ried zerlegt den Wolfsberger AC mit 5:2!

Auswärts bei einem Aufsteiger ist selten eine einfache Aufgabe – und so eine hätte dem SV Ried beim Wolfsberger AC bevorstehen sollen. Es kam aber gänzlich anders, denn die Gäste feierten eine nie gefährdeten 5:2-Erfolg. Die zwei Gegentore kamen sogar beide in der Schlussphase und es war letztlich eine Machtdemonstration der Rieder – oder aber eine Demonstration von schwacher Defensivarbeit und kollektiver Spielweise des Gastgebers.

Eine Analyse solcher Kantersiege ist oftmals geprägt von drei Möglichkeiten: entweder einer genialen taktischen Spielweise, worauf der Gegner keine Antwort findet; einer herausragenden Einzel- oder Kollektivleistung oder vieler gegnerischer Schwächen, welche ideal genutzt werden. Diese finden sich beinahe in den gleichen Bereichen: mangelnder Zugriff, kaum vorhandene Kompaktheit und ähnliches. Darum analysieren wir dieses Mal auch nicht die Problemstellen, sondern zeigen anhand eines praktischen Beispiels die Auswüchse und die Bedeutung solcher theoretischer Begriffe in der Praxis.

Die Analyse des ersten Gegentores als eine symbolische Vorwegnahme des Spielgeschehens

Bereits in der achten Minute fiel der erste Treffer der SV Ried. Bei diesem Tor konnte man die zahlreichen Mängel des WAC perfekt erkennen sowie die Spielweise der Rieder im Angriffsspiel. Deswegen gibt es hier auch eine nähere Betrachtung dieses Treffers, welchen wir detailliert auseinandernehmen werden. (Standbilder von http://www.laola1.tv)

In der ersten Szene erkennt man, wie Ziegl den Ball im Mittelfeld führt. Es ist ungemein viel Platz da, kein Gegenspieler ist in seiner Nähe und die Kompaktheit des WAC lässt sehr zu wünschen übrig. Meilinger und Walch auf den Flügeln haben die Positionen getauscht, was noch öfter im Spiel vorkommen sollte. Ziegl läuft mit dem Ball weiter und führt ihn Richtung gegnerisches Tor, Meilinger kreuzt seinen Weg und erhält den Ball. Bei den Gegnern ist erkennbar, dass es neben der Kompaktheit des 4-4-2 auf den offensiven Flügeln und den Halbräumen diagonal dahinter auch an der Bewegung nach hinten, dem defensiven Umschaltspiel und Rückwärtspressing mangelt.

In der zweiten Szene erkennt man, dass Ziegl seinen Lauf nicht unterbricht, sondern weiter läuft. Er geht somit ins Loch, versucht einen Gegenspieler mitzuziehen und sich gegebenenfalls als breite Anspielstation anzubieten. Der Gegenspieler lässt sich aber nicht beirren, stellt ihn in seinen Deckungsschatten und attackiert Meilinger. Dieser startet nach innen, wo er gedoppelt wird.

Nun bietet sich Gartler an. Er bewegt sich sehr gut, gibt Meilinger eine Anspielstation in der Tiefe und öffnet einen Raum für Zulj. Dies ist die Gefahr bei einer solchen unkompakten Spielweise und dennoch versuchtem Doppeln (statt einer passiven Herangehensweise): der Gegner kann sich relativ einfach Räume öffnen und die Zuteilung bricht schnell auseinander. Auf rechts macht Ziegl den Raum breit, weswegen der Außenverteidiger nicht noch stärker einrücken kann. Zentral überlädt Zulj den Raum und Gartler bewegt sich außerordentlich gut.

In dieser Situation wird dann Zulj auch angespielt – zumindest wird es versucht. Gartler bringt den Ball nicht richtig zu ihm, weswegen der Wolfsberger AC den Ball auch klären kann –zumindest wird es versucht. Doch der Befreiungsschlag missglückt und Meilinger erhält abermals die Kugel. Der WAC ist sehr stark eingerückt und lässt die linke Seite offen. Die eigentliche Viererkette (bzw. das 4-4-2-System) steht in einer merkwürdigen und sehr engen 2-3-1-Anordnung dar, von den offensiven Spielern fehlt jegliche Spur. Meilinger wird von den Spielern vor ihm mit zu hoher Distanz „gestellt“, hinter ihm setzt der lose Gegenspieler nicht zum Rückwärtspressing an.

Wie sollte es auch anders sein: der freistehende Walch erhält den Ball. Noch immer sind beim WAC erst sechs Feldspieler in der Nähe des Strafraumes, obwohl die Rieder einen langatmigen Angriff vollführen – und es auch deswegen können. Walch wird nun wieder von zwei Mann attackiert, welche aber wegen der längeren Laufwege und mangelnder Dynamik nicht rechtzeitig Zugriff erhalten. Meilinger bewegt sich gut, er erhält den Ball im Strafraum und bestraft die Unaufmerksamkeit des Innenverteidigers. Auch wenn es komplex ist und Handlungsschnelligkeit verlangt: in dieser Situation sollte er Meilinger in eine Manndeckung nehmen und der zentrale Akteur vor dem Strafraum sich aufgrund akuten Gegnermangels in dieser Zone in den Strafraum fallen lassen. Denn ein Rieder Gegenspieler ist nicht in Sicht – wieso auch? Man kann ohne Probleme einen Angriff mit fünf bis sechs Leuten fahren, ohne dass der Gegner sich im eigenen Strafraum um das Herstellen einer Überzahlsituation kümmert.

Es waren letztlich diese geschilderten Kinderkrankheiten im Spiel des WAC, welche ihre Leistung so schwach machten und die Niederlage so hoch ausfielen ließen:

  • Mangelnde Kompaktheit
  • Kaum Dynamik in der Arbeit gegen den Ball
  • Zu wenig Kollektivität im defensiven Umschaltspiel und Rückwärtspressing
  • Schwache Zuteilung bei geringer Handlungsschnelligkeit im Adaptieren an neue Situationen
  • Offene Räume für den Gegner, welche das Planen und Vollführen von Angriffen einfach machen
  • Das 4-4-2 mit nach vorne geschobenen Flügelspielern lässt weite Räume zwischen den Mannschaftsteilen in der Vertikale sowie zwischen Zentrum und Flügeln offen, die für eine einfache Bespielbarkeit sorgen

Unpassende Gegneranalyse dürfte ein weiterer Aspekt sein. Die Rieder besitzen ihre Stärken auf dem Flügel, sie können schnell umschalten und ihre Spieler können sich an neue Situationen gut anpassen. Ob 4-2-3-1 oder 3-3-3-1 spielt hierbei kaum eine Rolle, ihre Angriffe kommen bevorzugt über die Flügel.

Viel wichtiger ist die gemeinschaftliche Spielweise in Offensive und Defensive, das richtige Bewegen im Angriffsverlauf und die flexible Positionierung. Walch war nur wenige Minuten später hinten rechts als Ersatz die aufgerückten Hadzic und Zulj zu finden, beim ersten Treffer war er vorne links und setzte Meilinger ein, der sich von Linksaußen übers Zentrum bis in den Strafraum hinein bewegt hatte.

Somit war dieser Treffer auch für die Rieder symbolisch: ein gutes Positionsspiel, intelligente Angriffsvollführung und gekonntes Zusammenspiel trotz individueller Mängel gehören zu jenen Tugenden, welche die Oberösterreicher in den vergangenen Jahren auszeichnete. Nach dem Führungstreffer praktizierten sie ein Abwehr- und Mittelfeldpressing, die Stürmer durften zocken und mit einem schnellen Umschalten nach Fehlern, wofür das zweite Tor Symbol stand, sorgten sie letztlich für diese Demontage des Gastgebers.

Fazit

Eine gute Leistung der Rieder, eine schwache Leistung des WAC, welche sämtliche Klischees über eine schwache Defensivarbeit bedienten. Bereits beim ersten Gegentreffer konnten sich sämtliche Probleme im Spiel erahnen und diese setzten sich wie ein roter Faden im gesamten Spiel fort. Lediglich bei Standards und hohen Bällen zeigten sich die Hausherren gefährlich, konnten aber nur zwei wirkliche Großchancen daraus kreieren.

Rene Maric

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