Vor vier Wochen feierte Michael Sollbauer seinen 32. Geburtstag. Seit gestern ist er Rapidler. Er passt nach der „Jugendsaison“ der Grün-Weißen ins Beuteschema –... Sollbauer und Rapid – wie passt das zusammen?

Vor vier Wochen feierte Michael Sollbauer seinen 32. Geburtstag. Seit gestern ist er Rapidler. Er passt nach der „Jugendsaison“ der Grün-Weißen ins Beuteschema – und ist mehr als ein Backup!

Christopher Dibon ist der große Pechvogel der letzten Jahre in Grün-Weiß. Häufiger verletzt als fit, wurde er zum Inbegriff des „Non-Playing Captain“ bei Rapid. Das war auch deshalb nötig, weil bei Rapid einerseits viele junge Spieler ins Team rutschten, andererseits die Führungsspieler über die Jahre wegfielen. Auch ein alternder Steffen Hofmann oder ein nicht immer konstanter Stefan Schwab hatten auch in spielerisch schlechteren Phasen wichtige Rollen im Team, mussten doch viele Youngsters geführt werden.

Die, die Junge führen sollen

Ein paar „Alte“ hatte Rapid zuletzt schon. Aber kaum einer von ihnen war eine Integrationsfigur, eine Stütze für die nachkommenden Jungen. Mit Roman Kerschbaum holte Rapid einen derartigen Spieler, der diese Rolle auch bei der Admira gut ausfüllte. Mit seinem Ausfall kam der Absturz der Südstädter – und schließlich sogar der Abstieg.

Es war eine Rolle, die nur die wenigsten bei Rapid ausfüllten. Maximilian Hofmann ist einer von ihnen, doch der Innenverteidiger war in der vergangenen Saison gleich sechsmal krank oder verletzt, fehlte insgesamt 23 Spiele oder fast fünf Monate. Knasmüllner oder Schick sind keine Leader, können bestenfalls spielerisch für Stabilität und Besonnenheit sorgen. Stojkovic war kein „positiver Leader“, keiner, der mit den Jungen redet oder ihnen Tipps gibt. Der zum LASK abgewanderte Montenegriner ist vielmehr einer, der auf dem Platz selbst vorneweg geht und den „Aggressionslevel“ in einem Spiel dirigiert.

Der Kärntner Junge, der immer besser wurde

Mit Michael Sollbauer kommt nun ein Spieler, der führen kann. „Sole“, wie er seit Jugendtagen genannt wird, machte in den letzten 2 ½ Jahren wertvolle Erfahrungen auf internationaler Ebene. Bei Barnsley war er 1 ½ Jahre lang unumstrittener Stammspieler, bei Dynamo Dresden in der Abstiegssaison wohl der beste und konstanteste Spieler. Allgemein ist auffällig, dass Sollbauer mit der Aufgabe wuchs.

Mit dem WAC war der 32-Jährige zunächst zwei Jahre lang in der zweiten Liga, stieg dann auf, blieb in der Bundesliga aber anfänglich eher unauffällig. Der Kärntner spulte abgebrühte Leistungen ab, machte keine Wunderdinge, blieb einfach in seinem Spielaufbau. Später wuchs er neben Nemanja Rnic, der die wichtigsten Aufbauaufgaben erfüllte. Sollbauer konnte sich aufs Körperliche konzentrieren und lernte von seinem Nebenmann. Als Rnic schließlich altersbedingt am absteigenden Ast war, rutschte Sollbauer in dessen Rolle und wurde von Saison von Saison besser. Er wurde sogar so gut, dass er eine Stütze jener Struber-Elf war, die 2019 mit 4:0 in Mönchengladbach gewann und der Roma zwei Unentschieden abtrotzte.

Ein Guide für viele Youngsters

In Barnsley und Dresden hatte Sollbauer sehr junge Teamkollegen und wuchs in die Rolle eines „Mannschafts-Papas“. In Dresden etwa an der Seite von Yannick Stark und Chris Löwe, zuvor bei Barnsley hingegen praktisch alleine. Sollbauer war in seiner letzten Barnsley-Saison 2020/21 zwei Jahre älter, als der nächstälteste Kaderspieler. Zu Saisonbeginn war der Innenverteidiger gerade mal 30. Im riesigen erweiterten Kader Barnsleys standen gleich 28 Spieler, die 21 Jahre oder jünger waren.

Spielervergleich mit der österreichischen Bundesliga

Wenn wir nun die Daten Sollbauers mit denen von anderen Spielern vergleichen, sehen wir weitgehend Durchschnitt. Wir haben hier einen Vergleich mit Spielern gezogen, die in Österreichs Meisterplayoff auf derselben Position zum Einsatz kamen. Mit Wimmer und Hofmann nahmen wir zwei Rapidler dazu, aber auch mit Wöber einen derer, die in Salzburg weitgehend andere Aufgaben hatten. Der große Unterschied hier ist der, dass Sollbauer bei einem nicht dominanten Team, nämlich Dresden spielte, während die Vergleichsspieler bei den Top-Klubs ihres Landes aufliefen, was Unterschiede in der Spielanlage nach sich zieht. Die Gegenspieler Sollbauers waren zudem durchschnittlich stärker. Alle Statistiken beziehen sich auf die Saison 2021/22.

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Im „Defensivaktionenvergleich“ sticht Sollbauer im Spielervergleich also kaum heraus, was allerdings angesichts der starken Gegenspieler, die er in Dresden hatte, positiv ist. Die Anzahl an erfolgreichen Defensivaktionen ist für Rapid sogar sehr positiv. Es macht den Eindruck, als hätte Sollbauer im Ausland Erfahrungen gesammelt, die er nun in der heimischen Bundesliga anwenden wird können.

Für den zweiten Vergleich ziehen wir dieselben Spieler hinzu und finden hier sehr spannende Daten. In diesem Vergleich geht es nämlich um die Passstatistiken der Akteure.

Hier ist vor allem auffällig, dass die Passstatistiken von Sollbauer und seinem direkten Nachfolger beim WAC, Dominik Baumgartner, mehr oder weniger ident sind. Das spricht einerseits für die Nachbesetzungsphilosophie des WAC, andererseits aber auch für Sollbauer, zumal dieser in einer Liga, die insgesamt mehr fordert, als die österreichische Bundesliga, bei einem weniger dominanten Klub dieselben Statistiken aufweist, wie der Abwehrchef des durchaus ambitionierten WAC.

Vergleich mit den Top-Spielern der 2. deutschen Bundesliga

Wir ziehen nun einen weiteren Vergleich, nämlich innerhalb der zweiten deutschen Bundesliga. Hier haben wir erneut sieben Vergleichsspieler. Wichtig ist hier, dass Schonlau (Hamburger SV) und Itakura (Schalke 04) die wohl beiden besten Innenverteidiger der abgelaufenen Saison waren, allerdings auch bei großen Klubs spielten. St. Paulis Medic war ebenso wie Schalkes Thiaw eine positive Überraschung. Die Leistungen der beiden Österreicher Friedl (Werder Bremen) und Klarer (Fortuna Düsseldorf) sind ebenfalls für einen Vergleich interessant. Außerdem fügten wir mit Heidenheims Mainka noch den Abwehrchef eines kleineren Teams hinzu. Dies verschwimmt aber ebenfalls ein wenig, weil Heidenheim eine tolle Saison spielte und Sechster wurde.

Auch hier zeigt sich wieder, dass Sollbauer in seinen Leistungsdaten komplett durchschnittlich abschneidet. Es gibt keine Ausreißer nach oben, aber auch keine nach unten. Der Vergleich wird zudem mit den besten Innenverteidigern der zweiten deutschen Bundesliga gezogen, womit das Resultat wieder recht positiv zu bewerten ist. Der Vergleich mit dem überragenden Itakura würde zwar hinken, aber vergleicht man beispielsweise Sollbauer mit Friedl, so sind die reinen Spieldaten Sollbauers ausgezeichnet.

Wenig überraschend gibt es auch in den Passdaten weder positive, noch negative Anomalien. Auch wenn man diesen Vergleich mit den besten Innenverteidigern aus der unteren Hälfte der zweiten deutschen Bundesliga zieht, etwa mit Breitkreuz (Regensburg) oder Franke (Hannover) gibt es keine Besonderheiten, praktisch in keiner relevanten Metrik.

Staubig und abgebrüht

Man könnte daraus also schlussfolgern, dass Rapid mit Sollbauer biederen Durchschnitt erhält. Allerdings würde es sich hier nicht nur in der heimischen Bundesliga, sondern auch in der zweiten deutschen Bundesliga um Durchschnitt handeln. Und angesichts dessen, dass Sollbauer für einen Absteiger spielte, relativieren sich die Rohdaten wieder ein wenig. Sie zeigen vor allem das auf, was der Mann aus St. Veit an der Glan immer war: Kompromiss- und humorlos auf dem Platz, kein Interesse an besonderen Zaubereien, einfaches und konkretes Verteidigungs- und Aufbauspiel. Sollbauer ist demnach auch nicht immer der, der das Spiel gezielt aufbaut. Er nimmt sich auch mal zurück, überlässt dies anderen, muss nicht immer die spielerische Initiative ergreifen. Anders beispielsweise als Lucas Galvao, der immer die offensive, dynamische Lösung sucht.

Rapid kauft Einstellung

Eine explosive Spieleröffnung ist aber ohnehin nicht der Grund, warum Rapid sich nun für Sollbauer entschieden hat. Wie bereits in einem früheren Artikel erläutert, braucht Rapid auch auf dieser Position mehr Breite, was die vergangene Saison deutlich zeigte. Zudem holt man mit Sollbauer einen Routinier und Führungsspieler. Mit 310 Spielen für den Wolfsberger AC ist der Neo-Rapidler Rekordspieler des Klubs und dies kommt definitiv nicht von ungefähr. Schon der WAC, aber später auch Barnsley und Dresden, holten mit Sollbauer nicht nur den schnörkellosen Innenverteidiger, der er ist, sondern auch einen Leitwolf mit makelloser Einstellung.

Rapids Transferpolitik für die neue Saison wird damit jedenfalls prolongiert. Nach Kerschbaum, Greil und Pejic holte man nun schon den vierten Spieler, der vor allem den lange Zeit anhaltenden Vorwurf des Mentalitätsproblems beheben soll. Weiters kam auch noch Nicolas Kühn, dem man ebenfalls keine schlechte Einstellung nachsagen kann, auch wenn man bei ihm noch etwas abwarten muss, wie er sich in der harten, österreichischen Bundesliga weiterentwickeln wird.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen