Der SK Rapid gab heute die Verpflichtung des deutschen Offensivspielers Nicolas Kühn bekannt, der bis zum Sommer 2026 unterschrieb. Der ehemalige DFB-Junioren-Nationalspieler hat trotz... Leipzig, Amsterdam, München, Wien: Das ist Rapids neuer Flügelflitzer Nicolas Kühn

Der SK Rapid gab heute die Verpflichtung des deutschen Offensivspielers Nicolas Kühn bekannt, der bis zum Sommer 2026 unterschrieb. Der ehemalige DFB-Junioren-Nationalspieler hat trotz seiner jungen Karriere bereits mehrere hochinteressante Stationen im Lebenslauf stehen und galt einst als das größte deutsche Talent seines Jahrgangs. Wir werfen daher einen genauen Blick auf diese spannende Neuverpflichtung, die den SK Rapid in der Offensive dynamischer und unberechenbarer machen soll. Alle Grafiken stammen von Wyscout S.p.a. und lassen sich per Klick vergrößern!

Wer keine Lust oder Zeit hat die rund 2.700 Wörter umfassende Analyse zum neuen Rapid-Offensivspieler zu lesen, der erhält gleich am Anfang des Artikels eine Übersicht mit den Vor- und Nachteilen dieses Transfers. Die einzelnen Punkte werden weiter unten im Artikel genauer analysiert. Wir würden uns natürlich dennoch sehr freuen, wenn möglichst viele Leser den Artikel bis zum Ende lesen.

Gründe für und gegen die Verpflichtung von Nicolas Kühn

Das spricht für den Transfer

+ Zum größten Talent seines Jahrgangs in Deutschland gewählt
+ Ausbildung bei RB Leipzig, Ajax und Bayern München
+ Pfeilschnell, dribbelstark, sehr vertikal
+ Polyvalent im Angriff einsetzbar
+ Viel Potential bei überschaubarer Ablöse

Das spricht gegen den Transfer

Sprung in den Erwachsenenfußball verlief suboptimal
Luft nach oben im körperlichen Bereich
Junger Spieler für ohnehin jungen Kader
Sensibel, kein „Mentalitätsmonster“, muss Vertrauen vom Trainer spüren

FunFact: Nicolas Kühn erhielt von den Medien den Beinamen Millenium-Kid, da er am 1.1.2000 Geburtstag hat.

Der erste Teil dieser Spielerinfo behandelt seine kurze aber äußerst interessante bisherige Karriere. Im zweiten Teil gehen wir auf seine Stärken und Schwächen ein und sehen uns zahlreiche Statistik- und Leistungsdaten an. Alle Werte und Grafiken stammen von Wyscout S.p.a. und lassen sich per Klick vergrößern.

Teil 1: Die bisherige Karriere des Nicolas Kühn

Obwohl Rapid-Neuzugang Nicolas Kühn erst 22 Jahre alt ist, liest sich der Lebenslauf des ehemaligen deutschen Jugend-Nationalspielers schon äußerst spannend. Dass er als Neunjähriger vom TSV Klein Heidorn zum 1. FC Wunstorf wechselte, ist noch keine große Erwähnung wert. Auch der anschließende Wechsel zum FC St. Pauli und der weitere Transfer im Jahr 2011 zu Hannover 96 sind noch nicht ungewöhnlich.

Bei Hannover 96 entwickelt sich das damalige Top-Talent aber hervorragend und praktisch jeder Erstligist streckte seine Fühler nach ihm aus. Und nun wurde es spannend:

Der umstrittene Transfer nach Leipzig

In der Saison 2015/16 wechselte der flinke Offensivspieler zu RB Leipzig, wo er in der U17-Mannschaft zum Einsatz kam. Der ehemalige Hannover-96-Akademieleiter Nico Michaty bezeichnete die Vorgehensweise der Leipziger dabei als äußerst aggressiv. Kühn war gerade 15 Jahre und galt als eines der allergrößten Talente im Land. Dem Nachrichtenmagazin Spiegel und dem NDR wurden von Football Leaks E-Mails zugespielt, die belegen sollten, dass Leipzig im Zuge des Transfers die Richtlinien des DFBs verletzte. Unter anderem soll Kühns Mutter ein Job-Angebot in der Höhe von € 25.000.- erhalten haben, ohne eine Tätigkeit verrichten zu müssen. Ein weiterer Vorwurf lautete, eine Beratungsagentur habe Geld für die Vermittlung des damals erst 15-Jährigen erhalten, was ebenfalls gegen die Vorschriften verstoßen hätte.

Leipzig dementierte die Vorwürfe entschieden und der DFB stellte die Ermittlungen ein. Der Leiter der Talentförderung Markus Hirte teilte in einer Stellungnahme mit: „Der DFB sitzt nicht am Tisch, wenn ein Verein mit Spielern über Verträge spricht. Der DFB ist halt nicht das FBI und die Bundespolizei„.

Leipzig stach die Konkurrenz aus, wobei insbesondere der FC Bayern München, Bayer Leverkusen und der Hamburger SV Interesse an dem Spieler hatten. Kühn ließ sich von den Begleiterscheinungen des Transfers nicht beeindrucken und blühte in der U17-Mannschaft der Leipziger weiter auf. In 35 Liga-Spielen traf er insgesamt 24-mal und steuerte fünf Assists bei. Kühn wechselte in die U19-Mannschaft wo er in 15 Spielen nur drei Scorerpunkte verbuchen konnte und nahm an der U17-Weltmeisterschaft in Indien teil, wo er dreimal in der Startaufstellung stand.

Anfang Jänner 2018 teilte Leipzig-Sportdirektor Ralf Rangnick mit, dass der auslaufende Vertrag von Kühn mit einer Option versehen sei, die der Verein sicher ziehen würde. Es kam aber nicht soweit, da Ajax die Fühler nach dem Talent ausstreckte und zwei Millionen Euro für den Nachwuchsspieler bot. Leipzig nahm das Angebot an und Kühn teilte später mit, dass unter anderem auch ein Wechsel zum FC Barcelona möglich gewesen wäre. Da der Nachwuchs-Nationalspieler aber auf Einsatzzeiten in der Ajax-Kampfmannschaft hoffte, zog er das Angebot der Niederländer vor.

Nicht auf Demirs Spuren: Ajax statt Barcelona

Kühn unterschrieb beim niederländischen Rekordmeister einen Vertrag bis zum Sommer 2021 und kam vorwiegend bei Jong Ajax zum Einsatz. Für die U19-Mannschaft absolvierte er auch einige Partien und war dabei sehr erfolgreich. In acht Liga-Spielen schoss er fünf Treffer und steuerte weitere fünf Assists bei. In der Youth League erzielte er in sechs Spielen ebenso viele Tore und legte einen weiteren Treffer auf.

Bei der zweiten Mannschaft von Ajax waren seine Leistungen zwar nicht schlecht, aber auch nicht so gut, dass er sich angesichts der starken Konkurrenz unbedingt für Einsätze in der Kampfmannschaft aufdrängte. In 43 Partien erzielte er in der zweithöchsten niederländischen Spielklasse fünf Tore und sechs Assists und blieb dabei in Anbetracht der großen Vorschusslorbeeren doch ein wenig unter den hohen Erwartungen. Kühn war mit seiner Situation in Amsterdam unzufrieden und strebte einen Wechsel an.

Von München über Aue nach Wien

Beim FC Bayern trainierte zu diesem Zeitpunkt der ehemalige Leipzig-Nachwuchstrainer Sebastian Hoeneß die zweite Mannschaft. Der Sohn von Dieter Hoeneß kannte und schätze den Spieler aus seiner Zeit beim Mateschitz-Klub. Kühn bekam zunächst einen Leihvertrag und wurde ein halbes Jahr später fix verpflichtet, wobei die Ablösesumme nicht öffentlich bekannt wurde.

Wieso wechselt man zum FC Bayern, wenn es für die Ajax-Kampfmannschaft nicht reicht? Kühn wollte nach seiner Station in Amsterdam zu seinem Ex-Trainer Sebastian Hoeneß zurück, der ihn wieder aufbauen sollte. Er spekulierte zudem, dass Bayern-Trainer Hansi Flick vermehrt auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs setzen würde.

Insgesamt absolvierte Kühn für die zweite Mannschaft der Bayern 37 Einsätze und steuerte sechs Tore und drei Assists bei. Es reichte nicht für einen Kaderplatz in der ersten Mannschaft und so wurde er an den FC Erzgebirge Aue in die 2. Bundesliga verliehen, wo er in 27 Spielen auf drei Tore und vier Assists kam. Allerdings erzielte sein Klub in der gesamten Saison bloß 32 Treffer und es gab mit Ben Zolinski nur einen Spieler, der am Ende der Saison einen Scorerpunkt mehr auf dem Konto hatte als Kühn.

Neben dem SK Rapid soll vor allem Hannover 96 die Fühler nach seinem ehemaligen Talent ausgestreckt haben. Darmstadt und St. Pauli hatten auch Interesse, im Gegensatz zur Wiener Austria. Hier verwechselte anscheinend ein BILD-Redakteur die beiden Wiener Vereine, wie es schon einmal vor dem Transfer von Boli Bolingoli nach Wien passierte.

Ein Schritt zurück und zwei nach vorne?

Kühns Karriereplanung geriet irgendwo zwischen Leipzig, Amsterdam und München ins Stocken. Bei allen Stationen wird er eine exzellente Nachwuchsarbeit erfahren haben, allerdings ergab nicht jeder Wechsel Sinn. Insbesondere der Transfer zum FC Bayern München ist zu hinterfragen, denn wer sich bei Ajax nicht durchsetzt, darf auch nicht auf einen Platz in der Kampfmannschaft der Bayern spekulieren. Ob die Leihe nach Aue ideal war, ist auch zweifelhaft, da der Klub in sportlicher Hinsicht viele Probleme hatte. Kühn steckte mitten im Abstiegskampf, was für eine ruhige Entwicklung ebenfalls nicht förderlich ist.

Bevor wir uns den Stärken und Schwächen des Rechtsaußen widmen, wollen wir ergänzend noch anmerken, dass Kühn insgesamt 32 Partien für die deutschen Junioren-Nationalmannschaften absolvierte und dabei 15 Treffer erzielte. Im September 2019 bekam der Offensivspieler außerdem die Fritz-Walter-Medaille verliehen, die seit 2005 die besten Nachwuchsspieler des Jahres erhalten. Im selben Jahr, in dem Kühn diese Auszeichnung als U19-Nachwuchsspieler erhielt, holte sich Karim Adeyemi ebenfalls die Goldmedaille als bester U17-Spieler.

Video: Ab Minute 04:30 seht ihr wie der Rapid-Neuzugang als Joker in einem U20-Länderspiel gegen die Niederlande den Siegtreffer erzielte.

Teil 2: Die Stärken und Schwächen des Rapid-Neuzugangs Nicolas Kühn

Was sind die Stärken und Schwächen des Rapid-Neuzugangs Nicolas Kühn? Wir nehmen nun einige Leistungsdaten des 22-Jährigen unter die Lupe und schließen anschließend mit einem Fazit den Artikel ab.

Linker Fuß, rechter Flügel

Auch wenn Nicolas Kühn im Laufe seiner Karrieren auch auf anderen Spielpositionen auflief, kann man davon ausgehen, dass der SK Rapid mit dem jungen Mann in erster Linie als Rechtsaußen plant. In den vergangenen drei Spielzeiten kam er fast ausnahmslos am rechten Offensivflügel zur Geltung, wo er am liebsten mit viel Tempo mit dem Ball am Fuß in die Mitte zieht und mit seinem starken linken Fuß abschließt.

Kühn kann aber auch als Mittelstürmer und Linksaußen eingesetzt werden, was auch die Positionen sind, die er im Leipzig-Nachwuchs vorwiegend einnahm. Sein ehemaliger U20-Teamchef Manuel Baum sah seinen Schützling sogar im offensiven Mittelfeld am besten aufgehoben. Baum beschrieb mit diesen Worten den neuen Rapid-Spieler: „Er ist sehr spielintelligent, technisch hochbegabt, kreativ, torgefährlich und vor allem mit dem Ball wahnsinnig schnell. Mit seinem linken Fuß kann Kühn vieles, womöglich sogar alles.“

Trainer Feldhofer bekommt jedenfalls einen Spieler, der im Angriff universell einsetzbar ist und sich neben dem bisherigen 4-2-3-1 auch in einem etwaigen 4-Raute-2 wohlfühlen wird.

Dribbelstark und vertikal

Kühn bringt Fertigkeiten mit, die man in den vergangenen Saisonen beim SK Rapid oft vermisste. Obwohl Erzgebirge Aue gegen den Abstieg spielte und verhältnismäßig wenig offensive Aktionen hatte, liegt Nicolas Kühn ligaweit auf Platz 10 bei den meisten Dribblings pro 90 Minuten.

Spieler mit den meisten Dribblings in der 2. Bundesliga

Der 22-Jährige absolvierte im Schnitt 6.99 Dribblings pro 90 Minuten und liegt damit vergleichsweise recht deutlich vor dem dribbelfreudigsten Rapid-Akteur dieser Saison. Marco Grüll kam heuer im Schnitt auf 5.47 Dribblings.

Exkurs: Rapid braucht Spieler fürs Eins-gegen-Eins

Wer die Saison-Statistikartikel auf unserer Plattform in den vergangenen Jahren aufmerksam verfolgte, wird sich erinnern, dass es in der jüngeren Vergangenheit kaum Rapid-Spieler gab, die in den Dribbel-Statistiken weit vorne lagen. Eine Ausnahme bildete Yusuf Demir vor seinem Wechsel zum FC Barcelona, wobei er damals meist als Joker von der Bank kam. Damals tätigte er sehr starke 9.27 Dribblings pro 90 Minuten, seit seiner Rückkehr sind es nur noch 3.71!

Jedenfalls war in der Saison 2020/21 Yusuf Demir der einzige Rapid-Spieler in den Top 30, was die Anzahl der Dribblings in der österreichischen Bundesliga betrifft. Heuer ist in den Top 30 nur Marco Grüll auf Platz 18 zu finden. Den Hütteldorfern fehlt es an den Flügeln an Durchschlagskraft, wobei das Problem insbesondere auf der rechten Seite sichtbar war, wo mit Arase, Schick und einem nicht in Form befindlichen Demir viel zu selten Gefahr kreiert wurde.

Die Rapid-Fans werden sich freuen, dass ihr neuer Flügelspieler nicht nur oft, sondern auch erfolgreich ins Dribbling geht:

Kühn dribbelt nicht nur häufiger, sondern hat dabei auch eine höhere Erfolgsquote

Zweitmeiste progressive Läufe in Liga 2

Es gibt eine Statistik, in der Kühn noch besser abschneidet als bei seinen Dribblings. Kühn weist die zweitmeisten progressiven Läufe in der 2. Bundesliga auf. So definiert unser Datenanbieter Wyscout die progressiven Läufe: Eine kontinuierliche Ballkontrolle durch einen Spieler, der die Mannschaft deutlich näher an das gegnerische Tor bringt.

Die notwendige Anzahl an Metern, die überbrückt werden muss, hängt davon ab von wo der Lauf startet:
– mindestens 30 Meter näher am gegnerischen Tor, wenn Start- und Zielpunkt in der eigenen Hälfte liegen
– mindestens 15 Meter näher am gegnerischen Tor, wenn sich Start- und Zielpunkt in verschiedenen Spielfeldhälften befinden
– mindestens 10 Meter näher am gegnerischen Tor, wenn sich Start- und Zielpunkt in der gegnerischen Hälfte befinden

Kühn kommt auf 3.98 progressive Läufe pro 90 Minuten und erreicht damit hinter Holstein-Kiel-Flitzer Fabian Reese den zweiten Platz

Marco Grüll kommt vergleichsweise in dieser Saison auf 2.92 progressive Läufe pro 90 Minuten, Yusuf Demir auf 2.19, Kelvin Arase auf 1.76, Bernhard Zimmermann und Robert Ljubicic auf 0.9.

Auch im Passspiel vertikal

Obwohl Erzgebirge Aue gegen den Abstieg spielte und in vielen Partien das spielerisch unterlegene Team war, kommt Kühn auf ähnlich viele Pässe wie Grüll und Arase. Auffällig ist aber, dass er doch deutlich mehr Zuspiele nach vorne tätigt und auch hier zeigt, dass er in erster Linie offensiv denkt.

Kühn spielt vergleichsweise viele Pässe nach vorne und setzt auch öfters auf weite Bälle. Auch deshalb fällt seine Passquote etwas schlechter als jene von Grüll und deutlich schlechter als die von Arase aus, der deutlich vorsichtiger im Aufbauspiel agiert. Interessant ist, dass Grüll und Kühn bis auf die zweite Kommastelle die gleiche durchschnittliche Passlänge aufweisen.

Chancen herausspielen: Bis auf die Expected Assists starke Werte

Da Kühn, wie oben bereits festgestellt wurde, viele Zuspiele nach vorne tätigt, verwundert es nicht, dass er bei der Kategorie „Chancen erspielen“ ebenfalls starke Leistungsdaten aufweist:

Verglichen mit Grüll und Arase spielt der Deutsche mehr Pässe ins letzte Drittel und mehr Pässe in den gegnerischen Strafraum. Er hat in fast allen Kategorien in diesem Vergleich die Nase vorne, nur nicht bei der wichtigsten Metrik in dieser Grafik, den Expected Assists pro 90 Minuten. Hier liegt er klar hinter Grüll, was jedoch auch daran liegen kann, dass seine Mannschaft deutlich weniger Tore erzielen konnte als der SK Rapid.

Wenig Torschüsse

Während Marco Grüll in der heurigen Meisterschaftssaison 66 Schussversuche abfeuerte, kam Nicolas Kühn bei seinem alten Arbeitgeber nur auf 34 Torschüsse. Grüll weist die etwas bessere Tor-Conversion auf. Mit drei Treffern liegt Kühn knapp unter den xG-Zahlen von 3.41, was aber nur eine kleine Abweichung darstellt. Dass er doch deutlich mehr offensive Zweikämpfe gewann, liegt in erster Linie an seinen starken Dribbel-Werten, die bereits weiter oben besprochen wurden.

In der obigen Grafik sind alle Schussversuche des Rapid-Neuzugangs dargestellt. Interessant ist, dass er in der letzten halben Stunde insgesamt bloß vier Schussversuche abgab. Dies liegt aber auch daran, dass er regelmäßig rund um die 70. Minute ausgewechselt wurde. Ein Zeichen, dass der Stammspieler nicht immer die Power für 90 Minuten hatte.

Defensive Absicherung notwendig

Auch wenn Kühn durch die Pressing- und Gegenpressing-Schule in Leipzig lief, werden ihn die Rapid-Fans in erster Linie wahrscheinlich eher für seine Offensiv-Aktionen mit dem Ball am Fuß schätzen. Obwohl er mit Aue im Abstiegskampf steckte, absolvierte er im Schnitt weniger defensive Zweikämpfe als Grüll und natürlich weit weniger defensive Duelle als Arase. Auch die Prozentzahl der gewonnen Defensivzweikämpfe ist schwächer als die der beiden Rapid-Akteure. Kühn zeichnet sich jedenfalls im Spiel gegen den Ball nicht mit körperlicher Robustheit aus.

In der Luft hat Kühn mit seiner Größe von 1.74 Metern ohnehin wenig mitzureden, wie man auch an den unteren Werten deutlich ablesen kann.

Das heißt aber nicht, dass Kühn prinzipiell ein unpassender Spieler für ein hohes, intensives Pressing ist, das Trainer Ferdinand Feldhofer langfristig etablieren möchte. Aufgrund seiner Geschwindigkeit kann Kühn in diesen Situationen eine gefährliche Waffe sein, da er schon bei Aue gute Statistiken bei Ballgewinnen in gefährlichen Zonen aufweist:

Kühn kann aufgrund seiner Schnelligkeit durchaus die gegnerische Abwehr unter Druck setzen und Bälle in gefährlichen Zonen gewinnen. Man muss aber trotzdem festhalten, dass er obwohl er einige Zeit in Leipzig war, nicht für den typischen Red-Bull-Fußball prädestiniert ist. Seine Stärken hat Kühn eindeutig bei eigenem Ballbesitz.

Fazit

Wenn man als österreichischer Klub einen 22-jährigen Spieler verpflichtet, der vom Leipziger Nachwuchs um zwei Millionen zum Ajax-Nachwuchs wechselt, anschließend beim FC Bayern München unterkommt, 32 Nachwuchs-Länderspiele für Deutschland vorweisen kann, Gewinner der Fritz-Walter-Medaille ist und in seiner jungen Karriere weitgehend frei von Verletzungen blieb, dann kann man nur gratulieren.

Auf der anderen Seite der Medaille steht natürlich, dass Kühn bis jetzt der große Erfolg abseits der Nachwuchs-Mannschaften verwehrt blieb und seine Entwicklung in den letzten Jahren nicht den gewünschten Verlauf nahm, auch weil die Karriereplanung wahrscheinlich suboptimal ausfiel und die Durchlässigkeit aus dem Nachwuchs in die diversen Kampfmannschaften falsch eingeschätzt wurde.

Feldhofer bekommt einen dribbelstarken und extrem schnellen Spieler, der auch mit dem Ball am Fuß ordentlich Tempo aufnimmt. Er bringt vieles mit, was der SK Rapid wie einen Bissen Brot benötigt. Spieler, die in ein Eins-gegen-Eins gehen, auf engem Raum Lösungen finden, vertikal denken und polyvalent einsetzbar sind. Auch wenn er in den vergangenen Jahren fast immer als Rechtsaußen auflief, kann er auch auf dem linken Flügel oder als zweiter Stürmer in einem 4-Raute-2-System zum Zug kommen. Selbst für die Position im offensiven Mittelfeld wäre er eine ideale Alternative, wenn man dem aktuellen Schalke- und ehemaligen U20-Nationaltrainer Manuel Baum Glauben schenkt.

Kühn ist ein sensibler Fußballer, der besonders nach den turbulenten Jahren die Rückendeckung seines Trainers spüren muss. Er kann in Hütteldorf zu einem absoluten Unterschiedsspieler reifen, muss aber erst in diese Rolle hineinwachsen. Hier wird neben dem Spieler insbesondere der Rapid-Coach gefragt sein. Kühn muss das Vertrauen seines Trainers spüren und Feldhofer wird seinen jungen Legionär in zahlreichen Vieraugengesprächen auch von den klassischen Rapid-Tugenden überzeugen müssen, wenn diese Liaison eine Erfolgsgeschichte werden soll. In körperlicher und mentaler Hinsicht ist nämlich sicherlich noch ein wenig Luft nach oben – alles andere sollte schon da sein.

Stefan Karger, abseits.at

Stefan Karger