Standesgemäß verlor der SK Rapid sein Sonntagspiel bei Red Bull Salzburg mit 1:2. Die größere Überraschung als das Ergebnis war jedoch die Aufstellung des... „Too much“: Erkenntnisse aus Rapids Überrotation in Salzburg

Standesgemäß verlor der SK Rapid sein Sonntagspiel bei Red Bull Salzburg mit 1:2. Die größere Überraschung als das Ergebnis war jedoch die Aufstellung des SK Rapid – die wiederum erwartungsgemäß zu Beginn der zweiten Halbzeit „korrigiert“ wurde.

„Never change a winning team“ – die alte Fußballerweisheit ist natürlich in Zeiten von englischen Wochen und Doppel- oder Dreifachbelastungen, sowie auch der voranschreitenden Vorabanalyse des jeweiligen Gegners nicht verifizierbar. Zu vielseitig sind die Änderungen im Fußballgeschäft, gerade auf taktischer Ebene. Eine Portion Selbstvertrauen kann man aber schon mal in die nächste Partie mitnehmen, wenn man – gerade in schwierigen Zeiten – die Gelegenheit dazu hat.

Djuricins harte Rotationidee

Goran Djuricin scheint davon nicht viel zu halten. Obwohl seine Mannschaft speziell in der zweiten Halbzeit des 2:0-Sieges gegen Spartak Moskau so etwas wie Selbstverständlichkeit in ihrem Spiel aufblitzen ließ, wechselte der Rapid-Coach für das Salzburg-Spiel acht Spieler aus. Weitgehend ohne Not – vor allem aber ohne erkennbare Struktur in der Offensividee. Zumal Rapid ohne Punkte im Gepäck die Heimreise antrat, passierte diese Rotation vorteillos. Aber die unpopuläre Maßnahme hat dennoch zwei Seiten.

…als Canadi Joelinton erstmals als Zehner brachte

Man fühlte sich in leichten Ansätzen an Damir Canadis erste Partie als Rapid-Trainer erinnert. Auch damals verlor Rapid mit 1:2 in Salzburg, die markanteste Änderung war der Einsatz von Joelinton als klassischer Zehner vor einer physisch schwachen Doppelacht mit Mocinic und Szántó, was das Spiel der Hütteldorfer von Grund auf veränderte. Ein heftiges Experiment, das Canadi bereits nach 33 Minuten abbrach, als er Joelinton durch den Sechser Srdjan Grahovac ersetzte. Djuricins Rotation am gestrigen Frühabend war dann aber noch um einige Nummern heftiger.

Wenn man gegen Roses Salzburg nach anderen Lösungen sucht

Zunächst stellte der Rapid-Trainer das System um und ließ sein Team als „Tannenbaum“ auflaufen. Das 4-3-2-1 sollte die offensive Übermacht der Salzburger dahingehend bremsen, dass die Mitte durch Masse zugemacht wird. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Coach gegen Marco Roses Salzburg eine unerwartete System- und vor allem „Höhenänderung“ im eigenen Spiel vornahm. Am 3.Dezember des Vorjahres entschied sich auch Thorsten Fink im Heimspiel gegen Salzburg für eine andere Austria-Formation. Die Veilchen liefen damals im äußerst defensiven 3-3-3-1 auf und trotzten Salzburg mit einem Last-Minute-Tor ein 1:1 ab. Ein Kunststück, das auch Rapid gestern beinahe gelungen wäre.

„Too much“

Die Veränderungen an der gegen Spartak erfolgreichen Mannschaft waren am Ende aber zu einschneidend, um Salzburg über 90 Minuten zuzusetzen. Rapid versuchte in der ersten Halbzeit vor allem defensive Stabilität zu erlangen – offensiv ging aber gar nichts. Man könnte sogar sagen, dass die erste Halbzeit die Antithese dessen war, was Rapid eigentlich ausmachen sollte, wonach die Fans nun aber schon seit Jahren lechzen. Eine angriffslustige, zielgerichtete Offensivtruppe. Eben so, wie sie auch im Leitbild des Klubs beschrieben wird.

Knoflach-Einsatz positiv und nicht das zentrale Thema

Aus unerfindlichen Gründen thematisierten viele Medien vor allem die Nominierung von Knoflach anstelle des in Hochform agierenden Strebinger. Dabei war diese Änderung eigentlich die unerheblichste. Knoflach vertrat den wohl besten Keeper der Liga erwartungsgemäß stark, zumal er selbst kein talentbefreiter Schlussmann ist. Auch die Ausstrahlung auf seine Vorderleute war in Ordnung und Rapid stand über weite Strecken gut, ließ nicht allzu viel zu.

Sechserproblem mit Ansage

Viel interessanter und zugleich unverständlicher waren jedoch die Änderungen im Mittelfeld. Ein defensives Dreiermittelfeld mit Martic auf der zentralen Position konnte in Salzburg einfach nicht funktionieren. Der in seiner Response langsamste Rapid-Mittelfeldspieler konnte dem Pressing der Salzburger nicht immer widerstehen. Und die wiederum freuten sich darüber, dass sie auf der zentralsten Positionen Martic pressen „durften“ und nicht Schwab, der ebenso wie Malicsek auf der anderen Seite nach außen pendelte. Martic kann man dabei keinen Vorwurf machen, denn auch der heutige Kapitän Schwab brauchte in seinem ersten Rapid-Jahr einige Monate, bis er die hohe Passintensität der Hütteldorfer beherrschte. Und da Rapid seit einigen Monaten eher hickersbergerisch (jr.) als djuricinesk spielt, war diese auch gegen Salzburg von Nöten. Warum Rapid seit einigen Monaten hickersbergerisch spielt, sei mal dahingestellt. Dass Rapid aber auch ein Sechser von der Prägung eines Samassékou auf der Gegenseite fehlt, wurde auswärts in Salzburg einmal mehr verdeutlicht.

Veränderungen am Flügel auf Kosten der Bindung zwischen Mannschaftsteilen

Auch die Flügelbesetzungen waren fragwürdig. Hier auf einer Position zu rotieren wäre kein Problem, aber Murg und Ivan auf der Bank zu lassen, die gegen Spartak einerseits mit technischer Klasse, andererseits mit hohem Laufpensum und gutem Spiel ohne Ball überzeugten, war dann doch etwas zu viel. Ihre Doppeleinwechslung nach der Halbzeit wäre jede Wette wert gewesen. Berisha und Guillemenot ackerten natürlich brav, sind aber aus Gründen technischer Limits (Berisha) und fehlender Erfahrung und Automatismen innerhalb des Teams (Guillemenot) ungeeignet, um Salzburgs enorm spielintelligente Defensive auf Anhieb auszustechen.

Wechsel inkl. Zeitpunkt nicht anders zu erwarten

Die fehlende Bindung innerhalb dieses völlig neuen Mittelfelds war es auch, die die erste Halbzeit Rapids so zäh werden ließ. In der defensiven Mittelfeldzentrale war man eher damit beschäftigt, die erste Salzburger Pressinglinie zu überspielen bzw. dem Pressing der Bullen auszuweichen. Umschaltversuche mussten über weite Strecken gespielt werden und Salzburg konnte diese relativ problemlos verteidigen. Die fehlende Präzision trug ihr Übriges dazu bei. Solospitze Andrija Pavlovic hing somit 45 Minuten lang in der Luft, wurde aber in der zweiten Halbzeit sofort brandgefährlich, als Rapid speziell durch Murgs Einwechslung mehr Bindung zwischen den Mittelfeldteilen und auch den Außenverteidigern erlangte.

Bookies: Heftigste nationale Außenseiterrolle der Vereinsgeschichte

Über die Veränderungen in der Mittelfeldzentrale lässt sich vortrefflich streiten und die unpopuläre Variante hatte ein paar Vor- und ein paar mehr Nachteile. Die Schwäche im offensiven Umschaltspiel in der ersten Halbzeit (und damit im kompletten Offensivspiel) sprach für sich, andererseits wurde Salzburg mit dieser Variante überrascht, wodurch Rapid die Bullen in der ersten Hälfte verhältnismäßig ungefährlich halten konnte. Die Kompletterneuerung der Flügelpositionen war jedoch gerade in einer solchen Partie überhaupt nicht nötig und ging komplett in die Hose. Fakt ist, dass Rapid gerade gegen Salzburg, deren Jäger man künftig wieder sein will, bei weitem nicht mit der bestmöglichen Mannschaft ins Spiel ging, sondern eine bessere B-Elf aufbot. Erst nach den Halbzeitwechseln präsentierte sich Rapid etwas ausgewogener und kam zu Chancen – die erste Hälfte war jedoch die logische Konsequenz aus der stark übertriebenen Rotation und somit wie verlorene Zeit. Unmittelbar vor der Partie, als die Aufstellungen offiziell wurden, fielen die Wettquoten auf einen Sieg der Salzburger auf bis zu @1.18 ab – ein solch klarer Außenseiter war Rapid laut Buchmachern in seiner gesamten Vereinsgeschichte auf nationaler Ebene noch nie…

Ein Fehler, wie ihn kein Kapitän fabrizieren darf

Klar, gegen Salzburg darf man verlieren. Die Rose-Elf hat schlichtweg die Klasse, um kleinste Fehler eiskalt und mit Hilfe ihres hohen individuellen Rüstzeugs zu bestrafen. Umso wichtiger ist es, dass dann in einer solchen Partie keine schweren Fehler passieren. Schwab unterlief ein ebensolcher vor dem 0:2 durch Dabbur. Bei all den Vorzügen, die der Rapid-Kapitän mitbringt, war es wieder einmal eine lässige, undynamische Aktion, die Salzburg den Weg zur Vorentscheidung ebnete. Diese Lässigkeit gilt es schon alleine aus Gründen der Symbolik abzustellen. Den Ball leichtfertig knapp vor dem eigenen Sechzehner zu verlieren und dann nachzutraben und nicht mal versuchen hinter den Ball zu kommen, darf einem Spieler mit der begehrten Armbinde nicht passieren.

Wenigstens ausgeruht in die nächste Woche

Während Schwab kurz vor dem 0:2 offenbar hoffte, dass sich trotz des Fehlers alles in Wohlgefallen auflösen würde, hoffte Djuricin vor der Partie, dass ein unerwarteter Lucky Punch seinen Rotationskniff zur Sensation machen könnte. Für die ohnehin gebeutelten Fans und Beobachter sah die Aufstellung aber eher wie eine frühe Selbstaufgabe aus. Frei nach dem Motto: „Gegen Salzburg gibt’s sowieso nichts zu holen“. Die immer noch nicht gute, aber doch verbesserte Leistung nach der Einwechslung von Murg und Ivan zeigte aber, dass es für Rapid in derartigen Spitzenspielen immer etwas zu holen gibt. Und so muss man trotz der unbestrittenen Salzburger Überlegenheit dennoch mit der Niederlage hadern. Einen weiteren Vorteil hatte die „better change that winning team“-Strategie aber am Ende doch noch: Beim wichtigen Cup-Spiel in Mattersburg am Mittwoch werden einige Akteure gut ausgeruht sein…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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