Mit einem 0:0 gegen Lechia Gdansk verpatzte Rapid den Heimauftakt in der UEFA Europa Conference League. Die Hütteldorfer fanden – wie schon in Treibach... 0:0 gegen Lechia Gdansk: Rapid scheitert an Spielaufbau und Chancenqualität

Mit einem 0:0 gegen Lechia Gdansk verpatzte Rapid den Heimauftakt in der UEFA Europa Conference League. Die Hütteldorfer fanden – wie schon in Treibach – kaum Lösungen gegen den tiefstehenden Gegner. Die Probleme begannen aber schon vor dem eigenen Tor.

Lechia-Coach Tomasz Kaczmarek wählte gegen Rapid eine tiefe 4-1-4-1-Formation, in der mit Kristers Tobers ein etatmäßiger Innenverteidiger den Sechser gab. Davor hatte man mit Gajos einen weiteren Sechser auf dem Blankett. Tobers schob bei Ballbesitz Rapids nach hinten, Gajos ebenfalls tiefer, womit gegen den Ball eher ein 5-4-1 sichtbar wurde. Zudem war die Grundposition der Außenverteidiger Pietrzak und Stec extrem tief, wodurch Rapid praktisch in der gesamten Breite einem Abwehrbollwerk gegenüberstand.

Erfahrene Polen wählen destruktiven Zugang

Dass die Startelf von Lechia im Schnitt 6,8 Jahre älter war, als jene von Rapid, machte die Sache für die Grün-Weißen nicht leichter. Das destruktive Spiel der Polen benötigte diese Routine, speziell im statischen Spiel. Im Umschaltspiel erwiesen sich die Danziger als zahnlos, wenngleich es wenige Nadelstiche gab. Richtige Torchance bekamen die Gäste nur eine einzige, bei der Niklas Hedl stark gegen Knipser Flavio Paixao rettete.

Staffelungsprobleme in Rapids 4-2-3-1

Rapid wiederum spielte in einem 4-2-3-1-System, das im Zentrum Probleme in Staffelung und Übergangsabständen hatte. Die Doppelsechs/Doppelacht bestand aus Neuzugang Aleksa Pejic und Youngster Moritz Oswald. Bei eigenem Spielaufbau bewegten sich die beiden Mittelfeldspieler nicht ideal, hätten in der Tiefe mehr rochieren müssen, um dem Zustellen durch den Gegner zu entgehen und Anspielstationen zu schaffen.

Zu wenig Antizipation im Zehnerraum

Das zweite Staffelungsproblem betraf die Rolle von Bernhard Zimmermann, der auf der Zehn startete, aber einen zu hohen Offensivfokus hatte. Anders als Ferdy Druijf, der normalerweise für diese Position vorgesehen wäre, konnte Zimmermann nur mangelhaft antizipieren und kaum Bälle im Zwischenlinienraum festmachen. Somit wirkte Rapid phasenweise wie in einem 4-4-2. Die Abstände auf der gesamten Zentralachse waren zu hoch und so ging der Spielaufbau sehr schleppend vonstatten.

Aiwu mit „zentralem Aufbau“ beauftragt

Hauptverantwortlicher für den Aufbau war Emanuel Aiwu. Der 21-jährige Abwehrchef hatte eindeutig die Order, das Spiel möglichst durchgängig durchs Zentrum aufzubauen und weite Bälle, sowie den Aufbau über außen zu vermeiden. Für diesen sauberen Spielaufbau war er primär auf Gegenbewegungen von Pejic und Oswald angewiesen. Diese waren jedoch unzureichend: Oswalds Positionsspiel im Aufbau war gerade in der ersten Halbzeit nicht ideal und Pejic konnte zwar einige Bälle „fordern“, ließ dann aber meist prallen, wodurch wieder Aiwu an den Ball kam. Allgemein gab es auf Rapids Doppelsechs/Doppelacht zu wenige Aufdrehbewegungen und so wurde Aiwu über weite Strecken im Spielaufbau „gebunden“.

Rapids Abwehrchef variierte zu wenig

Aiwus Fehler war fehlende Flexibilität. Als in der ersten Halbzeit sichtbar wurde, dass der Aufbau durch die Mitte schleppend verlief, hätte Aiwu eigeninitiativ umdisponieren müssen. Speziell Martin Koscelník auf der rechten Abwehrseite schob zumeist clever hoch, positionierte sich so, dass er gut anspielbar gewesen wäre. Diese Option vermied Aiwu aber zu häufig, wohl auch wegen des grundlegenden Aufbauplans, der aber in der ersten Hälfte nicht funktionierte. Dadurch benötigte für den Aufbau viel zu lange und die Partie wurde schon nach gut zehn Minuten ohne Not eingeschläfert.

Probleme mit Lechias Mittelfeldpressing

Ein weiteres Problem stellte das Mittelfeldpressing der Polen dar. Lechia Gdansk überließ Rapid zu hundert Prozent den Spielaufbau und die eigene Hälfte. Die Mannschaft verfolgte kein hohes Pressing, sondern stellte in erster Instanz nur zu. Wenn Rapid über die Mittellinie kam, war dies schließlich der Pressingauslöser und Lechia erhöhte speziell in Rapids Achterraum die Intensität. Da Rapid in diesen Situationen aber noch kaum gegnerische Spieler überspielt bzw. überwunden hat, war Lechia in dieser ersten aktiven Pressingzone mit zahlreichen Spielern hinter dem Ball und für Rapid wurde es unweigerlich eng. Damit kam Rapid kaum zurecht, was ein schlechtes Zeichen ist, weil auch in der Liga viele Teams so gegen Rapid agieren werden.

Rapid verabsäumt es, den Achterraum zu überladen

Gleichzeitig hätte Rapid aber auch danach trachten müssen, diesen Raum stärker zu besetzen. Nicolas Kühn versuchte sich mit Einrückbewegungen immer wieder in diesem Raum anzubieten, was phasenweise gute Aktionen nach sich zog. Auf der linken Seite suchte Grüll diese Einrückbewegungen aber kaum. Da die defensiven Polen wenig Tiefe zuließen, wurde Grüll seiner größten Vorteile beraubt. Auch er hätte umdisponieren und dabei helfen müssen, das Zentrum zu überladen. Das hätte auch unweigerlich Probleme in der Zuordnung der Polen nach sich gezogen.

Zimmermann auf verlorenem Posten

Auch Zimmermann passte nicht ideal in diese Rolle. Der 20-Jährige hätte gerade nach hinten hin stärker antizipieren müssen. Allerdings ist dies nicht unbedingt sein Naturell und er orientiert sich eher offensiv. Als etatmäßiger Zielspieler sind diese Bewegungen nach hinten schwierig, vor allem, wenn man nicht die Physis eines Ferdy Druijf besitzt, um Bälle entsprechend festzumachen. Allgemein ging es hier um eine Zone, in der der angeschlagene Patrick Greil den Grün-Weißen merklich fehlte.

Aiwu auf die Sechs als Option…

Wie hätte Feldhofer nun personell auf dieses Problem reagieren können? Zunächst hätte es sich angeboten, den rotgefährdeten Pejic gleich in der Pause auszuwechseln, Aiwu auf seine Position zu ziehen und einen anderen Innenverteidiger für den Aufbau zu bringen. Auf der Bank saßen mit Dibon, Hofmann und Sollbauer gleich drei Spieler, die diese Rolle einnehmen hätten können. Zudem wäre man mit einem der drei auch bei Offensivstandards möglicherweise griffiger gewesen.

…aber Feldhofer entscheidet sich für einen Debütanten

Feldhofer entschied sich aber dafür, sich die Sache zu Beginn der zweiten Halbzeit noch etwas länger anzusehen. Nachdem die Probleme vorerst weiter bestanden, wechselte Feldhofer nach einer Stunde dreifach. Schick und Knasmüllner kamen für die rechte Abwehrseite bzw. den Zehnerraum, wodurch Zimmermann aus seiner misslichen Lage auf der Zehn befreit werden konnte und nach außen rückte. Zudem kam ein gewisser Nikolas Sattlberger ins Spiel, der in seiner ersten halben Stunde für Rapid alle überraschte.

Sattlberger macht Rapid sicherer

Mit Sattlberger wurde Rapid im zentralen Mittelfeld griffiger. Der 18-Jährige machte bei seinem ersten Profiauftritt praktisch keine Fehler, überzeugte auch physisch. Zudem präsentierte er sich durchaus progressiv, wollte das Rapid-Spiel ankurbeln, was auch Oswald wieder stärker machte. Da sich Lechia aber immer weiter zurückzog, waren auch die Voraussetzungen andere. Der Spielaufbau fand nun weiter vorne statt, Rapid konnte als Block besser herausrücken, wodurch man auch dominanter wurde.

Rapid hat Chancen, aber keine hohe Chancenqualität

Diese Dominanz konnten die Wiener aber nicht in Tore ummünzen, weil man vor dem Tor zu unentschlossen war, den Ball häufig „reintragen“ wollte. Auch die Variabilität der Offensivaktionen war nicht hoch genug. Rapid kam nun zwar häufig vors gegnerische Tor, die Angriffsarten liefen aber zumeist nach demselben Muster ab: Suche nach gut postiertem Spieler am Flügel, Flanke – und bei Misserfolg ein Restart mit einer ähnlichen Aktion. Viel zu selten nahmen sich Einzelspieler ein Herz und versuchten ein dynamisches Dribbling oder zogen aus der Distanz ab. Lechia musste dem Druck somit nur standhalten, wurde kaum durch unerwartete Aktionen überrascht. Mit Fortdauer des Spiels wussten die Teams schlichtweg was sie zu voneinander zu erwarten haben. Das 0:0 war damit fast ein logisches Ergebnis, auch weil Rapid keine durchgängig hohe Chancenqualität aufbauen konnte. Man hatte zwar Gelegenheiten, war aber nicht konkret genug.

Sichtbare Probleme bei Offensivstandards

Aber es gibt noch eine Facette, die Rapids Torungefährlichkeit befeuert. In den beiden Spielen gegen Treibach und Lechia Gdansk hatte Rapid 28 (!) Eckbälle. Gefahr ausstrahlen konnten die Hütteldorfer dabei aber nie. Es ist offenbar ein Nebeneffekt der neu aufgebauten, dynamischen Rapid-Offensive, dass man aufgrund des erhöhten Tiefgangs an den Flügeln häufiger zu Eckbällen kommt. Die Eckstöße selbst wirken aber uninspiriert, im Strafraum zeigt Rapid zu wenig Präsenz, ist zu statisch – und kann somit auch leichter verteidigt werden.

Daran müssen die Wiener definitiv noch arbeiten, denn gerade wenn man eine zermürbende Partie gegen einen extrem tief stehenden Gegner bestreiten muss, können Standards das Zünglein an der Waage und ein Eisbrecher sein.

Rapid verabsäumt den Motivationsschub für alle Beteiligten

Das 0:0 ist kein ideales Ergebnis, aber es ist auch noch kaum etwas passiert. Rapid hat definitiv die Qualität das Auswärtsspiel in Danzig zu gewinnen. Bitter war am gestrigen Abend eher, dass die Feldhofer-Elf es verabsäumte, eine erste kleine Euphorie um die neu formierte Mannschaft auszulösen. Nach dem torlosen Remis waren die Fans trotz guter Ansätze eher wieder konsterniert und das könnte Auswirkungen auf die Geduld in der Rapid-Öffentlichkeit haben. Ein Sieg hätte Rapid als Ganzes stärker gemacht und bereits früh das Verhältnis zwischen Fans und Mannschaft stabilisiert. Nun muss Rapid am Sonntag gegen Ried ohne Wenn und Aber überzeugen…


Spielverlauf und Statistiken von overlyzer.com

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen