Nach jedem Spieltag küren wir den „Helden des Spieltags“. Wer fiel mit einer außergewöhnlichen Leistung auf? Wer meldete sich um den Fairplay-Preis an? Oder... Held des Spieltags (1): Simon Kjaer (Dänemark)

Nach jedem Spieltag küren wir den „Helden des Spieltags“. Wer fiel mit einer außergewöhnlichen Leistung auf? Wer meldete sich um den Fairplay-Preis an? Oder war es gar ein tragischer Held?

Angesichts dessen, dass am Freitag nur ein einzelnes Spiel stattfand und der Samstag der erste Turniertag mit drei Vorrundenspielen war, fassen wir in unserem ersten Artikel den ersten und zweiten Spieltag zusammen.

Diesmal fällt unsere Wahl auf den dänischen Abwehrchef Simon Kjaer.

Vor etwa zwei Monaten erzählte Christian Eriksen in einem Interview, dass Simon Kjaer ihm enorm half, sich in Italien zu akklimatisieren. Eriksen war zu Inter Mailand gewechselt, Kjaer spielt beim Lokalrivalen AC Milan. Eriksen: „Er ist ein echter Freund. Er spielt in der richtigen Stadt, aber leider beim falschen Klub.“

Dass sein Freund ihm eines Tages womöglich sogar das Leben retten würde, ahnte Eriksen damals freilich noch nicht. Die Art wie geistesgegenwärtig Simon Kjaer auf den Zusammenbruch seines Freundes reagierte, lässt schon nach dem zweiten EM-Tag keinen anderen „Helden des Turniers“ zu.

Als Eriksen kurz vor der Halbzeit bewusstlos zusammenbrach, wussten zuerst einige Spieler und Offizielle im direkten Umfeld nicht, wie sie reagieren sollten. Nicht nur seinen dänischen Teamkollegen, auch den finnischen Gegnern sah man den Schock förmlich an und zunächst wirkten die meisten Akteure wie gelähmt.

Nicht so Simon Kjaer, der eine unglaubliche Reaktion in einer außergewöhnlichen Szene zeigte. Kjaer reagierte von Beginn an völlig richtig auf die Situation und hatte danach sogar noch den kühlen Kopf, als Kapitän voranzugehen und auch die ethisch richtigen Schritte zu setzen.

Zunächst überprüfte er, ob Eriksens Atemwege frei sind, checkte die Zunge seines Teamkollegen. Nachdem er den Puls überprüfte, begann Kjaer vor dem Eintreffen des Notarzts mit einer Laienreanimation.

Als das medizinische Personal übernahm waren es Kjaer und Delaney, die ihre Teamkollegen anhielten, sich in einem Kreis vor der schrecklichen Szene aufzustellen und auszuharren, sodass Eriksens Überlebenskampf möglichst von keinen TV-Kameras oder dem ebenso geschockten Publikum verfolgt werden kann. Die dänischen Spieler standen nun mit dem Rücken zu ihrem bewusstlosen Teamkollegen und beteten leise für einen guten Ausgang der schrecklichen Szene – ein ikonisches Bild, das für immer mit diesem Turnier assoziiert werden wird.

Kjaer und Torhüter Kasper Schmeichel waren es schließlich auch, die Eriksens Frau Sabrina Kvist Jensen beruhigten und ihr die Botschaft übermittelten, dass das Herz ihres Mannes wieder zu schlagen begann. Das gesamte dänische Team reagierte gut auf diese Situation, aber die Art wie Kjaer damit umging, war schlichtweg beeindruckend. Kjaer vereinte in diesen schweren Momenten Vernunft, Logik, Ethik und Empathie und funktionierte wie eine Maschine, die alle Leistung auf sich aufnahm, um Mitspieler, Angehörige und Außenstehende zu schützen – und, last but not least, seinen Freund zu retten.

Als das Spiel wieder begann und Eriksen sich bereits selbst aus dem Krankenhaus melden konnte, schlug der Adrenalinschub bei Kjaer aber ins Gegenteil um. Nur 20 Minuten nach dem (durchaus umstrittenen) Wiederanpfiff der Partie ließ sich der 32-jährige dänische Teamkapitän auswechseln. Die Ereignisse der vorangegangenen zwei Stunden waren zu drastisch, als dass Kjaer auch noch im Spiel selbst einen kühlen Kopf bewahren konnte. So ging ein unfassbarer Tag für den Milan-Legionär zu Ende, an dem er sich über keine drei Punkte freuen konnte, aber bestimmt auch keine Trauer über die unerwartete Niederlage gegen Finnland verspürte. Kjaer war einer der vielen Bausteine an jenem schicksalhaften Tag, der seinem Freund Christian Eriksen wohl einen „zweiten Geburtstag“ bescherte.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen