Heimische Fußball-Fans verbinden die Weltmeisterschaft 1978 zwangsläufig unmittelbar mit Hans Krankl, Edi Finger und Cordoba. Für die österreichische Seele war es eine Wohltat, dem... Weltmeisterschaft 1978: Das Wunder von Córdoba, Mario Kempes und die argentinische Militärdiktatur

Mario Kempes - Argentinien 1978Heimische Fußball-Fans verbinden die Weltmeisterschaft 1978 zwangsläufig unmittelbar mit Hans Krankl, Edi Finger und Cordoba. Für die österreichische Seele war es eine Wohltat, dem großen Nachbarn ein “Haxl zu stellen“, auch wenn der Sieg nichts an der Tatsache änderte, dass das Nationalteam als Tabellenletzter nach der zweiten Gruppenphase die Heimreise antreten musste. Sehen wir uns zunächst jedoch an, wie es dazu kam, dass die Weltmeisterschaft in Argentinien ausgetragen wurde, wo zu dieser Zeit eine Militärdiktatur das Land regierte.

Nachdem Argentinien bei der Vergabe von Weltmeisterschaften öfters übersehen wurde, bekam das Land die WM bereits im Jahre 1966 zugesprochen. Die Mexikaner wären die einzigen ernsthaften Konkurrenten bei der Vergabe gewesen, doch sie bekamen zwei Jahre zuvor die WM 1970 zugesprochen, sodass sie ihre Kandidatur zurückzogen. Es gab Gerüchte, dass sich Österreich, Ungarn, Jugoslawien und die Tschechoslowakei gemeinsam für dieses Turnier bewerben wollten, allerdings blieb dies nur eine vage Idee und es kam zu keiner gemeinsamen Kandidatur. 1976 kam in Argentinien das Militär nach einem Putsch an die Macht, und wich erst nach dem verlorenen Falklandkrieg 1983 wieder der Demokratie. In der Zwischenzeit wurden Regimegegner in Geheimgefängnissen gefoltert und getötet. General Luciano Benjamín Menéndez ließ verlautbaren: „Wir werden 50.000 Menschen töten müssen. 25.000 Subversive, 20.000 Sympathisanten und wir werden 5.000 Fehler machen.“

Wir wollen doch nur Fußball spielen

Die Menschenrechtsverletzungen waren den meisten Spielern und Funktionären weitgehend egal. Manfred Kaltz vom Hamburger SV teilte den Medien mit: „Ich fahr da hin, um Fußball zu spielen, nichts sonst. Belasten tut mich das nicht, dass dort gefoltert wird. Ich habe andere Probleme“. Berti Vogts zeigte sich anscheinend schwer beeindruckt, dass das Militär keine politische Gefangene im deutschen Trainingsquartier folterte: „Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen.“ Nicht jeder sah die Vergabe im Lichte der jüngsten politischen Entwicklungen so unkritisch, wobei insbesondere die Niederlande darauf pochten, dass ein anderes Land das Turnier kurzfristig austragen soll.

Einige große Nationen scheitern in der Qualifikation

England verpasste zum zweiten Mal in Folge eine Weltmeisterschaft und scheiterte in der Qualifikation an Italien. Die Sowjetunion, Jugoslawien und die Tschechoslowakei mussten ebenfalls zu Hause bleiben, genauso wie Uruguay, das zum ersten Mal seit 20 Jahren dieses Großereignis versäumte. Ihre Debüts bei einer Weltmeisterschaft gaben dafür der Iran und Tunesien. Österreich qualifizierte sich nach 1958 wieder einmal für eine Endrunde und sorgte in der ersten Gruppenphase gleich für eine Überraschung.

Österreich vor Brasilien und Spanien

Das Team von Helmut Senekowitsch wurde gemeinsam mit Brasilien, Spanien und Schweden in die Gruppe 3 gelost und erreichte unerwartet den ersten Tabellenplatz, wobei vier Punkte aus den drei Partien für den Platz an der Sonne ausreichten. Im ersten Gruppenspiel konnte in Buenos Aires Spanien mit 2:1 bezwungen werden, Walter Schachner (9.) und Hans Krankl (76.) erzielten die beiden Treffer. Gegen Schweden kam die österreichische Auswahl zu einem 1:0-Sieg, wobei das entscheidende Tor abermals Krankl nach einem Foulelfmeter erzielte. Trotz einer 1:0-Niederlage gegen Brasilien schlossen die Österreicher die Gruppe an erster Stelle ab, da die Südamerikaner ihrerseits gegen Spanien und Schweden nicht über ein Unentschieden hinauskamen.

Österreich wurde als Gruppenerster nun in die Gruppe A gelost und traf dort auf die Niederlande, Italien und Deutschland. Im ersten Gruppenspiel in Cordoba blieb das Wunder noch aus, denn die Niederländer (Trainer Ernst Happel) setzten sich klar mit 5:1 durch, wobei Erich Obermayr den Ehrentreffer erzielte. Nach einer 1:0-Niederlage gegen Italien ging es im letzten Gruppenspiel nur noch darum, den Deutschen ebenfalls eine vorzeitige Heimreise zu bescheren. Ein Eigentor von Berti Vogts und zwei Treffer von Hans Krankl beendeten die Finalträume des deutschen Nationalteams, das dann im gleichen Flieger wie die ÖFB-Auswahl die Heimreise antrat.

Ernst Happels Team erst in der Verlängerung geschlagen

Die Niederlande gewann die Gruppe A und traf somit auf Gastgeber Argentinien, das die Gruppe B knapp vor Brasilien für sich entschied, wohl auch weil beim 6:0-Sieg gegen Peru am letzten Spieltag nicht alles sauber ablief. Einen Tag vor dem Finale gewann die Seleção das Spiel um Platz 3 gegen Italien mit 2:1. Das Finale selbst ging als eines der spannenderen Endspiele in die Geschichte der Weltmeisterschaften ein, denn die Zuschauer sahen ein enorm intensives und körperbetontes Spiel, das erst in der Verlängerung entschieden wurde. Nachdem der eingewechselte Niederländer Dick Nanninga in der 82. Minute den Treffer von Mario Kempes aus der ersten Halbzeit egalisierte, fiel die Entscheidung erst in der Nachspielzeit. Wieder war es Kempes, der die Argentinier auf die Siegstraße brachte, als der zukünftige Österreich-Legionär (Vienna, St. Pölten und Kremser SC) in der 105. Minute zum zweiten Mal traf. Daniel Bertoni erzielte zehn Minuten später den 3:1-Endstand, der die 71.483 Zuschauer im El Monumental endgültig in höchste Euphorie versetzte. Der Niederländer Rob Rensenbrink traf Minuten vor dem Abpfiff der regulären Spielzeit nur die Stange. Argentinien gewann den Titel, Mario Kempes wurde mit sechs Toren Schützenkönig des Turniers.

Mutige Worte von Coach Menotti

Die Niederländer verzichteten in weiterer Folge auf die offizielle Siegerehrung im Hotel Plaza, nicht weil sie schlechte Verlierer waren, sondern weil sie schon im Vorfeld des Finalspiels ankündigten unabhängig vom Ausgang der Partie Militärchef Videla aus dem Weg zu gehen und keinesfalls die Hand zu schütteln. DFB-Präsident Hermann Neuberger bezeichnete dies als schlechten Stil, empfing jedoch seinerseits zuvor den rechtsextremen Hans-Ulrich Rudel im WM-Quartier. Der siegreiche Trainer César Luis Menotti riskierte mit seinen Aussagen nach dem Spiel ebenfalls den Zorn der Militärjunta auf sich zu ziehen, da er, so wie die Niederländer, General Videla den Handschlag verweigerte und in einem TV-Interview den Zuschauern eine Botschaft mitgab: „Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt“.

Stefan Karger, abseits.at

Stefan Karger

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