Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (98): Lieber Michael Liendl!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an einen Freistoßspezialisten…

Lieber Michael Liendl!

Ich war immer ein großer Fan von dir. Schon als du von Kapfenberg zur Austria gewechselt bist, habe ich mir gewünscht, dass du mit deiner feinen Technik Karriere machen wirst. Was soll ich sagen? Es hat gestimmt. Zwar hat es zunächst danach ausgesehen, als würdest du den Sprung ins Ausland nicht schaffen, als es – karrieretechnisch gesehen – „zurück“ nach Wolfsberg gegangen ist. Doch dort hast du dich erstmals als Leistungsträger, Leitwolf und Spielmacher profiliert. Über den Umweg Kärnten bist du zu deutschen Traditionsklubs gekommen und spieltest in Düsseldorf, bei den Münchner Löwen und in Enschede. Den WAC hast du geprägt und prägst ihn seit 2018 wieder. Präsident Dietmar Riegler attestiert dir, dass der Klub ohne dir nicht wäre, wo er ist: Du seist der Spieler des letzten Jahrzehntes oder „überhaupt“ der Schwarz-Weißen gewesen.

Lieber Michi, das ist schon ein richtiges Kompliment. Der Kärntner Verein und du – das scheint zu passen. Vielleicht bist du ja ein sensibler Spieler, der erst beständig gute Leistungen bringen kann, wenn er sich in einem harmonischen Umfeld befindet. Es hat jedenfalls den Anschein: Denn bei deinem ersten Engagement im Lavanttal bist du anlässlich der Geburt deines ersten Sohnes richtig aufgeblüht. Vielleicht konntest du auch ohne den Trubel und Druck bei einem großen Verein wie der Austria befreiter aufspielen.

Doch die Lavanttalarena war in den letzten Monaten keine Wohlfühloase für dich: Der (mittlerweile Ex-) Trainer Ferdinand Feldhofer hat dich, Michael Novak und Christopher Wernitznig aus dem Kader für das Cup-Spiel gegen den LASK gestrichen. Schon zuvor rumorte es: Es hieß, du und Feldhofer, ihr hättet euch nicht in grün. Du wurdest immer öfters nur eingewechselt und hast unsicher gewirkt. Das merkte sogar Goleador Hans Krankl als du im Spiel gegen die Admira vom Elfmeterpunkt nicht getroffen hast: „Ich glaube er hat den Elfer verschossen, weil er nicht mehr das Vertrauen ins sich selbst hat. Vielleicht ist er auch böse auf den Trainer.“ Es war klar, dass es nicht lange so weitergehen konnte.

Am Donnerstag gab Feldhofer seinen Posten als WAC-Trainer auf: „Ich habe immer betont, dass ich für das große Ganze und für den Erfolg des Vereins arbeite. Da ich das Gefühl habe, dass das mit meiner Philosophie und mit meinen Vorstellungen nicht mehr möglich ist, ist es besser sofort zurückzutreten.“ Tja. Wir werden wohl nie erfahren, was genau passiert ist. Hast du tatsächlich einen „internen Machtkampf“ gewonnen? Bist du ein Spieler, der wirklich über dem Trainer steht? Wir werden es nie wissen. Ich hoffe aber, dass es nicht so ist. Du gehörst zwar zu den Kickern, die mehr gestreichelt werden müssen als andere, aber du bist mittlerweile 35 Jahre alt, ein gestandener Mann, ein Profi, der viel erlebt hat und musst die Situation auch meistern, wenn ein Trainer nicht auf dich setzt. Ich denke, das ist dir bewusst. Sei es, wie es sei, feststeht, ein großer Sportler und Mensch schöpft aus Momenten wie diesen Kraft und setzt sie in etwas Positives um.

Alles Gute wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag