Das Wiener Derby am Sonntagabend endete wie so oft Unentschieden. Mittlerweile gab es in fünf aufeinanderfolgenden Hauptstadt-Gipfeltreffen keinen Sieger. Wir analysieren die Herangehensweise der... Derbyanalyse: Zwei unterschiedliche Halbzeiten, wieder kein Sieger

Das Wiener Derby am Sonntagabend endete wie so oft Unentschieden. Mittlerweile gab es in fünf aufeinanderfolgenden Hauptstadt-Gipfeltreffen keinen Sieger. Wir analysieren die Herangehensweise der beiden Mannschaften. Wie gewohnt gibt es auch diesmal auf abseits.at wieder die Derby-Doppelanalyse von Daniel Mandl (1. Teil, Rapid) und Dalibor Babic (2. Teil, Austria).

Im ersten Spiel des neuen Rapid-Trainers Ferdinand Feldhofer waren personell keinerlei Experimente zu erwarten. Viel gespannter blickte man auf das Auftreten der Hütteldorfer, zumal Feldhofer bei seinem Amtsantritt mehr Aktivität, aktiveres Pressing und längere Phasen im letzten Drittel als Ziele für seine Amtszeit auserkor.

Feldhofer in seinem ersten Spiel mit Personalsorgen in der Defensive

Klar war aber auch, dass sichtbare und nachhaltige Veränderungen noch ihre Zeit benötigen werden. Rapid zeigte beim 2:2 in Ried bereits, dass man Offensivpressing grundsätzlich beherrscht und auch über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten kann, allerdings ist das Derby noch einmal ein anderes Kaliber – völlig unabhängig davon, wie der Erzrivale aus Wien-Favoriten gerade drauf ist. Hier spielen auch immer wieder die Nerven eine gewichtige Rolle.

Personell hatte Rapid speziell in der Abwehr Sorgen. Durch die Verletzungen des Innenverteidiger-Trios Dibon, Wimmer und Greiml und den quarantänebedingten Ausfall von Kapitän Maximilian Hofmann, musste erneut Martin Moormann neben Emanuel Aiwu den zweiten Innenverteidiger geben. Das wäre grundsätzlich noch kein Problem gewesen, allerdings fehlte Aiwu den Grün-Weißen aufgrund der prekären Personallage in der Innenverteidigung auf der Sechserposition. Der Kapitän des U21-Nationalteams hätte auf der Sechs für mehr Physis und Präsenz sorgen können. Stattdessen spielte Rapid in der Zentrale mit einer 6-8-10-Staffelung und Petrovic, Ljubicic und Knasmüllner.

Gefragter als die Defensive sollte bei Rapid aber diesmal die Offensive sein. Nach dem starken Pressing beim 2:2 in Ried hofften die Rapid-Fans auf eine Wiederholung gegen die Austria. Aber ehe man erstmalig richtig aktiv ins Pressing kam, stand es bereits 0:1. Rapid reagierte dennoch gut auf die bittere Unachtsamkeit, die in einer Austria-Führung resultierte und zeigte in der folgenden halben Stunde, was man in Ferdinand Feldhofers Amtszeit erwarten darf. Die Hütteldorfer pressten die Austria, die nach der Verletzung von Ziad El Sheiwi Zeit brauchte, um ihre Ordnung wiederzufinden, konsequent an, hatte aber schlussendlich eine zu geringe Conversion Rate, was die Kreation klarer Torchancen nach hohen Ballgewinnen betraf.

Insgesamt agierten die Hausherren aber durchaus stringent in ihren Aktionen. Rapid rückte zwar noch nicht immer in einem besonders verdichteten „Schwarm“ zum Ball, allerdings rückte die Abwehr und die defensiveren Mittelfeldspieler besser nach als vor einigen Wochen, wodurch man immer wieder Bälle im Sechser-/Achterraum absammeln, sichern und neue Angriffe initiieren konnte. So konnte Rapid trotz des frühen Rückstandes die gesamte erste Halbzeit an sich reißen und obwohl die Großchancen auf den Führungstreffer ausblieben, war die Austria mit einem 1:1 zum Halbzeitpfiff gut bedient. Im ersten Durchgang war der große Vorzug Rapids, dass man sich häufig in hohen Zonen festsetzen konnte.

Austria zieht sich zurück, Rapid kommt nicht aus Ballgeschiebe heraus

In der zweiten Halbzeit wurden allerdings andere Probleme bei den Hütteldorfern sichtbar, die einerseits der dünnen Personaldecke – speziell was Aufbauspieler betrifft – aber auch einer nicht idealen Kaderplanung geschuldet waren. Die Austria überließ Rapid über weite Strecken der zweiten Hälfte den Ball und durch die gute Staffelung der Veilchen und mangelnder Bewegung ohne Ball und auch physischer Mängel bei Rapid in Ballbesitz, wusste die Feldhofer-Elf damit kaum etwas anzufangen.

Rapid baute somit sehr viel Ballbesitz auf, spielte gerade im Sechserraum häufig den sicherstmöglichen Pass und konnte so kaum Raumgewinne verbuchen, geschweige denn durch die Mitte durchbrechen. Aufgrund der Wichtigkeit des Spiels war sichtbar, dass niemand einen – womöglich entscheidenden – Fehler machen wollte. Rapid ging also mit weniger Mut zum Risiko zu Werke, da man auch spürte, dass die Austria mit ihrem direkten Umschaltspiel unangenehm werden könnte. Der Einzige, der immer wieder versuchte, kurze, schnelle Vorstöße durch die Mitte zu vollziehen, war Abwehrchef Emanuel Aiwu. Aus dem Sechserraum kam allerdings deutlich zu wenig.

Dejan Petrovic war hierbei ein Schlüsselspieler im eher negativen Sinn. Der Slowene blieb zwar über weite Strecken passsicher, spielte aber deutlich zu wenige progressive Pässe und ließ im Laufspiel mit Ball Initiative vermissen. Es kam kaum vor, dass der 23-Jährige mit kurzen Antritten eine Linie überspielte und auch der vorgelagerte Robert Ljubicic scheiterte mit diesen Versuchen immer wieder. Dies ist auch physischen Nachteilen geschuldet, denn beide Mittelfeldspieler ließen sich bei den wenigen Versuchen, über intensive Läufe mit Ball in den Zwischenlinienraum zu kommen, viel zu häufig aus der Balance bringen. Davor spielte mit Christoph Knasmüllner einmal mehr einer der schwächsten Rapid-Spieler der bisherigen Saison und definitiv kein Dynamikgeber. Die Konstellation aus diesen drei Zentrumsakteuren, die durchschnittlich nur 179cm groß und eben keine „N’Golo Kanté Typen“ sind, sorgte dafür, dass Rapid die dichten Reihen der Austria in der zweiten Halbzeit nie mit Hilfe von Physis aushebeln konnte. Aiwu als robusterer Spieler wäre hier wichtig gewesen, allerdings wurde der 20-Jährige in der Abwehr gebraucht. Bei Rapid wurde einmal mehr sichtbar, welche Lücke abgewanderte, robuste Zentrumsakteure wie Dejan Ljubicic oder Stefan Schwab hinterließen. Durch die fehlende Durchschlagskraft in dieser Zone hingen auch die offensiveren Spieler, wie etwa Grüll und auch der etwas zu selten mit hohen Bällen gefütterte Kara, weitgehend in der Luft.

Derby flacht ab, Rapid bei den xG dennoch deutlich vorne

So entwickelte sich nach und nach ein zähes, vorsichtiges Derby, das eigentlich rasant und mit fünf gelben Karten in den ersten 29 Minuten auch recht emotional begann. Feldhofer konnte allerdings im Mittelfeldzentrum niemanden bringen, der Robustheit und Vertikalität vereint hätte. Wenn ein Gegner sich so postiert, wie die Austria gestern Abend, fehlen Rapid einfach Spielertypen, die diese Ordnung auseinanderreißen könnten. Auf spielerischem Weg kamen die Hütteldorfer nicht weiter, weil die Veilchen weitgehend clever zustellten und so waren es hauptsächlich Einzelaktionen von Taxiarchis Fountas, die für die eine oder andere Rapid-Chance sorgten.

Mit 2.59 : 0.30 baute Rapid dennoch gute Expected-Goals-Werte auf und hätte das Spiel grundsätzlich gewinnen müssen. Jedoch waren zahlreiche Abschlusssituationen noch nicht auf gruppen- oder mannschaftsspezifische Spielzüge aufgebaut, sondern mehr auf individuellen Ausreißern. Dadurch war die Chancenqualität der Grün-Weißen etwas zu gering, um die Austria noch einmal zwingender unter Druck zu setzen. Das Remis ist für die Gastgeber zwar auch angesichts der xG-Werte bitter, aber angesichts der mühsamen Pattsituation und der fehlenden Initiative in der zweiten Halbzeit auch einigermaßen in Ordnung.

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Schmid vertraut auf die Fünferkette

Nach dem wichtigen Erfolg gegen den SK Sturm Graz, konnten die Austrianer natürlich mit viel Selbstvertrauen in das große Wiener Derby gehen. Daher gab es auch kaum Gründe, großartige Veränderungen vorzunehmen und Trainer Manfred Schmid vertraute erneut seiner Dreier/Fünferkette, die sich in den letzten Wochen etabliert und gefestigt hat.

Jedoch mussten die Violetten bittere Ausfälle hinnehmen, denn neben Kapitän Suttner in der Verteidigung, fiel auch noch der formstarke Jungstürmer Huskovic mit einer Muskelverletzung aus. Beinahe hätte man auch noch auf den besten Torschützen Marco Djuricin verzichten müssen, der Fieber hatte und erst am Samstag ins Training einstieg. Keine leichte Ausgangssituation also für die Favoritner und man musste einige Dinge anpassen. Statt Suttner rückte Handl in die Verteidigung, während Braunöder nach seiner Sperre in die Mannschaft zurückkehrte und Huskovic auf einer tieferen Position ersetzte.

Das hatte eine kleine systematische Anpassung zur Folge. Dadurch lief Djuricin als Solospitze auf, während im Mittelfeld Braunöder und Demaku die Sechser gaben und davor Jukic und Fischer postiert wurden, was im Endeffekt ein 5-2-2-1/3-4-2-1 bedeutete. Das brachte der Austria ein etwas massiveres Mittelfeld, allerdings fehlte mit Huskovic ein zusätzlicher Mann in der Spitze, der die Bälle sichern konnte. Das Spiel startete allerdings in nahezu perfekter Manier für die Austria, denn direkt nach dem eigenen Anstoß startete man eine einminütige Spielsequenz, in der man zunächst den Pressingversuch mithilfe von Torhüter Pentz ausspielte, im weiteren Anschluss die linke Seite überlagerte und mit dem eigenen Gegenpressing Rapid in der gegnerischen Hälfte hielt und nach einem Flügeldurchbruch und einer Flanke in den Rückraum durch Braunöder das frühe 1:0 erzielte.

In dieser Situation legte die Austria gleich ein kräftiges Statement ab und man rechnete eigentlich damit, dass dieser Führungstreffer den „Veilchen“ viel Auftrieb geben sollte. Doch man zog sich etwas zurück und überließ zunehmend Rapid das Spiel, um auf Konter zu lauern. Man hatte hier und da Probleme mit dem Zugriff, da man im Anlaufen nicht immer das richtige Timing wählte und sich Unachtsamkeiten leistete, wodurch Gegenspieler anspielbar waren, was speziell die beiden Sechser von Rapid betraf. Dadurch erlangte man beim Spielaufbau von Rapid nicht immer den passenden Zugriff und man wurde nach hinten gedrängt, weshalb zunehmend die Abwehr gefragt war. Diese stand relativ stabil und so konnte man die Angriffe noch gut verteidigen. Die Veilchen hatten sogar noch eine gute Umschaltsituation, in der Jukic auf der Seite durchbrach und versuchte, Torhüter Gartler mit einem Abschluss ins kurze Eck zu überraschen.

Verletzungsbedingter Wechsel bringt Austria aus dem Konzept

Das sollte dann allerdings für längere Zeit das letzte Mal gewesen sein, dass die Austria vor das gegnerische Tor kam. Das lag daran, dass die Violetten einen verletzungsbedingten Ausfall zu verkraften hatte, der in der Mannschaft einiges veränderte. Nachdem mit Suttner bereits der nominelle Linksverteidiger verletzungsbedingt passen musste, musste auch noch dessen Ersatz El Sheiwi in der Anfangsphase vom Feld, womit die Austria plötzlich ohne einen Linksverteidiger dastand. Also musste Allrounder Fischer aus dem Mittelfeld notgedrungen in der Abwehr aushelfen, Jukic wurde zurückgezogen und Keles kam für die Offensive. Dadurch gab es also einige Umstellungen und auch das System wurde mehr zu einem 5-4-1, in dem Jukic und Keles die Flügel bearbeiteten.

Aufgrund dieser vielen Umstellungen, kam immer mehr Unordnung in die Mannschaft, was sich auch auf dem Feld widerspiegelte. In der Defensive hatte man speziell beim Anlaufverhalten große Probleme, wodurch die beiden Sechser von Rapid mehr oder weniger nach Belieben schalten und walten konnten, um den Ball nach vorne zu verteilen. Mit der Viererreihe im Mittelfeld waren Demaku und Braunöder plötzlich in konstanter Unterzahl und der Zugriff im Zentrum kam völlig abhanden.

Auch im Spiel mit dem Ball sah es nicht wirklich besser aus. Durch das Angriffspressing von Rapid, stand man ständig unter Druck und zeigte sich wesentlich anfälliger, als dies noch gegen Sturm der Fall war. Speziell die beiden Halbverteidiger Martel und Handl fielen mit Fehlpässen und überhasteten langen Bällen auf, wodurch die Sicherheit im Aufbauspiel fehlte. Rapid lief hier auch geschickt an und konnte mit der Dreierreihe Kara, Grüll und Fountas konstant Druck auf die Abwehr erzeugen.

Da man die Bälle vorne nicht sichern konnte und Djuricin hier auch wenig Unterstützung bekam, fehlte völlig die Entlastung und Rapid war in der Lage die Kontrolle über die Partie zu erlangen. Hier merkte man speziell den Ausfall von Huskovic, der mit seinen technischen Qualitäten und seiner Beweglichkeit die Defensive im Alleingang beschäftigen kann, aber auch in der Lage ist, die Bälle zu sichern, bis seine Kollegen nachrücken. So war der Angriff letztlich ein Totalausfall und die Leistung im ersten Durchgang insgesamt enttäuschend. Es war gut zu sehen, dass die violette Mannschaft (noch) nicht in der Lage ist, Ausfälle von Schlüsselspielern zu verkraften und, dass die Qualität in der Breite fehlt.

Das rächte sich dann auch auf dem Feld, denn nach einem unnötigen und plumpen Elfmeterfoul von Martel, kam Rapid durch Kara zum Ausgleich und belohnte sich für das aggressive und intensive Auftreten. In der Schlussphase der ersten Halbzeit nahm die Intensität des Rapid-Pressings dann ab und man ließ die Austria öfter kommen, wodurch die Violetten das Spiel etwas beruhigen konnten und zurück ins Spiel fanden. So blieb es beim 1:1 zur Pause.

Austria findet richtige Antwort und stabilisiert sich

Auch Austria-Trainer Schmid waren die Probleme nicht verborgen geblieben und es mussten dringend Lösungen her, um die mannschaftliche Stabilität zu wahren, die arg unter Bedrängnis kam. Also kehrte man zum perfekt einstudierten 5-3-2 zurück und versuchte hier, speziell im Anlaufen eine bessere Zuordnung zu finden.

Der junge und unerfahrene Innenverteidiger Moormann wurde oftmals ausgelassen, während Aiwu und einer der Sechser von den beiden violetten Stürmern zugestellt wurden. Unterstützt wurden die beiden Angreifer nun auch wesentlich besser vom Mittelfeld, denn Braunöder, Demaku und Jukic agierten wesentlich aggressiver und schoben aus ihren Positionen nach vorne, um die Rapidler im Spielaufbau besser zu stören. Das zeigte auch gleich Wirkung, denn nun gelang es den Gastgebern kaum noch, durch das Zentrum und die beiden Sechser nach vorne zu kommen und das Spiel verlagerte sich zunehmend auf die Flügelzonen.

Hier konnte die Austria den Gegner besser vom letzten Drittel isolieren und den Weg versperren, wodurch die gesamte Stabilität erhöht wurde und man weniger unter Druck geriet. Ein verbessertes Nach- und Durchschieben, aggressivere Grundhaltung, höhere Abwehrlinie, so bekam man die bekannte Austria-Kompaktheit vermehrt zu sehen und die Defensive wurde stabilisiert. Auch mit dem Ball bekam man mehr Ruhe hinein und das Auftreten wurde sicherer, wodurch vermehrt auch Umschaltsituationen nicht im Keim erstickt wurden und man ins letzte Drittel kam, auch wenn man dort viel zu unpräzise agierte, um aus den Möglichkeiten mehr herauszuholen. Angriffspressing gab es weiterhin keines zu sehen, weshalb die Rapidler auch in Ruhe in der eigenen Abwehr den Ball herumspielen konnten – aber sobald es ins Mittelfeld ging, war dies der Pressingauslöser.

Dadurch wurde es letztlich auch ein Duell auf Augenhöhe und beide Teams hatten ihre Momente in der zweiten Halbzeit, wobei Rapid zu den besseren Chancen kam. Bei der Austria merkte man, dass Djuricin bei weitem nicht bei 100 Prozent war und auch Keles kein gelernter Stürmer ist. Hier hätte man wesentlich mehr herausholen können, fand man doch einige Male aussichtsreiche Gleichzahl-Umschaltsituationen vor. Dadurch, dass man sich aber gegenseitig weitestgehend neutralisierte, passierte auch nicht mehr viel und es blieb letztlich beim 1:1-Unentschieden.

Daniel Mandl & Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic