Nicht das Ergebnis war die Überraschung des gestrigen Spiels zwischen Red Bull Salzburg und dem SK Rapid – immerhin gab es den letzten Sieger... Gut gespielt, nicht getroffen – wieso Rapid nach dem Katastrophenderby Red Bull Salzburg an die Wand spielte

Nicht das Ergebnis war die Überraschung des gestrigen Spiels zwischen Red Bull Salzburg und dem SK Rapid – immerhin gab es den letzten Sieger bei einem Duell dieser beiden Mannschaft in Wals-Siezenheim am 22.Februar 2009, als Red Bull Salzburg sich mit 2:1 durchsetzen konnte. Danach gab es mittlerweile fünf Remis in Folge. Überraschend war jedoch das Auftreten der Rapid-Elf.

Seit dem legendären 7:0-Auswärtssieg, der den Grundstein für Rapids Meistertitel 2007/08 legte, konnten die Grün-Weißen nicht mehr in Salzburg gewinnen. Die Leistung, die Schöttels Elf in der ersten Halbzeit gegen den Titelfavoriten von Ricardo Moniz darbot, ließ vermuten, dass 3 ½ sieglose Jahre in Salzburg genug sind. Besonders auffällig: Rapid spielte deshalb so stark, weil die Mannschaft es schaffte, die markantesten Fehler, die im Derby begangen wurden – auch die taktischer Natur – nicht nur auszumerzen, sondern den Spieß regelrecht umzudrehen.

Derby wegen Mittelfeld-Unterzahl verloren

Rapid verlor das Wiener Derby, weil die Austria im Mittelfeld ein Übergewicht herstellte, die Außenverteidiger Rapids mannschaftlich kompakt unter Druck setzte, technisch sicheres Kurzpassspiel aufzog. Somit hatten die Wiener Violetten gegen Grün-Weiß nicht selten eine 7-gegen-4-Überzahl im Mittelfeld. Rapid biss sich nicht primär an der starken Austria die Zähne auch, sondern auch am Mangel der eigenen Flexibilität, die das 4-2-2-2 mit dem aufgebotenen Spielermaterial mit sich brachte. Sowohl vor als auch nach dem Derby berichteten wir darüber, wie Rapid sein System flexibilisieren kann, indem man nur geringfügige Änderungen daran vornimmt. Und so geschah es schließlich in Salzburg, wo Deni Alar – gegen die Austria noch klassischer Angreifer – auf den linken Flügel rückte und Rapid plötzlich mit einem 4-2-3-1 überzeugen konnte. Nicht weil Alar gut spielte, sondern weil die Raumaufteilung plötzlich eine andere war.

Salzburger Außenverteidiger überfordert

Rapid nahm die Außenverteidiger der Salzburger – die „modernen Spielmacher“ –von der ersten Minute an aus dem Spiel. Franz Schiemer war nicht vorhanden, Jefferson, der früh für den verletzten Dusan Svento ins Spiel kam, wurde gleich zur Halbzeit wieder unter die Dusche geschickt, da er mit Christopher Trimmel überfordert war. So nahmen die Außenverteidiger der Salzburger über weite Strecken nicht am Aufbauspiel ihrer Mannschaft teil und das Team musste sich mit weiten Bällen auf Maierhofer – für den Ricardo Moniz sein System auf ein 4-4-2 umstellte – helfen, der diese zwar meist gut weiterleiten konnte, das natürliche Spiel der Salzburger jedoch in seinen Möglichkeiten beschnitt. Salzburg fand keinen Spielfluss, in der Offensive war vieles auf Zufall oder die Hoffnung auf individuelle Qualität aufgebaut. Rapid zeigte sich hingegen mannschaftlich geschlossen und kreierte bereits nach wenigen Minuten den Spielfluss, den Salzburg über 90 Minuten lang suchte.

Rapid verabsäumt Tore in Halbzeit Eins

In der ersten Halbzeit muss Rapid eigentlich den Deckel auf diese Partie machen. Das Mittelfeld zeigte sich individuell aufgrund der Systemumstellung stark verbessert. Steffen Hofmann zeigte mit zwei defensiven Mittelfeldspielern hinter sich seine beste Saisonleistung. Ebenso Markus Heikkinen, der zwar nicht gänzlich frei von Fehlern war, allerdings mit einem zweiten defensiv ausgerichteten „Sechser“ (Harald Pichler) neben sich sicherer wirkte und sich durch einen zusätzlichen Vordermann weniger Schwierigkeiten im Passspiel hatte. Die Folge dessen war starker Angriffsfußball, vorwiegend über die rechte Seite, auf der Trimmel eine bärenstarke erste Halbzeit spielte. Einzig der Ball wollte nicht ins Tor, Salihi und Hofmann vergaben die besten Chancen, versuchten aber daraufhin weiterhin Salzburg zu „zwingen“.

Flexibleres System in Grün-Weiß

Das nun erfolgreich getestete 4-2-3-1-System ist für den Taktikuninteressierten ein trügerisches. Je nach Spielermaterial kann man in einem 4-2-3-1-System wesentlich offensiver agieren als in anderen Systemen mit zwei Angreifern. Bei Rapid ist dies der Fall. Im Kader der Grün-Weißen stehen mit Trimmel, Drazan und Burgstaller drei klassische Flügelspieler, dazu mit Alar und mit Abstrichen Gartler zwei weitere Akteure, die die Positionen an der Seitenlinie mit besonders offensiver Grundausrichtung einnehmen können. Mit einem Passverteiler Steffen Hofmann in der Zentrale und einer laufstarken, wendigen Flügelzange, wird das Team sich wesentlich mehr Torchancen herausarbeiten als in einem 4-2-2-2. Wer in einem 4-2-3-1 in Zukunft die Position des Stürmers einnehmen sollte, ist Geschmackssache. Die Statistik spricht für Salihi, die zum Mittelfeldaufgebot konträre Facette spricht für Nuhiu, aber mit Rene Gartler darf man auch den technisch stärksten Angreifer Rapids nicht vergessen.

Weiterhin fehlt ein Mittelfeld-Chef

Trotz einer guten Leistung in Salzburg darf man nicht außer Acht lassen, dass bei Rapid noch einiges nicht hinhaut wie es soll. Gemeinsam mit Wiener Neustadt erzielten die Grün-Weißen bisher die wenigsten Tore der neuen Saison. In sechs Spielen klingelte es nur viermal im gegnerischen Kasten. Wenn der berühmte Knopf aufgeht, wird sich auch das ändern. Aber Rapid kann auf höchster Ebene nachhelfen, um das Toreschießen zu erzwingen: Am Mittwoch um 23:59 Uhr endet die Sommertransferzeit und nach wie vor fehlt Rapid ein Chef im Mittelfeld, der etwa gemeinsam mit Heikkinen oder Kulovits hinter Hofmann die Fäden zieht und sich auch selbst auf möglichst dominante Weise ins Offensivspiel einschalten kann. Dieser Spieler sollte bei einem Verein wie Rapid kein Prokopic oder Prager sein, kein Spieler den man „brauchen kann“. Es muss wieder ein Boskovic sein, ein Spieler auf den man „nicht verzichten kann“.

Box-to-Box-Midfielder für das dynamischere System

Harald Pichler spielte zuletzt zwei Partien im defensiven Mittelfeld, obwohl er zuvor in der Innenverteidigung gute Leistungen bot. In einer Partie war er schwach, in einer solide – er kann aus rein spielerischen Gründen keine dauerhafte Lösung fürs defensive Mittelfeld sein, da er, auch wenn er seine Aufgaben brav erledigt, eine Bremse für das Spiel nach vorne ist. Nicht unbedingt wegen eines Mangels an fußballerischen Fähigkeiten, sondern deswegen, weil ein entsprechender Mittelfeldspieler, der hinter Hofmann und doch zwischen Strafraumgrenze und Strafraumgrenze agiert, das System der Grün-Weißen noch einmal flexibler machen kann, etwa gegen schwächere Gegner spontan und während eines Spiels mit nur einer Adaption auf ein 4-1-4-1 umgelegt werden kann. Und damit erzwingt Rapid Tore, schon alleine deshalb, weil das Team – anders als in der gesamten Saison 2010/11 – sehr schwierig ausrechenbar wird und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ebenso viele oder noch mehr Torchancen kreieren wird, als gestern gegen den Titelfavoriten aus Salzburg. Mit der Systemumstellung auf ein 4-2-3-1 ist ein erster Schritt weg aus der taktischen Engstirnigkeit getan – jetzt sollte man dieses System bestätigen und über kurz oder lang mit einem Klassemann für das zentrale Mittelfeld verstärken.

Alan verletzt, Maierhofer gesetzt

Und Salzburg? Die plötzliche Systemumstellung und Leonardo auf der Bank muten wie eine Geringschätzung des Gegners an. Leonardo war in den letzten Wochen der dominante Spieler dieser Mannschaft – Rapid würde in einem Duell gegen Salzburg niemals einen fitten Steffen Hofmann auf der Bank lassen, weil „der Kader groß genug ist“, ebenso wenig würde die Austria mit Junuzovic oder Ried mit Royer so vorgehen. Stattdessen musste Topscorer Alan auf einer ungewohnten Position auflaufen, auf der er sich sichtlich unwohl fühlte – in der Nachspielzeit verletzte er sich in einer unglücklichen Szene schwer am Kreuzband und fällt wohl mehrere Monate aus. Ein Sinnbild dafür, wie schnell es im Fußballgeschäft gehen kann. Nicht nur, dass Maierhofer nun gesetzt ist, Wallner wieder Chancen auf regelmäßige Spiele hat – auch ein 4-4-2 könnte man dadurch in Zukunft in Salzburg öfter sehen. Übrigens obwohl Maierhofer der prädestinierte Angreifer für ein klassisches 4-3-3 wäre. Mit der Verpflichtung des 202cm-Mannes bewies man in Salzburg unfreiwillig Näschen. Wäre der Ex-Wolverhampton-Legionär nicht nach Salzburg gewechselt, würde man die restliche Herbstsaison praktisch nur noch mit Roman Wallner an vorderster Front bestreiten…

Spielerbewertung: 0 = zu kurz eingesetzt | 1 = sehr schwach | 10 = sehr stark

FC Red Bull Salzburg – SK Rapid Wien – 0:0
FC Red Bull Salzburg: Gustafsson (7) – Schiemer (3), Pasanen (3), Hinteregger (5), Svento (0) (7. Jefferson 1 / 46. Sekagya 4) – Jantscher (4), Leitgeb (4), Lindgren (3), Zárate (2) (71. Leonardo 6) – Maierhofer (5), Alan (3).
SK Rapid Wien: Payer (7) – Schimpelsberger (6), Sonnleitner (6), Soma (5), Schrammel (5) – Heikkinen (5), Pichler (6) – Trimmel (7), Hofmann (6) (90. Nuhiu 0), Alar (4) (80.Katzer 0) – Salihi (4) (65. Gartler 3).
Gelbe Karten: Pasanen, Jantscher, Zárate bzw. Schimpelsberger, Schrammel, Heikkinen, Pichler.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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