Der erste Derbysieger der neuen Saison heißt Austria Wien. Die Violetten aus Favoriten besiegten Rapid im Ernst-Happel-Stadion klar und deutlich mit 3:0. Die Auffälligkeiten... Spieler peinlich, Trainer planlos, Gegner zu kompakt – Rapid und eine Derbypleite, die zum Umdenken anregen sollte

Der erste Derbysieger der neuen Saison heißt Austria Wien. Die Violetten aus Favoriten besiegten Rapid im Ernst-Happel-Stadion klar und deutlich mit 3:0. Die Auffälligkeiten des 298.Wiener Derbys: Eine technisch enorm sichere Austria-Elf, ein inferiorer Haufen in Grün-Weiß und volle Ränge, auf denen Teile organisiert, andere Teile geschockt herumsaßen und kaum einen Mucks von sich gaben.

Nach einer offenen Anfangsphase, in der zunächst die Austria in Führung hätte gehen können (Lattenschuss von Tomas Jun), hatte Rapid vor und nach Nacer Barazites Führungstreffer Chancen auf einen Torerfolg. Zudem kam Rapid nach der Pause energisch aufs Feld zurück, versuchte eine Feldüberlegenheit zu kreieren, die Austria unter Druck zu setzen. Alle Versuche schlugen fehl und so waren alles in allem 25 halbwegs gute Minuten alles, was Rapid im ersten Saisonderby zu bieten hatte.

Sieg hätte höher ausfallen können

Anders die Wiener Austria, die sich einmal mehr von ihrer besten Seite zeigte. Trickreich, direkt, dynamisch und von vorne bis hinten aggressiv. Zwar haderte Karl Daxbachers Elf in der ersten halben Stunde noch mit der einen oder anderen vergebenen Torchance, am Ende gewann der Tabellenzweite auch in dieser Höhe absolut verdient. Im Gegenteil: Wenn der Austria noch die Tore vier und fünf gelungen wären, hätte sich Rapid nicht beschweren dürfen. Die Austria präsentierte sich beinahe über die gesamte Spielzeit sehr kompakt und mit starker Zuordnung, machte kaum individuelle Fehler.

Rapid nicht bundesligatauglich

Die Leistung des SK Rapid ist heute überblicksmäßig als „maximal Erste-Liga-tauglich“ zu bezeichnen. Angefangen beim Trainer, alle Kicker mit einbezogen. Auf der Suche nach Gründen für die deftige Derbyniederlage wurde zunächst – zu Recht – die Austria stark geredet, was Karl Daxbacher bei der Pressekonferenz wieder ein wenig relativierte. Es wäre durchaus möglich gewesen der Austria den einen oder anderen Nadelstich zu versetzen. Schöttel bemerkte im Laufe der Pressekonferenz außerdem, dass die aktuelle Situation für Rapid enorm schwierig ist, weil man aufgrund der Fanproteste praktisch „auf sich allein gestellt“ ist.

Schnelle Einigung mit Fans notwendig!

Schöttel muss die Situation natürlich akzeptieren, kann sie nicht ändern – versteht sie jedoch mittlerweile nicht mehr. Die Gruppe „United We Stand“ steht natürlich in der allgemeinen Kritik, weil den Austria-Anhängern das fantechnische „Feld“ überlassen wurde. Einzig die siegreichen Fans im dritten Rang machten Lärm, peitschten ihre Mannschaft nach vorne – eine Situation die keinem Derby der Welt würdig wäre. „Gegendemos“ auf Seiten der Rapid-Fans bildeten sich kaum, zumal organisierter Support im Happelstadion nichts ist, was man aus dem Stehgreif angehen könnte. Man darf es wohl als Fakt betrachten, dass eine peinlich unterlegene Rapid-Mannschaft das 298.Wiener Derby auch mit lautstarken Fans verloren hätte, darf zudem zur Kenntnis nehmen, dass die Stille auf Seiten des grün-weißen Fanlagers eine gute Ausrede für Trainer Peter Schöttel war, um seine Schützlinge aus der Schusslinie zu nehmen (was sein gutes Recht ist). Allgemein kann aber in dieser Causa nur eines gelten: Einigen! So schnell wie möglich! Support schießt zwar keine Tore, gibt den Akteuren aber womöglich das Selbstvertrauen zurück, dass sie jetzt dringend notwendig haben.

Schöttel mit dubioser bis planloser Aufstellungsvariante

Kommen wir nun aber zu den konkreten Gründen für Rapids Niederlage auf dem grünen Rasen: Einer davon ist die völlig irrwitzige Aufstellung, mit der Peter Schöttel seine Mannen aufs Feld schickte. Den erlernten Positionen der elf Akteure zu Folge hätte Rapid eigentlich mit einem 5-3-2 beginnen müssen. Gerade in einem wichtigen Spiel wie dem Wiener Derby stellt Schöttel Stefan Kulovits gemeinsam mit Harald Pichler ins defensive Mittelfeld. Pichler zeigte in der Innenverteidigung zuletzt, dass er Potential hat, wird dann aber urplötzlich auf einer Position eingesetzt, die er im Laufe der Vorbereitung nur eine halbe Stunde lang gegen Hoffenheim praktizierte. Auch offensiv tat Schöttel seinen Spielern keinen Gefallen: Hofmann bekam wieder eine offensivere Position – und zwar genau im selben System, mit denselben Problemen, die auch das letzte Jahr unter Peter Pacult zu einer grausamen Prüfung für die Fans machten. Sein Gegenüber am linken Flügel, Boris Prokopic, zeigte einmal mehr eine Leistung, die von Positionsuntreue, gleichbleibendem Tempo und individuellen Fehlern nur so strotzte. Und vorne? Nuhiu und Alar – teilweise recht gut zusammenspielend, aber selten dort, wo die Mannschaft (!) sie gebraucht hätte, nämlich arbeitend im offensiven Mittelfeld.

Austria gewinnt durch Übergewicht im Mittelfeld

Die Folge des neuerlichen 4-4-2-Systems, noch dazu in einer Konstellation, die noch nie zusammenspielte: Ein enormes Loch im zentralen Mittelfeld, bedingt durch die offensive Grundausrichtung der beiden Angreifer und die gleichzeitige defensive Grundausrichtung der defensiven Mittelfeldspieler. Dadurch, dass die Austria auch noch Rapids Außenverteidiger mit kontrolliertem, kompaktem Fore-Checking stets schnell unter Druck setzte, passierte das, was jeder Hobby-Taktikfuchs bereits mit einem Blick auf die Aufstellungen zehn Minuten vor Spielbeginn wusste: Die Austria übernahm die totale Kontrolle über das Mittelfeld, griff technisch sicher und als Block an, konnten zudem wesentlich leichter von Offensive auf Defensive umschalten als der Lokalrivale aus Hütteldorf. Die einen würden sagen, dass die Austria das Match gewann, weil sie ihre Chancen verwertete und Rapid nicht. Mit ein bisschen Weitblick erkennt man jedoch, dass Rapid im Mittelfeld gegen die Austria „keinen Meter“ hatte und so gar nicht im Stande war, als Mannschaft Torchancen zu kreieren. Wenn Rapid gestern in Strafraumnähe oder gar zum Torabschluss kam, dann meist aus Zufall oder aufgrund weniger guter Einzelaktionen. Bei der Wiener Austria hingegen war alles herausgespielt.

Rapid: Gefangen im hölzernen System. Aber warum eigentlich?

Einzelspielerkritik? Selbstverständlich, schließlich bekleckerte sich gestern Nachmittag kein einziger grün-weißer Akteur mit Ruhm. Jeder Einzelne war technisch schwach, packte nach den ersten 20 Minuten seine Aggressivität wieder ein und wenn sich etwa Hofmann oder Alar ein Herz fassten und aus der Distanz abzogen, waren die Resultate nicht die gewünschten Granaten, sondern nur Lüftchen, mit denen man der Austria nicht gefährlich werden konnte. Übrigens: Die letzten Weitschusstore bzw. Tore außerhalb des Strafraums erzielte Rapid in der 35.Runde der Ligasaison 2009/10. Damals traf Hofmann beim 4:1 gegen Sturm Graz zweimal aus der Distanz. Betrachtet man die Spielsysteme, die Rapid seitdem (es war Branko Boskovics vorletztes Spiel für Rapid – danach veränderte sich die Spielanlage der Hütteldorfer markant) praktiziert, versteht man vielleicht auch, wieso sich nicht mehr Chancen aus Weitschüssen ergeben. Das völlig unterbesetzte Mittelfeld kommt einfach nicht in aussichtsreiche Schusspositionen, ohne dafür einen nahezu unrealistischen Aktionsradius abzuspulen. Das Schlimme daran: Rapid ist ob seines durchaus flexiblen Spielermaterials nicht gezwungen dieses hölzerne, in der aktuellen grün-weißen Variante fast fußballfeindliche System spielen zu müssen

Wechselspiel ohne Ziel

Dem nicht genug: Auch die Spielerwechsel bei Rapid waren dubios. Zur Pause kam Christopher Drazan für Stefan Kulovits. Harald Pichler durfte den „Sechser“ gleich in seinem ersten Rapid-Pflichtspiel auf dieser Position im Alleingang mimen. Ein aktuell zweifelhaftes Privileg, das man seit geraumer Zeit nicht mal mehr Routinier Markus Heikkinen zutraut. Boris Prokopic, der aufgrund seiner körperlosen Leistungen schon nach einer halben Stunde ein logischer Wechselkandidat gewesen wäre, rückte in die Mitte. Genauso wie Steffen Hofmann. Nun spielte Drazan links, Prokopic und Hofmann was sie wollten und nicht nur ein Pass von Harald Pichler oder Michael Schimpelsberger auf den rechten Flügel landete im Nirvana. Schöttel reagierte daraufhin, brachte Trimmel für Hofmann, das „Flügel-Gleichgewicht“ war durch die klassischen Flügelflitzer Drazan und Trimmel also wiederhergestellt – dafür war die Mitte so gut wie tot. Wenn der später ausgeschlossene Boris Prokopic in einem Interview nach dem Spiel offen sagt, dass er „nur noch vom Feld“ wollte, spricht das Bände über die aktuelle psychische Verfassung des Spielers und wohl der gesamten Mannschaft. Und daran sind definitiv nicht nur supportunwillige Fans Schuld. Prokopic tat sich mit dem brutalen Rot-Foul gegen Georg Margreitter nicht nur selbst einen Gefallen: Die Attacke gegen den Austria-Innenverteidiger wird locker drei Spiele Sperre nach sich ziehen und jeder, der statt Prokopic in die Startelf rutschen könnte, wird in den nächsten Wochen seine Aufgabe besser machen als der Slowake, der sich nicht nur im gestrigen Derby auf Regionalliga-Level präsentierte. Das Pfeifkonzert, mit dem die Rapid-Fans Peter Schöttel bedachten, als er dann noch Markus Heikkinen für Atdhe Nuhiu einwechselte, sei nur nebenbei bemerkt.

Rapid muss „ganz oben“ handeln!

Und ebendieser Boris Prokopic ist auch ein Sinnbild dafür, was bei Rapid auf höherer Ebene schief läuft. Keiner will es offiziell zugeben, alle reden sich heraus und konstatieren, dass sie dem aktuellen Kader vertrauen – aber Rapid fehlt seit über einem Jahr die Qualität, um in der Bundesliga ganz oben mitzuhalten. Es fehlen die echten Top-Leute, was noch schmerzlicher heraussticht, wenn Kapitän Steffen Hofmann nicht in Topform ist. Manche Spieler, wie etwa der ohnehin wechselwillige Christoph Saurer, werden seit geraumer Zeit nur noch mitgeschleppt. Vielleicht kann man ihn ja noch brauchen. Doch diese nicht erst seit gestern angeschlagene Rapid-Elf braucht derzeit keine Leute, die man „noch brauchen könnte“, sondern ein bis zwei neue Kicker auf Schlüsselpositionen, auf die man „nicht verzichten kann“. Die Transferzeit dauert noch zehn Tage und Rapid muss noch einmal zuschlagen, um über die gesamte Saison konkurrenzfähig zu sein. Man sollte in Wien-Hütteldorf ernsthaft über seine Ansprüche nachdenken und in vielerlei Hinsicht beginnen umzudenken – ansonsten fällt man in Zeiten zurück, bei denen ein Wiener Derby im Happel-Stadion keine 31.800 Fans anlockte, sondern maximal die Hälfte.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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