Die SV Ried ist auch nach dem zweiten Spiel im Jahr 2023 sieglos und befindet sich am Tabellenende. Die größte Baustelle der Innviertler ist... Kommentar: Warum das Projekt Heinle bei der SV Ried gescheitert ist

Die SV Ried ist auch nach dem zweiten Spiel im Jahr 2023 sieglos und befindet sich am Tabellenende. Die größte Baustelle der Innviertler ist die Offensive. Mit nur 13 erzielten Toren befindet man sich in dieser Statistik abgeschlagen auf dem letzten Platz. Cheftrainer Christian Heinle steht zunehmend in der Kritik. Eine Analyse aus Sicht eines langjährigen Fans.

Wieder kein Befreiungsschlag

Nicht erst seit dem 1:1 gegen den LASK herrscht bei der SV Ried Handlungsbedarf. Beim Heimspiel gegen den Erzrivalen aus Linz lag der Befreiungsschlag auf dem Silbertablett abholbereit. Doch nicht zum ersten Mal schafften es die Wikinger, ein Spiel noch aus der Hand zu geben. Eine ganze Halbzeit lang befanden sich die Innviertler in numerischer Überlegenheit und konnten dennoch – zum bereits zwölften(!) Mal in dieser Saison – kein Tor aus dem Spiel heraus erzielen.

Die zahlreichen Konterchancen wurden teilweise leichtfertig vergeben. Ehe man sich am Ende zurückzog und bitter bestraft wurde. Mit- bzw. hauptverantwortlich ist Christian Heinle. Der Grieskirchner, der in seiner Zeit als Trainer der Rieder einen der schlechtesten Punkteschnitte der Vereinshistorie (0,94) aufweist, sprach von einem „extrem bitteren“ Ende. Dass er erneut mit seinen (Nicht-)Wechseln dazu beigetragen hatte, dass die Schwarz-Grünen abermals nicht gewonnen hatten, fand keine Erwähnung.

Während LASK-Trainer Kühbauer nach knapp einer Stunde bereits vierfach gewechselt hatte, folgte bei den Innviertlern der erste Wechsel erst in der 77. Minute. Heinle wechselte ausgerechnet Christoph Monschein ein, der beim Gegner in seiner dortigen Zeit verbrannte Erde hinterlassen hatte. Doch auch im Innviertel hat Monschein bislang nicht mit sportlicher Leistung geglänzt. Zwei Saisontore, beide vom Elfmeterpunkt, hat der vor der Saison hochgepriesene „Königstransfer“ in der Bundesliga bislang erzielt. Keinen einzigen Treffer aus dem Spiel heraus und obendrauf einen weiteren Elfmeter kläglich vergeben.

Die Fans der Wikinger bekundeten ihren Unmut über diesen ersten Wechsel. Monschein wurde mit Pfiffen von den Rängen bedacht. Aufgrund der schwachen und teils lustlos wirkenden Auftritte des Rieder Mittelstürmers genießt er bei den Anhängern keinen guten Ruf. Trotz des nicht allzu freundlichen Empfanges hätte Monschein zum Matchwinner avancieren können, doch der 30-Jährige ließ sich im Laufduell mit einem Linzer Innenverteidiger zu einer Schwalbe hinreißen, anstatt aufs Tor zu ziehen. Am Ende konnte aber auch der vom Großteil der Fans bevorzugte Sturmkollege Seifedin Chabbi seine Topchance in der Nachspielzeit nicht nutzen und setzte einen Kopfball in die Arme von LASK-Torhüter Schlager.

Dass Chabbi überhaupt auf dem Platz stand, war der Verletzung von Denizcan Cosgun geschuldet. Der junge Mittelfeldspieler war laut Heinle einer der Gewinner der Vorbereitung und erhielt den Vorzug gegenüber Kingsley Michael auf der Position im zentralen Mittelfeld. Nach einer mäßigen Darbietung gegen Hartberg konnte Cosgun gegen den LASK mit einer kämpferisch einwandfreien Leistung schon eher überzeugen. Unglücklicherweise zog er sich in den Schlussminuten ohne Fremdeinwirkung einen Kreuzbandriss zu und fällt damit den Rest der Saison aus. Nach Stosic und Kapitän Ziegl ist Cosgun nun der bereits dritte langzeitverletzte Mittelfeldspieler.

Die Personalsituation bei den Wikingern bleibt also weiter angespannt. Dazu sei aber auch erwähnt, dass im Derby Spieler wie Wießmeier, Weberbauer und Kronberger nicht einmal einen Platz im Kader fanden. Letzterer stand gegen Hartberg sogar noch in der Anfangsformation, nachdem er von Heinle neben Cosgun als „Gewinner der Vorbereitung“ tituliert worden war.

Fragwürdige Aussagen

Aussagen bezüglich mangelnder Routine wie jene nach dem Spiel gegen Hartberg, dass neun Spieler mit wenig Bundesliga-Erfahrung in der Startelf standen oder der immer gleiche Zweckoptimismus sorgen für Kopfschütteln bei den Anhängern. Das Fass zum Überlaufen brachte Heinle mit dem Statement, dass man bis zur Punkteteilung „scharf“ sein möchte und die aktuelle Tabellensituation nicht besonders viel Aussagekraft besitze. Dabei wurde zum Jahresauftakt noch davon gesprochen, dass die Situation „knallhart“ analysiert worden sei und im Frühjahr nun alles besser werden solle.

Recht hat Heinle bezüglich der mangelnden Chancenverwertung seiner Mannschaft. Die Wikinger haben die mit Abstand schwächste Offensive der Liga. Topscorer ist mit Tin Plavotic (jeweils zwei Tore und Assists) ausgerechnet ein Innenverteidiger. Spielmacher Nutz hält ebenso bei vier Scorerpunkten.

Das Problem mit dem Toreschießen

Die Rieder erzielten vier ihrer 13 Tore vom Elfmeterpunkt, weitere drei Tore fielen nach Eckbällen. Augenscheinlich ist bei den Wikingern die mangelnde Qualität im Torabschluss. Wie sich in den ersten beiden Frühjahrspartien klar zeigte, schaffen es die Rieder immer wieder sich Chancen zu erarbeiten, doch weder Sturm-Leihgabe Lang noch Ex-Nationalspieler Monschein haben bisher aus dem laufenden Spiel heraus getroffen. Einzig die dritte Wahl im Angriff, Seifedin Chabbi, konnte ein Tor von abseits des Elfmeterpunkts erzielen. In dieser Hinsicht führen bei den Riedern die Flügelspieler Mikic und Pomer mit jeweils zwei Toren, wobei Pomer ein Tor nach einem Eckball erzielt hatte.

Spieler wie der vor der Saison als Bajic-Ersatz verpflichtete Agyemang Diawusie, dessen Vertrag bereits im Winter wieder aufgelöst wurde, oder die zweite Sturm-Leihgabe Kronberger konnten den Abgang des zu Rapid abgewanderten Ante Bajic nicht im Geringsten kompensieren. Last-Minute-Winterzugang Aleksandar Lutovac wartet noch auf seinen ersten Einsatz im Ried-Trikot und dennoch ist es sehr unwahrscheinlich, dass er die Offensiv-Baustelle beheben kann. Der für seine Distanzschüsse bekannte Oliver Kragl musste im Winter nach Meinungsverschiedenheiten mit Trainer Heinle gehen, seine Rückholaktion hätten sich die Rieder sparen können. Mittlerweile spielt Kragl wieder in der Serie C, der dritten italienischen Liga, und glänzt dort mit spektakulären Toren. Die österreichische Bundesliga stellt freilich höhere Leistungsansprüche.

Der für die Sommertransfers verantwortliche Thomas Reifeltshammer wurde mittlerweile vom Verein degradiert, seine Aufgabe übernahm Sportvorstand Wolfgang Fiala. Mit Linksverteidiger Roko Jurisic scheint er zumindest für den Defensivbereich ein gutes Händchen bewiesen zu haben. Auch Sturm-Leihgabe Lang konnte sich in der Vorbereitung aufdrängen, in der Bundesliga konnte er in seinen ersten beiden Partien jedoch nur bedingt überzeugen.

Gelingt den Wikingern noch die Wende?

Bis zur Punkteteilung stehen noch vier Partien an. Dass die Mannschaft ausgerechnet gegen Ligakrösus Salzburg das Ruder herumreißen kann, ist so gut wie auszuschließen. Allerdings konnten die Wikinger in dieser Saison eher gegen die von der Papierform stärkeren Gegner etwas mitnehmen. Gegen die direkten Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt präsentierten sich die Rieder überhaupt nicht „scharf“. Gegen den Tabellenelften Hartberg kassierte man zwei mehr als nur vermeidbare Niederlagen und auch das Duell mit dem Zehnten Altach verlor man vor heimischer Kulisse. Immerhin konnte man gegen Aufsteiger Lustenau vier Punkte erobern. Es wäre dennoch ein großer Fehler, sich aufgrund der anstehenden Punkteteilung auszuruhen. Dass im Play-Off alles passieren kann, zeigte sich bereits in den vergangenen zwei Jahren.

Ob mit oder ohne Christian Heinle als Ried-Trainer, bleibt abzuwarten. Der Grieskirchner schaffte es seit April 2022 nicht, die Rieder in die Erfolgsspur zu bringen. Warum er ausgerechnet jetzt noch die Wende schaffen sollte, wissen wohl nicht einmal seine größten Fürsprecher.

Wer Heinle möglicherweise beerben könnte, steht ebenfalls noch in den Sternen. Junge-Wikinger-Trainer und Ex-Pokerstar Maximilian Senft wäre eine extrem mutige Lösung, doch auch Ex-Trainer Andreas Heraf war zumindest am Samstag schon in Ried zugegen. Die Sinnhaftigkeit eines weiteren Einsatzes von „Feuerwehrmann“ Heraf ist nach der Trennung im Herbst 2021 jedoch fraglich. Und für Kaliber wie Ex-Austria-Erfolgstrainer Manfred Schmid wird im Innviertel wohl das nötige Kleingeld fehlen…

Thomas Danielauer, abseits.at

Thomas Danielauer